konnten in das Geschehen aber nicht eingreifen.
Um sich gegen unangenehme Überraschungen zu schützen, hatte Parker den Dreißigjährigen hinüber zur Heizung gerollt und die strenge Gouvernante dann gebeten, sich neben ihren Beschützer zu legen. Sie waren nun durch eine Handschelle innig verbunden, wobei Parker darauf geachtet hatte, daß diese Handschelle hinter dem Zuleitungsrohr der Heizung verlief. Um aktiv zu werden, hätte das Pärchen die Zuleitungsrohre aus der Wand herausreißen müssen.
Der Dreißigjährige schlief noch, während die Gouvernante Schimpfwörter produzierte. Es zeigte sich, daß sie sehr ordinär war, denn in der Auswahl ihrer Worte legte sie sich keine Hemmungen auf. Parker blieb allerdings völlig unbeeindruckt. Er nahm sich die Freiheit, die schwarze Seidenbespannung etwas näher unter die Lupe zu nehmen.
Er suchte und fand.
Dort, wo der Dreißigjährige sich versteckt gehalten hatte, befand sich eine ansehnliche Fotoausrüstung. Auf einem Stativ war eine teure Hasselblad montiert, auf einem kleinen Tisch lagen Kleinbildkameras, die auch ihr Geld gekostet hatten. In die Seidenbespannung waren kleine Sicht- oder Gucklöcher eingeschnitten worden. Der Beschützer der Gouvernante hatte also die Möglichkeit gehabt, die jeweiligen Kunden seiner Freundin in allen Posen abzulichten.
Parker suchte und fand ferner in dem Apartment eine volleingerichtete Dunkelkammer mit einem kleinen Fotolabor. Es war nur zu verständlich, daß der Beschützer der Gouvernante seine Filme zum Entwickeln nicht aus den Händen gab. Solche heiklen Bilder durfte nur er selbst bearbeiten.
„Dafür werden Sie noch büßen“, fauchte die Gouvernante ihn an, als Parker sich wieder im Hauptraum sehen ließ. „Ich hetze Ihnen alles auf den Hals, was ich auftreiben kann.“
„Bitte, Madam, wir wollen doch die Formen wahren“, sagte der Butler gemessen. „Sie haben also Mr. Burt Lister erpreßt, wie ich unterstellen darf?“
„Wer sind Sie? ’n Bulle bestimmt nicht, das sieht man Ihnen an. Für wen sind Sie gekommen? Ich weiß schon, ich weiß schon …“
„Wie schön für Sie, Madam.“
„Meine Konkurrenz“, redete die strenge Erzieherin weiter, „aber sagen Sie den Flittchen, daß ich mich rächen werde, die können sich auf was gefaßt machen!“
„Bleiben wir bei Mr. Lister und schweifen wir nicht unnötig vom Thema ab“, antwortete der Butler. „Sie haben Mr. Lister also erpreßt!“
„Erpreßt? Wieso denn?! Der kam doch freiwillig. Dem hat’s nichts ausgemacht, sogar von Bristol hierherzufahren. Freiwillig, um’s noch mal ganz genau zu sagen.“
„Wem machten Sie davon Mitteilung, Madam?“
„Ich … ich verstehe nicht.“ Sie stotterte leicht und senkte die Augen.
„Mr. Eric Cranford machte solche Andeutungen.“ Parker bluffte wieder mal. Er konnte sich gut vorstellen, daß Cranford und diese Frau als verwandte Seelen miteinander in Verbindung standen.
„Bennie und ich haben Eric ein paar Bilder verkauft“, räumte sie prompt ein. „Eric sammelt so was, ist halt sein Tick.“
„Er fragte nach, wer dieser Mr. Lister ist?“
„Nie! Warum sollte er auch. Ihn interessieren doch nicht die Namen, sondern nur die Aufnahmen. Ich hab’ doch gerade gesagt, daß er so was sammelt.“
„Wie kamen Sie mit Mr. Lister in Verbindung?“
„Durch meine Annoncen. Sie erscheinen regelmäßig in den Zeitungen. Völlig regulär. Er meldete sich eines Tages per Telefon, und das ist auch schon meine ganze Geschichte.“
„Er schenkte Ihnen hin und wieder Schmuck?“
„Na und? Er mochte mich, ich war genau seine Kragenweite.“
„Sie wissen, welchen Beruf Mr. Lister ausübte?“
„Ach was, erst seit heute, als ich das von seinem Unfall in der Zeitung las. Da wußte ich auch, warum er von Bristol kam, hier in London konnte er sich so richtig austoben. Nun sagen Sie schon deutlich, wer Sie sind!“
„Ein Butler, deutete ich nicht bereits darauf hin?“ Parker lächelte andeutungsweise. „Eine letzte Frage, Madam, bevor ich mich verabschiede. War Mr. Lister nur der einzige, dessen Bilder Sie an Cranford verkauften?“
„Ist denn das so wichtig?“ Sie wollte nicht mit der Sprache herausrücken, dieses Thema behagte ihr nicht.
