Dragan Aleksić

Herrenfahrrad "Partizan"


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      Dragan Aleksić - Herrenfahrrad „Partizan“

      1. Auflage 2020

       © eta Verlag

       Alle Rechte vorbehalten

      eta Verlag | Petya Lund

       Schönhauser Allee 26

       10435 Berlin

       www.eta-verlag.de

       [email protected]

      Aus dem Serbischen übersetzt von

       Elvira Veselinović und Mascha Dabić

       Lektorat: Carsten Schmidt

       Covergestaltung: Olga Reljić

      Originaltitel:

       CRNI MUŠKI BICIKL MARKE PARTIZAN

       MADE IN YUGOSLAVIA

       erschienen bei: Albatros plus 2017

      Dieses Buch wurde übersetzt mit freundlicher Unterstützung

       des Ministeriums für Kultur der Republik Serbien.

      ISBN 978-3-9820030-5-4

      Kapitel übersetzt von Elvira Veselinović:

      Wim Wenders in Texas, Rührei, Wie Vaso Mraović dem Tod zuvorkam, 1942/43, Das kleine Buch vom Tod des Isaak Kalman und der Deportation aller Juden aus Bela Crkva im Sommer 1941, Claudio Magris in Bela Crkva, 1919, Ilma Rakusa in Ljubljana, Der König aller Dichter, Rajko, der Antifaschist, Mama Mexicana, B R O O K E, Bobbie Lee, Oma und ich, Die Briefe mit den schwarzen Zeilen, Lamija + Daco, Božidar, Kinderskelett im flachen Grab, Herrenrad, schwarz, Marke „Partizan”, Made in Yugoslavia, Das „Luxemburg” aus dem „Luxemburg”, Gegen Ende

      Kapitel übersetzt von Mascha Dabić:

      Das Amerikanische Tattoo, Prinzessin Elethia, Die Frauen von Dubrovnik, Volksdeutsches Herz, Tag des Gedenkens, Zoka hat eine Mama und einen Papa, Der Kuss auf dem Fensterglas – Peter Handke, Amanuel Nebil, der Italiener, GABRI, Ohio Polka, Zwei deutsche Hemden, No Pasarán

      Wim Wenders in Texas

      Wim Wenders fuhr gemächlich über die Hauptstraße von Cooper, einem Städtchen im Nordosten von Texas. Als er das Schild Old Spurs Bar erblickte, hielt er den gemieteten Buick LeSabre an und warf zwei 25-Cent-Münzen in den schwarzen Schlund des Parkautomaten.

      In der Bar schaute er sich nicht großartig um, er hatte in den letzten Monaten, in denen er in Texas herumgefahren war, schon so viele davon gesehen. Am kleinen L-förmigen Tresen saßen nur zwei Gäste: an der kürzeren Seite ein alter Mann, der Budweiser trank, am längeren Ende links, fünf-sechs Stühle weiter, saß ein junger Mann, vor dem eine grüne Flasche stand. Wim Wenders setzte sich auf einen Stuhl in der rechten Ecke, so dass ihn ein leerer Stuhl von dem älteren Herrn trennte.

      „Was kann ich für dich tun?“, fragte der Kellner höflich.

      „Ein Budweiser“, antwortete Wim Wenders.

      Nachdem er ein paar Schluck getrunken und alles gesehen hatte, was es in der kleinen Bar zu sehen gab, fragte Wim Wenders den jungen Mann am anderen Ende des Tresens, der seine Flasche mit St. Pauli Girl zärtlich anschaute:

      „Ist das gut, das deutsche Bier?“

      Der junge Mann wandte den Kopf nur ganz leicht zur Seite zu dem Fremden hin, und ohne ihn, der ihn mit seiner Frage gestört hatte, anzuschauen, nickte er ein wenig mit dem Kopf und zwinkerte.

      Der Barkeeper schaute den jungen Mann mit einem sanften Lächeln an.

      „Das ist mein Neffe Larry“, sagte der alte Mann, der rechts von Wim Wenders saß, „er ist der einzige in dieser Bar, und wahrscheinlich der einzige in der ganzen Stadt, der dieses Bier trinkt.“

      „Ich bin Sam, und dieser nette Herr, der hier bedient, heißt Jeff.“

      „Angenehm, meine Herrn, ich bin Wim.“

      „Du bist Ausländer?“, fragte der alte Mann.

