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Franziska Franz
Eisernes Verderben
Ein Frankfurt-Krimi
Frankfurt Krimi
Franz, Franziska: Eisernes Verderben. Ein Frankfurt-Krimi. Hamburg, edition krimi 2020
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-946734-79-6
Dieses Buch ist auch als eBook erhältlich und kann über den Handel oder den Verlag bezogen werden.
ePub-eBook: 978-3-946734-39-0
Lektorat: Birgit Rentz
Korrektorat: Lilly Pia Seidel
Satz: 3w+p GmbH, Rimpar
Umschlaggestaltung: © Annelie Lamers, edition krimi
Umschlagmotiv: www.pixabay.com
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.
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„Du hast mir mein Leben genommen,
und zum Schluss auch noch den Ironman.“
Prolog
Der Geruch nach Lehm war das Erste, was sie wahrnahm, als sie zu sich kam. Sie wollte schreien, doch irgendetwas, was ihr im Mund steckte, hinderte sie daran. Es schien ein Klebestreifen zu sein, der an ihren Wangen ziepte und sie schmerzvoll innehalten ließ, wenn sie ihren Mund bewegte. In seitlicher Position lag sie auf einem feuchten Untergrund, die Arme hinter ihrem Rücken. Eine starke Schnur – vielleicht auch eine Kordel – war um ihre Handgelenke geschlungen und ließ keine nennenswerte Bewegung zu. Wenn sie die Lage der Arme zu verändern versuchte, schnitt ihr eine weitere Schnur in den Hals. Nein, es musste dieselbe Schnur sein. Sie hatte nicht die geringste Chance, sich zu befreien, lag gefangen in einem finsteren, irdenen Grab. Um sie herum war es so dunkel, dass sie nicht einmal zu sagen vermochte, wie groß ihr Gefängnis war. Mein Gott, was hatte er ihr angetan? Lebendig begraben hatte er sie! Vielleicht befand sie sich auf einem Friedhof, möglicherweise dem Hauptfriedhof. Da waren sie ein paarmal spazieren gegangen, denn seine Mutter lag dort begraben. Wenn es sich tatsächlich um den Friedhof handelte und sie in einem frisch ausgehobenen Grab lag, würde sie sich bemerkbar machen, sobald ein Sarg in das Loch gesenkt werden würde. Aber nein, das konnte nicht sein. Die für ein Begräbnis vorbereiteten Löcher wurden nicht abgedeckt, sie blieben offen, bis es so weit war. Etwas Feuchtes kroch über ihre Finger. Sie schauderte. Vermutlich ein Regenwurm. Bald würden Maden oder Würmer sie anfressen, sich in ihre Haut, in ihre Körperöffnungen bohren. Falls dem so war, wollte sie lieber vorher sterben, denn wenn sie es sich recht überlegte, hatte er ihr Verschwinden derart geschickt eingefädelt, dass niemand sie jemals finden würde. Tränen rannen ihr über das Gesicht, als sie plötzlich direkt über sich ein lautes Poltern vernahm.
1
August 2018
Kommissar Lutz Weigand saß in seinem Büro im Frankfurter Polizeipräsidium an der Adickesallee und fuhr seinen Laptop hoch.
