Klaus-Dieter Platsch

Heilung als schöpferischer Prozess


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für unser gesamtes Sein: Der physische Körper, unsere Gefühle und Gedanken entstehen in jedem Moment neu. Auch wenn die moderne Wissenschaft im zwanzigsten Jahrhundert zu dieser Erkenntnis kommt, so scheint dies doch schon ein uraltes Wissen zu sein – Wissen aus einer inneren Schau. In der Genesis heißt es in der modernen Übersetzung des altgriechischen Textes: »Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort ist Gott« (Johannes-Evangelium 1,1). Der Originaltext des Alten Testaments benutzt hier eine besondere Zeitform: das Tempus divinus (göttliche Zeitform). Es ist eine Zeitform »über der Zeit«, die nicht nur im biblischen Raum, sondern auch im indischen zur Beschreibung des göttlichen Wirkens benutzt wurde. Diese Zeitform beinhaltet Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem und betrachtet sie als ein zeitlos untrennbares Ganzes. Und das Wort »logos« im Original wurde sehr verkürzt und eindimensional aus dem Altgriechischen als »Wort« übersetzt, heißt aber vielmehr: Es ist das geistige Prinzip oder der GEIST – der universelle Geist. Am besten lässt man den Begriff unübersetzt. So lautete der Anfang der Genesis eigentlich: »Am Anfang war, ist und wird immer sein der Logos, und der Logos war, ist und wird immer sein bei Gott, und der Logos war, ist und wird immer sein Gott.« Im Moment des Uranfangs, im Urgrund selbst, aus dem der Schöpfungsimpuls als strahlendstes Licht entsteht, gibt es keine Zeit – und Schöpfung geschieht jeden Moment aus diesem zeitlos-ewigen Grund.

      Also, was wissen wir? Und warum ist das für das Verstehen von Heilen und Heilung wichtig?

      »Das Schönste und Tiefste, was der Mensch erleben kann, ist die Erfahrung des Geheimnisvollen. Es ist die Quelle jeder wahren Kunst und Wissenschaft. Wer diesen Gemütszustand nicht kennt, wer nicht mehr innehalten kann, um zu staunen und Ehrfurcht zu empfinden, ist so gut wie tot: Seine Augen sind verschlossen. Diese Einsicht in das Geheimnis des Lebens, wenn auch gepaart mit Angst, ist auch der Ursprung der Religion: zu wissen, dass das, was für uns unergründlich ist, wirklich existiert, das es sich als höchste Weisheit und strahlendste Schönheit manifestiert, die unsere stumpfen Verstandeskräfte nur in ihren einfachsten Formen verstehen können – dieses Wissen, dieses Gefühl, steht im Mittelpunkt wahrer Religiosität. In diesem Sinne gehöre ich zu den frommen und religiösen Menschen.«

      ALBERT EINSTEIN

       Eine–Möglichkeit–/Viele–Möglichkeiten–Zustände

      DER PUNKT HÖCHSTER ENERGIE, der Urknall oder Nullpunkt, ist der Ausgangspunkt der gesamten Schöpfung. In einem Bild könnten wir uns das als reinstes, gleißendes Licht vorstellen. In der Bibel heißt es von JESUS: »Ich bin das Licht der Welt« (Joh 8,12) Im Koran (24:35) heißt es »Licht über Licht«. Die Kabbala sagt: »Wisse, dass vor der Schöpfung nur das eine höhere Licht existierte.«

      Licht ist das Leichteste im ganzen Universum und breitet sich am schnellsten aus. Im Wort »Licht« steckt auch »leicht«, im Englischen ist es dasselbe Wort für beide Aspekte: »light«. Der deutsche Physiker und Hochschullehrer NIEMZ sagt, physikalisch sei Licht allumfassend. »Es bewegt sich nicht wirklich in Raum und Zeit, sondern es spannt Raum und Zeit auf. Wir können das Licht nicht in den Strukturen von Raum und Zeit begreifen, weil es das Licht selbst ist, das Raum und Zeit aufspannt.«4 Naturwissenschaftlich sprechen wir von der Doppelnatur des Lichts, einmal als elektromagnetische Welle, einmal als Teilchen, das Photon. Es gibt Hinweise, dass diese Gleichsetzung des Lichts als Welle und als Photon nicht wirklich beschreibt, was Licht ist. Es scheint eher so, als sei Licht Energieträger. Die Flamme der Kerze selbst ist nicht Licht, sondern das, was in unsere Augen gelangt. Licht als das große Unbekannte, das die Informationen der brennenden Kerze in die Augen überträgt. Im Zusammenhang von In-Formation5 und Licht offenbart sich das Wesen von Licht: als Träger von komplexen, das gesamte Universum durchdringenden In-Formationen. Ein Mysterium – die Religionen sprechen von Gott.