      „Ja, ich bin Deutscher.“

      „Hörst du, Larry, der Herr ist Deutscher. Aus Deutschland?“

      „Ja, aus Deutschland.“

      „Dann bist du aber weit weg von Zuhause. Was hat dich denn in unser Kaff hier verschlagen, mein Freund?“

      „Ich will nach Paris. Ich suche nach Locations für meinen neuen Film.“

      „Film? Machen die Deutschen etwa auch so einen Scheiß? Ich dachte, so etwas macht man nur hier in Hollywood … die Deutschen bringe ich eher mit Maschinen oder Ingenieurzeugs in Verbindung … Weißt du was beef jerky und smokey sticks sind?“

      „Ich weiß. Ich habe sie probiert. Nicht schlecht.“

      „Ich arbeite seit Jahrzehnten in einer Firma, die das Zeug herstellt. Wir haben deutsche Maschinen. Sie schneiden, mahlen, packen das Fleisch. Gehen nie kaputt. Unsere, die amerikanischen, die gehen gerne mal kaputt. Die deutschen nicht.“

      „Müsstest du nicht längst in Rente sein?“

      „Ich bin achtundsiebzig Jahre alt. Ich arbeite, seit ich fünfzehn bin. Hab Firmen und Städte gewechselt, Staaten und Frauen. Am längsten bin ich in der Fleischindustrie. Und was die Rente angeht, na ja, immer kommen irgendwelche Rechnungen. Dies muss man bezahlen, dann das, und noch jenes … Und so verstreichen die Jahre. Ich glaube, ich halte es noch zwei Jahre aus, und dann, wenn ich dann noch lebe, gehe ich in Rente.“

      „Und der Neffe?“

      „Larry arbeitet mit mir zusammen. Jetzt ist er dreiundzwanzig, mit sechzehn hat er die Schule abgebrochen. Es lief nicht so gut. In der Schule sagte man mir, es sei besser, wenn er dort keine Zeit mehr verliere. Er arbeitet gut, er ist fügsam. Als er einundzwanzig war und vor dem Gesetz alt genug, um in eine Bar zu gehen, nahm ich ihn mit hierher. Er sollte seinen einundzwanzigsten Geburtstag hier feiern. Ich dachte so bei mir, dann trinkt er sein erstes Bier und knallt ein Mädel, das hier ein und ausgeht. Hübsch, gesprächig, leichte Ware, ich war mir sicher, wenn ich ihr ein bisschen Geld gebe, bringt sie meinem Jungen die Sachen bei… du weißt schon ... Und dann waren wir hier …“

      „Erinnere mich genau“, unterbrach der Barkeeper den alten Mann mit einem Lächeln, „ich fragte ihn, was er trinken will. Und er glotzt und glotzt und erblickt dann die Blondine auf dem Etikett. Das da, sagt er und zeigt auf die Flasche St. Pauli Girl. Dann schaut er ihn etwas schamhaft an und er antwortet: Mein Sohn, nimm, was du willst.“

      „Mein Larry nimmt also die Flasche deutsches Bier, trinkt ein wenig, eher so nippend, schüchtern, aber das Busenwunder starrt er die ganze Zeit an, ohne mit der Wimper zu zucken. Er stellt die Flasche etwas weiter weg vor sich ab, um sie besser zu sehen. Er hatte wohl noch nie solche Schönheit gesehen, oder weiß Gott was. Sieh ihn dir an, auch jetzt, schau mal, wo seine Flasche steht. Nicht bei der Hand, sondern weiter vorne, damit er sie in Ruhe anstarren kann.“

      Wim Wenders schaute zu dem Jüngeren. Es tat ihm ein bisschen leid, denn er sah, dass mit ihm etwas nicht stimmte, gleich würde jedoch der Ältere mit seiner Geschichte fortfahren, da es ja noch so viel zu erzählen gab.

      „Ich brachte also Larry vor zwei Jahren hierher auf sein erstes Bier – und seine erste Frau – aber es endete folgendermaßen: Er bekam ein Bier und trank es auch, aber eine Frau hat er nicht abbekommen. Also eigentlich schon, diese Deutsche. Seitdem kommen wir jeden Abend hierher. Ich trinke ein paar Budweiser und er dieses eine, deutsche Bier, manchmal auch zwei, aber eher selten. Wenn Jeff ihm die leere Flasche wegnehmen will, macht er kurz Anstalten, sie zu behalten, aber dann stellt ihm unser Freund schnell eine neue hin und er beruhigt sich wieder. Dann dasselbe Spiel wie mit der ersten. Er trinkt ein wenig, dann schaut er sie lange an, ohne zu blinzeln. Er hat sich in das Mädchen verliebt. Ich dachte mir, das geht vorbei, er ist noch jung, ein wenig seltsam zwar, aber egal. Wahrscheinlich holt er sich jede Nacht einen runter und denkt an die vollbusige Deutsche.“

      Der Kellner Jeff, der alte Sam und Wim