Jacques Derrida

Die Todesstrafe II


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      In dem zweijährigen Seminar über Die Todesstrafe wird das in Europa bereits erledigt geglaubte, aber irritierend oft wiederauftauchende Thema der Todesstrafe ebenso umfassend wie strikt erörtert, wobei auch tagesaktuelle Bezüge aufblitzen.

      Das zweite Studienjahr wagt nach einer kurzen Anknüpfung an die zentralen Begriffe des vergangenen Jahres – Souveränität, Ausnahme und Grausamkeit – einen Neuanfang. Dieser ist durch drei Fragen gekennzeichnet, die sich durch die Lektüre diverser Texte (von Kant, Freud, Reik, Heidegger, aber auch Kafka und Benjamin) ziehen: „Was ist ein Akt? Was ist ein Alter? Was ist ein Begehren?“ Neben der Frage, ob es sich bei der Todesstrafe um eine Fremdoder eine Selbst-Bestrafung handelt, geht es auf einer grundlegenderen Ebene um drei Formen der Verurteilung: die zum Sterben im Allgemeinen, zum Sterben in kurzer Zeit (z. B. an einer Krankheit) und die Verurteilung zum Tode durch ein Strafgerichtsurteil. Hierbei zeigt sich, dass nur Letztere eine Entscheidung impliziert, die Entscheidung des Anderen.

      Jacques Derrida (1930-2004) lehrte Philosophie in Paris und den USA.

      Jacques Derrida

      Die Todesstrafe II

      Seminar 2000–2001

      Aus dem Französischen von Markus Sedlaczek

      Hg. von Geoffrey Bennington und Marc Crépon

      Passagen forum

      Herausgegeben von Peter Engelmann

      Deutsche Erstausgabe

      Titel der Originalausgabe: Séminaire La peine de mort.

       Volume II (2000–2001)

      Aus dem Französischen von Markus Sedlaczek

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

      Alle Rechte vorbehalten

      ISBN 978-3-7092-0404-7 (in Vorbereitung)

      eISBN 978-3-7092-5039-6

      © 2015 by Éditions Galilée, Paris

      © der dt. Ausgabe 2020 by Passagen Verlag Ges. m. b. H., Wien

       http://www.passagen.at

      Grafisches Konzept: Gregor Eichinger

      Satz: Passagen Verlag Ges. m. b. H., Wien

      Inhalt

       Allgemeine Einführung

       Vorbemerkung der Herausgeber

       Erste Sitzung. 6. Dezember 2000

       Zweite Sitzung. 13. Dezember 2000

       Dritte Sitzung. 10. Januar 2001

       Vierte Sitzung. 31. Januar 2001

       Fünfte Sitzung. 7. Februar 2001

       Sechste Sitzung. 21. Februar 2001

       Siebte Sitzung. 7. März 2001

       Achte Sitzung. 23. Februar 2001

       Neunte Sitzung. 21. März 2001

       Zehnte Sitzung. 28. März 2001

       Anmerkungen

       Zu den Herausgebern

       Verzeichnis der ausführlich zitierten Literatur

       Namensverzeichnis

      Allgemeine Einführung

      Die Gesamtausgabe der Seminare und Vorlesungen Jacques Derridas wird dem Leser die beispiellose und – im mehrfachen Sinne des Wortes – unerhörte Chance bieten, mit dem gesprochenen Wort des Philosophen in Berührung zu kommen, wie es im Rahmen seiner Lehrtätigkeiten geäußert wurde. Diese Ausgabe wird einen neuen Teil seines Werkes darstellen, der zu unterscheiden ist von den Büchern und anderen Texten, die er zu Lebzeiten veröffentlichte oder noch vor seinem Tod durchgesehen hat; dieser Teil besitzt natürlich einen anderen Status als jene. Ob als eigenständiges Ganzes genommen oder in ihrem Verhältnis zu Derridas philosophischem Werk betrachtet werden diese Vorlesungen und Seminare der Forschung ein unvergleichliches Hilfsmittel an die Hand geben und, so glauben wir zumindest, sein Denken in anderer Weise erfahrbar machen, diesmal eben in Verbindung mit seiner – in Frankreich wie im Ausland ausgeübten – Tätigkeit als Lehrender, die stets eine lebendige Quelle seines Schreibens bildete.

      Das Korpus, das wir zur Publikation vorbereiten, ist von gewaltigem Umfang. Vom Beginn seiner Lehrtätigkeit an hatte Jacques Derrida es sich zur Gewohnheit gemacht, fast alle seiner Vorlesungen und Seminare vollständig niederzuschreiben. Wir verfügen in diesem Zusammenhang gegenwärtig über das Äquivalent von ungefähr 14 000 Druckseiten, das heißt 43 Bänden oder 1 Band pro Studienjahr. Man kann dieses Material nach verschiedenen Kriterien klassifizieren. Zunächst einmal nach den jeweiligen Orten der Lehre: an der Sorbonne 1960-1964; an der École normale supérieure in der Rue d’Ulm 1964-1984; an der École des hautes études en sciences sociales (EHESS) 1984-2003.1 Sodann nach der Art der jeweiligen Lehrveranstaltung: bis 1964 Vorlesungen mit einer wechselnden Anzahl von Sitzungen (die von einer bis 15 reicht); später dann das, was er stets „Seminare“ nannte. Schließlich – und dieses Kriterium ist für die editorische Arbeit zweifellos am relevantesten – nach den Arbeitswerkzeugen: handgeschriebene Sitzungstexte von 1960 bis 1970; maschinengeschriebene, mit handschriftlichen Anmerkungen und Korrekturen versehene Sitzungstexte von 1970 bis 1988; am Computer verfasste Sitzungstexte von 1988 bis 2003.

      Jacques Derridas Seminare, die eine eigentümliche Form besaßen und bereits in der Rue d’Ulm (wo die Wahl der Themen und der Autoren, wenn nicht sogar ihre Behandlungsweise den Zwängen des Studiengangs zur Erlangung der agrégation2 unterworfen war) ein großes und breit gefächertes, internationales Publikum anzogen, nahmen an der EHESS ihren endgültigen Charakter an: Am Mittwoch, von 17 bis 19 Uhr, in circa zwölf Sitzungen pro Studienjahr, trug Jacques Derrida vor einer großen Zuhörerschaft und stets ein wenig improvisierend den Text seines Seminars vor, den er im Laufe des Jahres vollständig niedergeschrieben und redigiert hatte. (Diesen sind noch einige improvisierte Sitzungen hinzuzufügen, die bisweilen der Interpretation eines Textes oder der Diskussion dienten.) Nunmehr frei in der Wahl seines Gegenstands, hat Derrida mehrjährige Forschungsprojekte angelegt, die explizit und in kohärenter, schlüssiger