Marlies Grötzinger
Seerausch
Bodensee-Roman
Zum Buch
Turbulenzen am Bodensee Täglich beweist der Bodensee den Wasserschutzpolizisten Isabel Böhmer und ihrem Liebhaber, Polizeidirektor Carl W. Dangelmann, seine Unberechenbarkeit. Mitten in der Urlaubszeit hat er beide in tödliche Gefahr gebracht, aus der sie nur mühsam ins Leben zurückfinden. Die Hochsaison für Wassersportler bedeutet auch Hochbetrieb für die Wasserschutzpolizei am Schwäbischen Meer. Unter mysteriösen Umständen explodiert ein Segelboot und versinkt mitsamt der Ehefrau des Eigners im Bodensee. Trotz tagelanger Suchaktionen mit modernster Technik können Isabel und ihre Kollegen die Frau nicht finden. Als das Wrack endlich gehoben werden kann, verstrickt sich der Verdächtige in Widersprüche. Polizei und Behörden vermuten das perfekte Verbrechen. Doch damit nicht genug: Weitere außergewöhnliche Ereignisse überfordern die Dienststelle in Friedrichshafen: Während der Polizeidirektor trotz Amnesie nach monatelangen Klinikaufenthalten beruflich wieder einsteigen will, bahnen sich immer neue Katastrophen an. Und auch Isabels Privatleben hält einige Turbulenzen für sie bereit …
Marlies Grötzinger lebt in Oberschwaben und am Bodensee. Sie hat bereits zahlreiche Bücher veröffentlicht. Besonders am Herzen liegt der Oberschwäbin ihre Muttersprache: Landauf landab lieben Dialektfreunde ihre humorvollen Mundarttexte. Für „herausragende Verdienste um die Heimat“ wurde sie von der baden-württembergischen Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst mit der Heimatmedaille des Landes ausgezeichnet. In ihren Romanen „Seebeben“ und „Seerausch“ erzählt die Schriftstellerin spannend und kenntnisreich vom Treiben am Schwäbischen Meer.
Impressum
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sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung: Julia Franze
E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung der Fotos von: © mmphoto / stock.adobe.com
und © emanoo / photocase.de
ISBN 978-3-8392-6798-1
Zitat
»Jeder ist der,
dem er nicht entrinnen kann.«
Hans Kudszus
Kapitel 1
Der erste Schlag galt ihr selbst. Ebenso der zweite und der dritte. Bäuchlings lag Isabel auf ihrem Bett. Ihre Locken breiteten einen hellbraunen Fächer über Schultern und Kopfkissen und ließen ihr Gesicht mit den aufgequollenen Augenlidern nur erahnen. Mit ihren Händen malträtierte sie heftig das Kopfkissen. Ihre Apathie war plötzlich wieder in Zorn umgeschlagen, und jeder ihrer Faustschläge zeugte von Wut und tiefer Verzweiflung.
Seit Tagen hatte Isabel das Bett nicht mehr verlassen. Nicht einmal zum Duschen hatte sie es geschafft. Ein einziges Mal hatte sie es versucht, und als die ersten Wassertropfen auf sie niedergeprasselt waren, durchlebte sie erneut die Minuten, in denen sie um ihr Leben kämpfen musste: Sie sah die Wassermassen, die durch die offene Tür des Boots die Kajüte fluteten, sie in die Knie zwangen, hörte den ohrenbetäubenden Lärm. Sie empfand wieder den Schmerz, den sie gespürt hatte, als die spitzen Glassplitter der Fensterscheibe, die sie zuvor eingeschlagen hatte, ihre Haut ritzten. Die Silhouette eines muskulösen Mannes erschien unscharf vor ihren Augen. Carl! Carl, der die aus den Regalen purzelnden Flaschen und Gläser, die auf ihn zustürzten, nicht abwehrte, sondern mit weit geöffneten Glotzaugen sitzen blieb wie ein hypnotisiertes Kaninchen, selbst als ihm das Wasser bis zur Brust reichte.
Das aus dem Duschkopf herabstürzende Wasser hatte gedröhnt in ihren Ohren und in ihrem Innern eine solche Panik verursacht, dass Isabel schreiend zurück ins Schlafzimmer gelaufen war und zitternd und schluchzend in die Kissen sank.
Thomas war, aufgeschreckt durch ihre orientierungslosen Schritte, sofort aus seinem Zimmer geeilt, um zu sehen, was passiert war. Geduldig hatte er ihr die heiße Stirn abgetupft und ein weiteres Glas kalten Tee serviert. Kopfschüttelnd hatte er akzeptiert, dass sie keinen Arzt bei sich wollte.
In der Nacht nach dem Unglück war Isabel psychisch und physisch zusammengebrochen. Noch bevor sie erfahren hatte, dass die Rettungstaucher schnell zur Stelle waren, Carl gefunden und unverzüglich im Boot mit der Wiederbelebung begonnen hatten. Bevor sie gewusst hatte, dass an Land bereits der Hubschrauber und eine Notärztin auf den Verunglückten gewartet und ihn sofort in die beste aller infrage kommenden Kliniken nach Allensbach transportiert hatten, wo schon ein Heer von Spezialisten auf ihn wartete. Das hatte sie erst einen Tag später von ihrem Kollegen Markus Proll erfahren. Er hatte sie in einer Minute am Telefon erreicht, als sie gerade nicht wie im Delirium vor sich hindämmerte. Isabel wollte sich nicht ausdenken, was passiert wäre, hätte Thomas das Gespräch angenommen. Thomas, der nicht ahnte, was tatsächlich geschehen war.
Nun lag Polizeidirektor Carl W. Dangelmann auf der Intensivstation der neurologischen Akutklinik im Koma, und Isabel gab sich die Schuld daran. Sie, Polizeihauptkommissarin Isabel Böhmer, hatte versagt. Sie hatte sich gehen lassen, hatte den offensichtlichen Begierden von Carl, ihrem Vorgesetzten, nachgegeben. Wäre sie nicht so schwach und triebhaft gewesen, hätte sie sich nicht bereitwillig verführen lassen, wäre es nie zu dieser verhängnisvollen Affäre gekommen. Erneut traktierten ihre Fäuste das Kissen, erneut versuchte sie, ihrer Wut und Hoffnungslosigkeit auf diese Weise Luft zu verschaffen, um wieder freier atmen zu können, und zermarterte ihr Gehirn: Warum hatte sie das Unglück überlebt? Wie einfach wäre es, wenn sie in die Tiefen des Bodensees getrudelt und nie mehr aufgetaucht wäre. Dann müsste sie nicht hier liegen, in diesem Zimmer, mit ihrem schlechten Gewissen Thomas gegenüber. Thomas, der nichts von dem Verhältnis mit ihrem Chef wusste und der sie seit Tagen umsorgte. Thomas, ihr sanfter Bücherwurm, der, nur um sie nicht vollends zu verlieren, an den Bodensee gezogen war. Wie sollte er wissen, dass es schon zu spät war, dass sie ihn bereits betrogen hatte. Warum hatte sie die Kontrolle über ihren Körper verloren und sich auf dieses Abenteuer eingelassen? Warum ausgerechnet mit ihrem Vorgesetzten? Warum, warum, warum? So viele Fragen, auf die Isabel keine Antworten wusste und die sie Stunde um Stunde quälten.
Die erste Begegnung mit Carl W. Dangelmann, den seine Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand nur »CaWe« nannten, weil er großen Wert