Nicola Schmidt

Der Elternkompass


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      © eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020

      © Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020

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      Projektleitung: Reinhard Brendli

      Lektorat: Ralf Lay

      Schlussredaktion: Barbara Kohl

      Covergestaltung: independent Medien-Design, Horst Moser, München

      eBook-Herstellung: Sabrina Ouertani

      

ISBN 978-3-8338-7660-8

      1. Auflage 2020

      Bildnachweis

      Fotos: Stocksy, Natalie Menke

      Syndication: www.seasons.agency

      GuU 8-7660 12_2020_02

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      GRÄFE UND UNZER VERLAG

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      Als die Wissenschaftsjournalistin Nicola Schmidt ihr erstes Kind bekam, erhielt sie Ratschläge von allen Seiten – aber niemand schien dazu Fakten zu kennen. Sie begann sich zu fragen: Was ist wirklich gut für unsere Kinder? Was ist nach­weislich wirksam? Seitdem trägt sie Jahr für Jahr Forschungsergebnisse rund um das Thema »Erziehung« zusammen und hilft Eltern, sich im Ratschläge-Dschungel zurechtzu­finden.

      In diesem Buch gibt sie einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand, wie gewohnt amüsant und auf den Punkt gebracht. Sie erzählt, warum Wissenschaftler Babys immer trösten würden, was an Spinat gefährlich ist und warum kleine Hausaufgabenhasser besser sind als ihr Ruf. Außerdem mit dabei: Neugeborene, die krabbeln können, Kleinkinder, die von allein teilen lernen, und was eine Stunde mehr Schlaf mit der Lernfreude unserer Schulkinder zu tun hat.

      FÜR EINE SCHÖNE KINDHEIT IST ES NIE ZU SPÄT

      Unser Gefühl und die Wissenschaft sind sich einig: Die Kindheit sollte ein Ort der Wärme und des Vertrauens sein. Um uns gut zu entwickeln, brauchen wir als Kinder ein Zuhause, in dem wir uns geborgen, sicher und willkommen fühlen. Das ist der Ort, nach dem wir Menschen uns alle sehnen – das Fundament unseres Lebens.

      Warum ist das so? Die frühe Kindheit ist die prägendste Phase unseres Lebens. Dort legen unsere Eltern die Grundlagen für unsere seelische und körperliche Gesundheit. Denn als Homosapiens-Kinder sind wir extrem bedürftig und hilflos. Wir gedeihen am besten, wenn uns jemand bedingungslos liebt und umsorgt. Wir brauchen jemanden, der unsere Gefühle erkennt und spiegelt, der mit uns lacht, uns in den Arm nimmt – jemanden, der Tag und Nacht für uns da ist, uns wärmt und wiegt. Wenn wir dieses Gefühl bekommen, sind wir gewappnet für die Welt: Wir haben Urvertrauen – jene besondere Sicherheit, dass wir immer wieder an diesen heilen inneren Ort zurückkehren können.

      Eigentlich haben wir Menschen alle von Natur aus drei Engel an unserer Seite: ein starkes Selbstwertgefühl, das uns hilft, unseren Weg zu gehen, ein stabiles Stresssystem, das uns auch in schwierigen Zeiten ruhig bleiben lässt, und Resilienz, die psychische Widerstandskraft, die uns auch nach schweren Schicksalsschlägen hilft, wieder auf die Beine zu kommen. Doch diese drei müssen in der Kindheit aufgebaut, gestärkt und ausgebaut werden, damit sie uns durchs Leben tragen und alles verlässlich funktioniert.

      Ich bin im alternativen Berlin der Achtzigerjahre groß geworden: mit hilflosen Erziehern in Kinderläden, überforderten Lehrern und wenig geschulten Sozialarbeitern, die sich in erster Linie um sich selbst drehten. Ich hatte das Glück, dass meine eigene Mutter schon damals nichts mehr auf die autoritäre Erziehung gab, die sie selbst als Kind erfahren hatte. Gleichzeitig hinterließ diese Erziehung tiefe Narben in ihrer Seele, die bis heute nicht verheilt sind.

      Als meine eigenen Kinder geboren wurden, stand für mich deshalb fest, dass ich ihnen unbedingt einen besseren Start mitgeben wollte, ohne dass ich je etwas von Stresssystemen, Selbstwertgefühl oder Resilienz gehört hätte. Ich dachte mehr an ein warmes Zuhause, festes Urvertrauen und das Wissen, dass ich immer für sie da bin. Denn ich hatte gesehen, wie gewaltvolle, autoritäre Erziehung und emotionale Härte die Seele eines Menschen nachhaltig zerstören und sogar über zwei Generationen hinweg destruktiv wirken können. Ich wollte diese unheilvolle Tradition ein für alle Mal unterbrechen – und es besser machen.

      Doch auf dem Weg dahin stieß ich auf Hindernisse, mit denen ich nicht gerechnet hatte.

      Als mein Sohn sieben Wochen alt war, kamen Verwandte zu Besuch. Er war gerade friedlich auf meinem Arm eingeschlafen, da hörte ich zum ersten Mal, dass es an der Zeit sei, ihn »richtig zu erziehen«: »Willst du ihn nicht mal weglegen?« – »Nein, wenn ich ihn weglege, wacht er auf und weint, er will nicht allein sein.« – »Das muss er aber lernen! Das würde ich ihm nicht durchgehen lassen, du kannst ihn doch nicht ständig herumtragen!« Ich schaute mein winziges Baby an und fragte mich, warum es so kurz nach seiner Geburt »lernen« sollte, allein zu sein.

      Im Laufe der nächsten Wochen bekam ich immer wieder solche »guten Ratschläge«: Ich solle das Baby auch mal schreien lassen, damit es mich nicht »um den Finger wickelte«, und es nicht füttern, wenn es Hunger hatte, damit ich es nicht »verwöhnte«. Außerdem sei es an der Zeit, einen Betreuungsplatz zu suchen und das Kind tagsüber wegzugeben. Ich sei schließlich keine Fachfrau und kenne mich daher mit Kindern nicht aus. Zu diesem Zeitpunkt war mein Baby noch nicht einmal drei Monate alt.

       Unterschiedliche und widersprüchliche Ratschläge verunsichern uns als junge Eltern. Selbst Kinderarzt und Hebamme scheinen sich oft nicht einig zu sein, was richtig für ein kleines Kind ist.

      Was