ab, wischte ihn herunter und bückte mich, um ihn aufzuheben; dabei gelang es mir, meine Nase bis auf dreißig Zentimeter an die Handschuhe heranzubringen. Ja, unzweifelhaft waren sie die Quelle des seltsamen teerartigen Geruchs. Als ich ins Arbeitszimmer weiterging, hatte ich den Fall bereits gelöst. Ach, daß ich mir so in die Karten schauen lassen muß – nun, da ich meine Geschichte selbst erzähle! Denn nur indem Watson solche Glieder in der Kette zu verheimlichen pflegte, konnte er seine effekthascherischen Finale inszenieren.
Colonel Emsworth war nicht in seinem Zimmer; auf Ralphs Anmeldung hin kam er jedoch ziemlich rasch herbei. Wir vernahmen seine schnellen, schweren Schritte im Flur. Die Tür flog auf, und mit gesträubtem Bart und verzerrter Miene stürmte er herein – der schrecklichste alte Mann, den ich jemals gesehen habe. Er hielt unsere Visitenkarten in der Hand; dann zerriß er sie und trampelte auf den Fetzen herum.
»Habe ich Ihnen nicht gesagt, Sie elender Schnüffler, daß Sie Hausverbot haben? Wagen Sie es ja nicht, Ihre verwünschte Visage hier noch einmal blicken zu lassen! Wenn Sie noch einmal ohne meine Erlaubnis hier eindringen, mache ich von meinem Hausrecht Gebrauch, und wenn ich dabei Gewalt anwenden muß. Ich schieße Sie nieder, Sir! Bei Gott, das tue ich! Was Sie betrifft, Sir« – hierbei wandte er sich mir zu –, »so gilt die gleiche Warnung auch für Sie. Mir ist bekannt, was für einen nichtswürdigen Beruf Sie ausüben; aber Sie müssen sich für Ihre angeblichen Talente ein anderes Betätigungsfeld suchen. Hier ist dafür kein Platz.«
»Ich werde erst dann hier weggehen«, sagte mein Klient fest, »wenn ich aus Godfreys eigenem Mund erfahre, daß man ihn nicht gefangenhält.«
Unser unfreiwilliger Gastgeber läutete die Glocke.
»Ralph«, sagte er, »rufen Sie die Grafschaftspolizei an und bitten Sie den Inspektor, uns zwei Polizisten zu schicken. Sagen Sie ihm, wir hätten Einbrecher im Haus.«
»Einen Augenblick«, sagte ich. »Sie müssen sich darüber im klaren sein, Mr. Dodd, daß Colonel Emsworth im Recht ist und daß wir uns außerhalb der Legalität befinden, wenn wir in seinem Haus bleiben. Andererseits sollte er einsehen, daß Ihr Verhalten ausschließlich von der Sorge um seinen Sohn bestimmt ist. Ich wage allerdings zu hoffen, daß ich Colonel Emsworth zu einer Änderung seiner Ansicht bewegen könnte, wenn man mir gestattete, mich fünf Minuten mit ihm zu unterhalten.«
»So leicht ändern sich meine Ansichten nicht«, sagte der alte Kämpe. »Ralph, tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe. Worauf, zum Teufel, warten Sie noch? Rufen Sie die Polizei an!«
»Nichts dergleichen«, sagte ich, indem ich mich mit dem Rücken zur Tür stellte. »Jede polizeiliche Einmischung würde genau die Katastrophe heraufbeschwören, die Sie so sehr furchten.« Ich zückte mein Notizbuch und kritzelte ein einzelnes Wort auf ein loses Blatt. »Das«, sagte ich, als ich es Colonel Emsworth reichte, »hat uns hierhergeführt.«
Er starrte das Geschriebene an, mit einem Gesicht, aus dem jeder Ausdruck, außer Verblüffung, gewichen war.
»Woher wissen Sie das?« keuchte er, schwer auf seinen Stuhl sinkend.
»Es ist meine Aufgabe, Bescheid zu wissen. Das gehört zu meinem Beruf.«
Er saß in tiefen Gedanken da, wobei er sich mit der hageren Hand den zottigen Bart zauste. Dann machte er eine resignierende Geste.
»Na schön, wenn Sie Godfrey unbedingt sehen wollen – bitte sehr. Aber ich habe damit nichts zu tun; Sie haben mich dazu gezwungen. Ralph, richten Sie Mr. Godfrey und Mr. Kent aus, daß wir in fünf Minuten bei ihnen sind.«
Als diese Zeitspanne um war, gingen wir den Gartenweg hinunter, bis wir uns vor dem mysteriösen Haus an seinem Ende befanden. An der Tür stand ein kleiner bärtiger Mann mit ziemlich verblüfftem Gesichtsausdruck.
»Das kommt etwas plötzlich, Colonel Emsworth«, sagte er. »Das wird unsere ganzen Pläne durcheinanderbringen.«
»Ich kann nichts dafür, Mr. Kent. Man hat uns dazu gezwungen. Ist Mr. Godfrey bereit, uns zu empfangen?«
»Ja; er wartet drinnen schon.« Er drehte sich um und führte uns in ein großes, schlicht möbliertes Vorderzimmer. Ein Mann stand mit dem Rücken zum Kamin; bei seinem Anblick sprang mein Klient mit ausgestreckter Hand vor.