      Am Punkt höchster schöpferischer Energie ist noch nichts erschaffen. Die Nullpunktenergie enthält jedoch das gesamte Potenzial, alle Möglichkeiten, wie sich Schöpfung realisieren kann. So können wir sehen, wie vom Urknall ausgehend das universelle Energie-/Bewusstseinsfeld entsteht, das das Universum mit all seinen Manifestationen entwickelt und formt: die anorganische Welt, die organische Welt, die Biosphäre, das biologische Leben, das Leben der Menschen mit der ihnen eigenen Intelligenz und Fähigkeit zur Selbstreflexion (siehe Abb. Schöpfungskaskade).

      Mit anderen Worten: Ausgangspunkt des schöpferischen Prozesses ist der Punkt der höchsten Energie, die noch ungeformt das Potenzial aller Manifestationsmöglichkeiten des Universums beinhaltet. Das heißt, im Urgrund von allem sind alle Schöpfungsmöglichkeiten da, aber noch nichts davon ist erschaffen. Im Schöpfungsprozess der unbelebten und belebten Welt manifestieren sich die Dinge in Struktur, Form und Gestalt – und damit in der ihnen gegebenen einen Möglichkeit. Die absolute Ursprungsenergie erscheint in schwächer werdenden Energieströmen als Struktur, Form und Gestalt, die für ihre Aufrechterhaltung Energie binden. So wird die frei zur Verfügung stehende Energie im Erschaffungsprozess immer geringer (die Gesamtenergie dagegen bliebt dabei unverändert; Energie kann weder verschwinden noch neu entstehen) und der hochenergetische Ausgangspunkt aller virtueller Möglichkeiten verschiebt sich zu einem niederenergetischen Zustand von nur noch einer Möglichkeit (siehe Abb. auf S. 25).

       Schöpfungskaskade

      Um sich das konkret vorstellen zu können: Am Urgrund, dem Punkt höchster Schöpfungsenergie, kann sich alles entfalten – ein ganzes Universum, einschließlich Sie und ich. Alle Möglichkeiten sind da. Ein Meer aller Möglichkeiten. Wir hätten auch ein Baum, ein Stein, ein Tier werden können. Im Dasein unseres individuellen Lebens hier auf dieser Erde sind Sie und ich »nur« noch eine Möglichkeit – wenn auch eine einzigartige.

       Verhältnis zwischen freier Energie, Struktur und Möglichkeiten

      Der Mensch spiegelt in sich selbst die ganze Schöpfungskaskade wider: Er ist vertikal verbunden mit dem Urgrund und dem aus ihm hervorgehenden universellen Bewusstsein, das sich immer mehr verdichtet zum transpersonalen Bewusstsein des jeweiligen Menschen und den immer dichteren Strukturen des Mentalen, des Psychischen und des physischen Körpers.

       Physische und subtile Ganzheit des Menschen, eingebettet und Teil des universellen Bewusstseins

      DAS NUN IST RELEVANT, UM ZU VERSTEHEN, was Heilung ist. Gesundheit und Krankheit sind als manifeste Phänomene Eine-Möglichkeit-Zustände. Wir können sie uns vorstellen, wie aus der freien Energie und dem Meer der Möglichkeiten in fixe Zustände von Raum und Zeit geronnen. Die Frage, die sich fürs Heilen stellt, ist: Wie kann ein fixer krankhafter Zustand wieder in einen Mehr-Möglichkeiten-Zustand überführt werden, in dem das Gesunde wiederhergestellt werden kann?

      Der gesunde Organismus, unsere Emotionalität, unser Denken, all das, was uns ausmacht, ist der gegenwärtige Eine-Möglichkeit-Zustand. Werden wir krank, so gehört das Kranksein in den aktuellen Eine-Möglichkeit-Zustand – ein Zustand, der sich durch die in ihm gebundene Energie stabilisiert.

      Ist es möglich, den krankhaften Zustand zu destabilisieren, das heißt, neue Bewegung ins System zu bringen? Die in ihm gebundene Energie freizusetzen und sie für den Heilungsprozess zu nutzen? Können wir Zugang zum Mehr-Möglichkeiten-Zustand, der eine Wandlung in Richtung Heilung erlaubt, bekommen? Wie weit ist Wandlung überhaupt möglich, wo doch unser Organismus so fest und statisch erscheint? Oder können wir nur Wandlung erfahren bei dem, was und wie wir denken und fühlen? Oder ist auch Veränderung auf der körperlichen Ebene im Mehr-Möglichkeiten-Zustand