Nora Adams

ZwölfUhrTermin


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      ZwölfUhrTermin

       Roman

      Nora Adams

      Erstausgabe im September 2020

      Alle Rechte bei Verlag/Verleger

      Copyright © September 2020

      Booklounge Verlag

      23923 Schönberg

      Johann-Boye-Str. 5

      Bild: @artofphoto - CanStockPhoto

      978-3-947115-13-6

      Bilanz

      »Ei­nen Kaffee, bit­te.«

      Die Frau, die vor Marc an der The­ke stand, zück­te ei­nen Schein aus ih­rem Geld­beu­tel und sah ver­wun­dert auf, als sie kei­ne Ant­wort er­hielt.

      »Ei­nen nor­ma­len Kaffee?«, er­kun­dig­te sich der Ver­käu­fer und stutz­te da­bei däm­lich.

      »Gibt es ei­nen un­nor­ma­len Kaffee?«, ent­geg­ne­te sie schlag­fer­tig, stemm­te ei­ne Hand in ih­re Sei­te.

      Die­se Frau hat­te Tem­pe­ra­ment, dach­te Marc und üb­te sich in Ge­duld. »Ist es denn so son­der­bar, dass ich Fil­ter­kaffee oh­ne künst­lich hin­zu­ge­füg­te Aro­men und ton­nen­wei­se Sah­ne oder Milch­schaum mag?« Marcs Mund­win­kel zuck­te. Wenn die mal kei­nen schlech­ten Tag hat­te … Oder war sie immer so ag­gres­siv? Im Grun­de ge­nom­men war es ihm egal, denn was zähl­te, war, dass er ei­nen Termin hat­te, den er ver­pas­sen wür­de, soll­te sie nicht gleich zum En­de kom­men.

      »Bo­ah! Mom!« Der Jun­ge, der ne­ben ihr stand, ramm­te ei­nen Ell­bogen in ih­re Sei­te. »Chill mal dein Ge­sicht! Aa­al­ter, das geht ja gar nicht!«

      Was zum Teu­fel?, frag­te er sich in dem Mo­ment, als sie sich ruck­ar­tig dem klei­nen Möch­te­gern-Co­olio zu­wand­te, so­dass Marc die zar­ten Kon­tu­ren ih­res Ge­sich­tes er­bli­cken konn­te. Win­zi­ge Som­mer­spros­sen schmei­chel­ten ih­ren Wan­gen­kno­chen, wäh­rend sich ih­re lan­gen, ro­ten, wel­li­gen Haa­re über ih­re Schul­ter er­gos­sen. Ei­ne schwar­ze Bril­le stand im Kon­trast zu ih­rer hel­len Haut. Das war mal ei­ne ex­trem hei­ße Er­schei­nung, dach­te er sich, wäh­rend er ih­ren vor­wurfs­vol­len Ge­sichts­aus­druck be­ob­ach­te­te und sich da­bei fast schon amü­sier­te.

      »Ma­ri­us, sprich nicht so mit mir. Wie oft soll ich dir das sa­gen?«, zisch­te sie dem Jun­gen lei­se zu, an­schei­nend da­rauf be­dacht, dass nicht alle in der Schlan­ge mit­be­ka­men, wie sie ih­ren Sohn rüg­te. Augen­rol­lend wen­de­te die­ser sich ab. »Voll LOL, Mom! Du bist so pein­lich!«, sag­te er in vol­ler Lauts­tär­ke.

      »Du spielst ge­ra­de um dei­ne Plays­ta­tion, mein lie­ber Freund!«, platz­te es be­herrscht aus ihr her­aus.

      Die Zeit rann­te ihm da­von, in­des Marc wie an­ge­wur­zelt hin­ter die­sem Schau­spiel stand und sich kei­nen Zen­ti­me­ter vom Fleck be­weg­te. Er muss­te sich ein­ge­ste­hen, dass es ihm trotz des Termin­drucks nicht so viel aus­mach­te, weil sei­ne Ge­dan­ken mo­men­tan ein ver­fluch­tes Eigen­le­ben ent­wi­ckel­ten.

      Er stell­te sich vor, wie sie nackt auf ihm saß und ih­re sünd­haf­te Mu­schi – er nahm an, dass sie bei die­sem Er­schei­nungs­bild ei­ne mehr als nur ap­pe­tit­li­che Spal­te hat­te – immer wie­der über sei­ne Er­ek­tion rieb. Ih­re lan­gen Haa­re fie­len nach vor­ne, um­schmei­chel­ten ih­re hüb­sche Fi­gur, wäh­rend ih­re schma­len Fin­ger sanft über sei­ne Brust strei­chel­ten. Ihr Stöh­nen glich ei­nem lei­sen Hau­chen. Doch das ge­nerv­te Auf­stöh­nen vor ihm, brach­te ihn in die Rea­li­tät zurück. »Tall, gran­de oder ven­ti?«, frag­te er mit viel zu ho­her Stimm­la­ge und stemm­te sei­ne Hand in die Sei­te, wäh­rend er mit hoch­ge­zo­ge­ner Augen­braue auf sie blick­te.