»Na endlich, Godfrey, alter Junge! Bin ich froh!«
Doch der andere machte eine abwehrende Handbewegung.
»Komm mir nicht zu nahe, Jimmie. Halt Abstand. Ja, da staunst du wohl! Ich seh nicht mehr ganz so schneidig aus wie der Vizekorporal Emsworth von der Schwadron B, wie?«
Sein Aussehen war in der Tat ungewöhnlich. Man konnte zwar erkennen, daß er einmal ein gutaussehender junger Mann gewesen war, mit scharf geschnittenen, von der afrikanischen Sonne gebräunten Gesichtszügen; doch diese dunklere Oberfläche war übersät von seltsamen weißlichen Flecken, die seine Haut gebleicht hatten.
»Deswegen reiß ich mich nicht um Besucher«, sagte er. »Bei dir macht's mir ja nichts aus, Jimmie; aber auf deinen Freund hätte ich verzichten können. Ich nehm an, es gibt einen guten Grund dafür; aber du erwischst mich in einer mißlichen Lage.«
»Ich wollte sichergehen, daß mit dir alles in Ordnung ist, Godfrey. Ich habe dich damals gesehen, als du nachts durchs Fenster zu mir reingeschaut hast; und ich konnte die Geschichte nicht eher ruhen lassen, als bis ich sie aufgeklärt hätte.«
»Der alte Ralph hat mir gesagt, daß du da bist, und ich mußte dich doch wenigstens mal angucken. Ich habe gehofft, du würdest mich nicht bemerken; als ich gehört habe, wie das Fenster aufging, mußte ich wieder in meine Höhle flitzen.«
»Aber warum denn, um Himmels willen?«
»Oh, das läßt sich schnell erzählen«, sagte er, sich eine Zigarette anzündend. »Du erinnerst dich doch an das Gefecht eines Morgens bei Buffelsspruit, hinter Pretoria, an der östlichen Eisenbahnlinie? Von meiner Verwundung hast du wohl gehört?«
»Ja, ich habe davon gehört, aber keine Einzelheiten erfahren.«
»Drei von uns sind von den anderen abgeschnitten worden. Die Gegend war ja sehr zerklüftet, du erinnerst dich wahrscheinlich. Es waren Simpson – der Bursche, den wir ›Glatze Simpson‹ gerufen haben –, Anderson und ich. Wir wollten durch die Linie von Kamerad Bure schlüpfen; aber der hat im Hinterhalt gelauert und uns drei erwischt. Die anderen zwei sind gefallen. Ich habe eine Kugel durch die Schulter bekommen, aus einer Elefantenbüchse. Trotzdem habe ich mich an mein Pferd geklammert, und es ist noch etliche Meilen galoppiert, bevor ich ohnmächtig aus dem Sattel gerutscht bin.
Als ich wieder zu mir kam, wurde es schon dunkel; dann habe ich mich hochgerappelt, obwohl mir ganz schwach und elend zumute war. Zu meiner Überraschung befand sich ganz in der Nähe ein Haus, ein ziemlich großes Haus mit breiter Veranda und vielen Fenstern. Es war verflucht kalt. Du erinnerst dich ja an diese klamme Kälte, die abends immer hereingebrochen ist, eine tödliche, krank machende Kälte – ganz anders als ein frischer gesunder Frost. Na gut, ich war also durchgefroren bis auf die Knochen, und meine einzige Hoffnung schien darin zu liegen, dieses Haus zu erreichen. Taumelnd bin ich aufgestanden und habe mich vorwärtsgeschleppt, ohne recht zu wissen, was ich tue. Ich erinnere mich dunkel, daß ich langsam die Treppe hinaufgestiegen bin, durch eine weit geöffnete Tür in einen großen Raum mit mehreren Betten kam und mich mit einem Seufzer der Erleichterung auf eines davon geworfen habe. Es war ungemacht, aber das hat mich nicht im geringsten gekümmert. Ich habe mir das Bettzeug über den schlotternden Leib gezogen und war im Nu tief eingeschlafen.
Als ich aufgewacht bin, war es Morgen, und es kam mir so vor, als finde ich mich statt in einer normalen Welt in einem seltsamen Albtraum wieder. Durch die großen, vorhanglosen Fenster flutet die afrikanische Sonne, und jedes Detail des geräumigen, kahlen, weißgetünchten Schlafsaals sticht scharf und deutlich hervor. Vor mir steht ein schmächtiges, zwergenhaftes Männchen mit einem riesigen knolligen Kopf; es schnattert ganz aufgeregt auf holländisch und wedelt dabei mit zwei fürchterlichen Händen, die wie braune Schwämme aussehen. Hinter ihm steht eine Gruppe von Leuten, die sich über die Situation anscheinend stark amüsieren; aber als ich sie mir angeschaut habe, ist es mir