„Ihre Antwort entscheidet darüber, ob ich die Polizei verständigen werde oder nicht, falls die Antwort natürlich ehrlich ausfällt, wie ich hinzufügen möchte.“
„Cranford sortierte alle Aufnahmen durch, die Bennie so machte“, gestand sie ehrlich und deutete bei dem Namen ‚Bennie‘ auf den neben ihr an der Heizung liegenden Mann. „Eric hat uns das hier alles eingerichtet und finanziert, ich war früher mal Modell bei ihm.“
„Das erklärt in der Tat gewisse Zusammenhänge.“ Parker nickte leicht.
„Schließen Sie uns jetzt endlich von der verdammten Heizung los“, fauchte sie wütend.
„Da wäre doch noch eine allerletzte Frage“, korrigierte der Butler sich höflich. „Wo erreiche ich die beiden Herren Jack und Herbert?“
„Bei Eric Cranford“, antwortete sie.
„Mitnichten“, bluffte der Butler wieder. „Dort wohnen sie regulär nicht, wie ich weiß!“
„Wollen Sie, daß die mich umbringen?“ jammerte sie und wirkte nicht mehr streng und wütend.
„Natürlich nicht, darum möchte ich sie ja auch schleunigst aus dem Verkehr ziehen, wie man in Ihren Kreisen zu sagen pflegt. Es liegt also durchaus in Ihrem Interesse, wenn ich die Adressen bekomme.“
Mary Delonge rang ein wenig mit sich, ließ sich Parkers Worte durch den Kopf gehen und nannte dann schließlich eine Adresse, die der Butler sich einprägte.
„Nun schließen Sie uns endlich los“, bat sie jetzt. Ihre Stimme klang weich und unglücklich. Sie fauchte nicht mehr, sondern versuchte es mit weiblicher Hilflosigkeit.
„Aber nur zu gern, Madam“, versprach Parker. „Vorerst möchte ich aber noch die von Ihnen genannte Anschrift aufsuchen, was Sie sicher verstehen werden.“
Daraufhin erinnerte sie sich ihres Repertoires an Schimpfworten, traf eine spezielle Auswahl und belegte ihn damit. Parker stellte bei dieser Gelegenheit fest, daß sie sehr variabel war.
„Aber Madam“, tadelte Parker leicht vorwurfsvoll. „Nicht diese Töne! Sie sollten sich Ihrerseits mit einer äußerst strengen Erzieherin in Verbindung setzen und Nachhilfeunterricht in Manieren nehmen!“
Mary Delonge schimpfte noch, als das Apartment verließ und ganz offensichtlich übersah, daß das Telefon leider noch in Reichweite der Gouvernante auf dem Hocker stand. Durfte einem Josuah Parker solch ein Fehler passieren?
*
Es dauerte etwa zwanzig Minuten bis sie auf der Bildfläche erschienen.
Jack und Herbert, die beiden Killer Cranfords, kletterten ziemlich hastig aus dem Ford und betraten das Apartmenthaus. Sie waren tatsächlich von Mary Delonge angerufen worden.
Die Tür zum Apartment der Gouvernante schafften sie in Sekundenschnelle, gingen durch den kleinen Vorkorridor und blieben dann am Eingang zu dem großen Raum stehen.
„Endlich“, seufzte die Gouvernante erleichtert auf. „Nun macht doch schon! Habt ihr eine Eisensäge mitgebracht?“
„Alles vorhanden“, antwortete Jack und präsentierte Mary die Säge, traf aber keine Anstalten, sich an die verlangte Arbeit zu machen. Er sah auf Herbert, der sich die Lippen leckte.
„Du hast den Butler also auf ’ne falsche Fährte gehetzt?“ vergewisserte er sich.
„Selbstverständlich“,