      Mein Gott, hat­te der Ba­ris­ta Schraub­zwin­gen um sei­ne Ei­er, oder wa­rum piep­te er so ab­ar­tig? Shit! Ging ihm das hier auf die Ner­ven! »Ge­ben Sie die­ser Frau so­fort ih­ren«, nach Wor­ten su­chend, ge­sti­ku­lier­te Marc mit ei­ner Hand in der Luft he­rum, »Re­tro-Kaffee«, for­der­te er sto­ckend auf, wäh­rend er sich an den bei­den vor­bei­schob, die ihn er­staunt mus­ter­ten. Er knall­te ei­nen Fünf­zi­ge­uro­schein auf die The­ke und tipp­te, un­ter­malt von ei­nem ge­nerv­ten Kopf­schüt­teln, die Fin­ger­spit­zen un­ge­dul­dig auf die Holz­the­ke. »Groß und ei­nen Lat­te mac­chia­to«, warf er et­was zu laut hin­ter­her und warn­te ihn mit ei­ner eben­falls pro­vo­kant hoch­ge­zo­ge­nen Augen­braue – ja, er konn­te das auch -, kei­ne wei­te­ren dum­men Fra­gen zu stel­len. »Und wenn das Gan­ze heu­te noch ge­schieht, wä­re das ein glanz­vol­ler Dienst an die Mensch­heit.«

      Wäh­rend er war­te­te, sah er sich das klei­ne Übel, was ne­ben der Schön­heit stand und schänd­li­cher­wei­se eben­die­se Mutter nann­te, et­was ge­nau­er an. Mit of­fe­nem Mund und gro­ßen Augen starr­te er Marc an und ramm­te den Ell­bogen er­neut mehr­mals in die Sei­te sei­ner Mutter. »Was ist mit dir? Kannst du dich nicht an­stän­dig ar­ti­ku­lie­ren?«

      Ge­dank­lich rüg­te er sich, denn wenn Marc ehr­lich war, sag­te er selbst be­stimmt zehn­mal am Tag Al­ter, fuck oder ähn­li­che ka­ta­stro­pha­le Wor­te, wo­bei er er­wach­sen war und ein Un­ter­neh­men lei­te­te. Der ein­zi­ge Un­ter­schied war, dass Marc es nicht in der Öf­fent­lich­keit tat. Außer­dem muss­te der Furz­kno­ten das nicht er­fah­ren. »Und was ist das mit die­sem deutsch-eng­lisch Kau­der­welsch? Ist das ei­ne Art Sprach­stö­rung?«

      Ma­ri­us schluck­te schwer, das konn­te Marc an sei­nem Kehl­kopf se­hen. »Mom, du kannst doch nicht zu­las­sen, dass der so mit dei­nem Sohn spricht?«, sag­te er in ei­ner merk­wür­di­gen Mi­schung aus klein­lau­tem Auf­be­geh­ren. Als Marc den Blick hob, konn­te er er­ken­nen, wie sich klei­ne Lach­fält­chen um ih­re Augen bil­de­ten. Sie war schein­bar amü­siert und er­staunt, wie man dem skep­ti­schen Zu­cken ih­rer Augen­braue ent­neh­men konn­te. »Doch, Ma­ri­us, ge­nau das kann ich«, ant­wort­ete sie und er­wi­der­te Marcs Blick.

      Fuck. Augen­bli­cklich dach­te er aber­mals, dass sie se­xy und da­bei fast schon nied­lich aus­sah. Sie wirk­te ir­gend­wie zer­brech­lich, wo­bei sie nicht dürr war und ein paar ge­schmei­di­ge Run­dun­gen vor­zu­wei­sen hat­te.

      »Wie ist denn Ihr Na­me?«, frag­te der Typ hin­ter der The­ke ge­lang­weilt und Marc hät­te ihn am liebs­ten auf der Stel­le ver­gif­tet. So ein un­ge­ho­bel­ter Klotz stör­te ihn beim Gaf­fen und of­fen­sicht­lich hat­te er nicht nur ihn ge­stört, son­dern auch sie, denn ih­re Wan­gen er­rö­te­ten. »Das ist Rot­schopf und ich bin Super­man«, ent­geg­ne­te er prompt, oh­ne den Blick von ihr ab­zu­wen­den. Als ein lau­tes La­chen aus ihr her­aus­platz­te, konn­te er sich ein Grin­sen eben­falls nicht ver­knei­fen. Hot!

      Das Klin­geln sei­nes Tele­fons riss ihn ins Hier und Jetzt zurück, wo­rauf­hin er es aus der Ta­sche nahm. Das war Si­na. Shit, der Termin. »Eden«, mel­de­te er sich, in wei­ser Vor­aus­sicht, dass sei­ne Se­kre­tä­rin ihn gleich fra­gen wür­de, wo er denn blieb. Da­bei hat­te er ihr be­reits vor ei­ner Stun­de ge­schrie­ben, als sein Aus­wärts­mee­ting be­en­det war, dass er sich auf den Weg ma­chen wür­de.

      »Es ist drei Uhr, Ihr Termin ist da, von Ih­nen ist aber weit und breit kei­ne Spur.«

      Schnell reich­te er Miss Be­au­ty ih­ren schwar­zen Kaffee, die ihn dan­kend ent­ge­gen­nahm. Oh­ne dass sie es mer­ken konn­te, präg­te er sich ih­re Er­schei­nung ein, denn sie wür­de er wohl nicht flach­le­gen. Wenn sie schon ei­nen Balg hat­te, stan­den die Chan­cen nicht schlecht, dass sie ver­hei­ra­tet war.

      »Ciao, Rot­schopf«, sag­te er lei­se und zwin­ker­te ihr zum Ab­schied zu.

      »Tschüss und dan­ke.« Sie hob ih­ren Kaffee und lä­chel­te ihn an. Ih­re Augen strahl­ten, sie ver­ström­te pu­re Lebens­freu­de. Was für ein po­si­ti­ver Mensch, wenn sie auch de­fi­ni­tiv ei­ne an­de­re Sei­te hat­te, wie sie zu­vor be­wie­sen