„Morsche, Chef!“ Sein junger Kollege, Bernd Hesse, kam herein. „Wäre beinahe zu spät gekommen. Ist wieder mal ein riesiger Stau auf der Miquelallee stadteinwärts.“
Weigand, der gerade eine Tüte Gummibärchen aufgerissen hatte und sich eine Handvoll in den Mund stopfte, kaute genüsslich und sagte mit vollem Mund: „Nichtsch Neuesch, oder?“
Hesse schüttelte den Kopf und setzte sich ihm gegenüber auf seinen Bürostuhl. „Dass du nicht platzt! Die Dinger machen doch unglaublich fett – zumindest bei den Mengen, die du wegatmest.“
Weigand verdrehte die Augen und lehnte sich zurück, während er seinen Bauch streichelte. „Kann man es dir eigentlich jemals recht machen? Letztes Jahr hast du über meinen Zigarettenkonsum geschimpft, beim nächsten Mal haben dich meine Kaugummis gestört, und nun bist du schon wieder am Meckern. Du bist typisch deutsch, das will ich dir mal sagen. Das ist ja kaum auszuhalten!“
„Typisch deutsch, das mag sein.“ Hesse nickte. „Uns deutschen Polizisten eilt aber auch der Ruf voraus, besonders gründlich zu sein, stimmt’s? Hab mich darüber erst kürzlich mit einem Kollegen vom BKA unterhalten.“
„Hast ja recht, ist ja schon gut.“ Weigand griff ein weiteres Mal in die Tüte und schob sie Hesse rüber. „Bedien dich, die beruhigen dein aufbrausendes Gemüt.“
Hesse schmunzelte. „Scherzkeks.“
Weigand sortierte die grünen Gummibärchen aus und legte sie in Reih und Glied auf seinen Schreibtisch. „Gaby ist mitten in der Pubertät. Im letzten Jahr haben sie in der Schule das Thema Lungenkrebs durchgenommen. In dem Alter neigen die jungen Leute zum Missionieren.“ Er nahm das vorderste und das hinterste Gummibärchen aus der Reihe in die Hand und schob sich beide in den Mund. „Dann begann sie, mir Schokoladenzigaretten zu schenken, weißt du noch?“
Hesse sah von seinem Bildschirm auf. „Ich weiß vor allem noch, wie dir vom Kaugummikauen die Zähne ausgefallen sind. War das ein Drama! Ich dachte schon, ich müsste den Fall allein lösen.“
„Nun übertreib mal nicht so unsäglich“, knurrte Weigand.
Hesse zeigte auf die Gummibärchen. „Davon kriegst du jedenfalls Zucker. Hatte Gaby das noch nicht in der Schule?“ Er hielt kurz inne. „Nein, ich glaube, ich will keine Kinder. Hab schließlich genug mit Julia zu tun, die mich ständig zum Sport prügelt.“
„Du hast ja auch noch alle Zeit der Welt. In ein paar Jahren sieht das alles ganz anders aus. Dann denkst du plötzlich, du müsstest all deine guten Gene reproduzieren.“
„Und was hab ich davon – ein altkluges Kind, das nur mit der Mutter kooperiert, zumindest wenn es ein Mädchen wird?“
„Ach, Bullshit, lass das bloß nicht Bettina hören. Gaby gibt mir schließlich die Gummibärchen, damit sie sie nicht essen muss. Sie hat, nebenbei bemerkt, ganz schön abgenommen. Erwiesenermaßen hängen die Mädchen besonders an den Vätern, deswegen ist Gaby ja so besorgt um mich.“
Hesse lachte.
Weigand zeigte auf seine Jeans. „Die ist übrigens neu, der Bund spannt kein bisschen. Zum Reinwachsen sozusagen. Hat mir Bettina gekauft, sie ist ein echter Schatz.“
Hesse kicherte. „Langsam, aber sicher entwickelst du dich zu einem knuffigen Teddybären, eigentlich recht niedlich.“
„Noch ein Wort und ich kaufe mir eine Packung Zigaretten!“
„Um Himmels willen, nein! Ich schenk’ dir zum Geburtstag ’ne ganze Tonne von dem Zeug. Der Gummibärchenladen an der Hauptwache bietet eine unendliche Vielfalt an.“
Lutz Weigand war bereits seit mehr als zwanzig Jahren für die Kripo Frankfurt tätig und mittlerweile Kriminalkommissar. Sein Äußeres jedoch erinnerte eher an einen Mathematiklehrer, denn mit seiner Nickelbrille, den widerspenstigen dunklen Haaren und dem rundlichen Gesicht wirkte er vergeistigt. Dass dieser Mann eine HK P30 bedienen konnte, mochte man auf den ersten Blick kaum glauben. Seine Frau Bettina war seine große Liebe und die mittlerweile fünfzehnjährige Gaby sein ganzer Stolz. Wenngleich sie als pubertierender Teenager auch recht anstrengend sein konnte, gab sie ihm in ihrer unbekümmerten