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Jeremias Gotthelf
Die Frau Pfarrerin und andere Heimatgeschichten
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[email protected] 2017 OK Publishing ISBN 978-80-7583-720-2
Inhaltsverzeichnis
Eine alte Geschichte zu neuer Erbauung
Der Oberamtmann und der Amtsrichter
Hans Berner und seine Söhne
Hans Berner war ein wackerer Metzgermeister, verstand sein Handwerk wohl und war ein braver Mann dazu. Er war aber auch ein starker und wenn er, seinen Schnauz, so hieß sein Hund, hinter sich, über Feld ging, so trug er unbesorgt seinen Gurt voll Geld; drei oder viere nahmen denselben ihm nicht ab, das wußte er wohl. Es hättens aber ein halbes Dutzend kaum gewagt, denn Hans Bernern sah man es von weitem an, daß er Mark in den Knochen hatte, mehr als ein anderer, so groß und vierschrötig war er und zudem weit und breit bekannt mit seiner Kraft.
In seinen jungen Jahren war er nicht immer ein zahmes Lamm gewesen, sondern zuweilen ein wilder Hecht, und manche Tanzstube hatte er ausgeräumt mit seinen gewaltigen Armen. Der junge Metzgermeister gefiel den Bauerntöchtern nicht schlecht, und wenn er an einer Kilbi oder an einem Märit mit einer tanzen wollte, so sagte es ihm keine ab. Dann aber wurden die Bauernsöhne eifersüchtig und kamen über ihn wie über Simson die Philister, und Hans Berner schlug manche Schlacht mit ihnen, trug manches Loch im Kopfe heim und schlug noch mehr, ward aber nie gebodigt, sondern schlug sich entweder durch oder fegte die Stube. Und wenn er am Sonntag sich auf Tod und Leben geprügelt hatte, und er ging am Montag über Feld, so kaufte er im lieben Frieden seinen ärgsten Gegnern ihr Vieh ab, und sie waren wieder die besten Freunde und trugen einander nichts nach. Hans Berner war nicht boshaft, schlug nie härter, als er mochte, und nie länger, als es nötig war, und morgens hatte er alles vergessen, und weil er so biederherzig war, so trugen ihm auch die andern nichts nach, und allenthalben war er beliebt und gerne gesehen.
Als er in die gesetzten Jahre kam, so schlug er nicht mehr, da war er ein wackerer Ehemann und Ratsherr in seiner Stadt; freilich schreiben konnte er nicht am besten, und seine Schrift glich mehr Kalbsfüßen als Buchstaben, aber, wo es auf einen guten Rat ankam, da war er nicht der letzte, und das ist doch wohl die Hauptsache bei einem, der Ratsherr sein will oder soll. Wenn aber Hans Berner in ein Wirtshaus kam, wo Streit war und alles drunter und drüber ging, und er stand auf und rief mit seiner mächtigen Stimme ins Getümmel hinein, sie sollten es jetzt gut sein lassen, sonst komme er, so setzte sich mancher Streit, und wenn er sich nicht setzte, und Hans Berner brach in den Streit hinein wie ein großes Schiff in Meereswellen, so ward bald Ruhe.
Hans Berner war aber nicht nur geachtet und stark, sondern auch glücklich, nicht nur deswegen, weil er reich war, ein eigen Haus, schönes Land besaß und Geld vollauf, sondern weil er eine gar brave und liebe Frau hatte. Das war eine von denen, welche, war der Mann daheim, ihn für ihren Herrn hielt und, war er nicht daheim, an seine Stelle trat und regierte, als wäre er es selbst. Wenn es auch in eines Metzgers Hause nicht immer am besten riecht, sie brauchte kein Schmöckgütterli, sie mochte das vertragen, und so den kleinen Handel mit Därmen, Haaren, Hörnern usw., welcher noch manch schönes Stück Geld gibt, wenn man alles zu Ehren zieht, das besorgte sie selbst.
Sie war aber auch eine gute Frau gegen Diensten und Arme. Zu den ersten sah sie gut in gesunden und kranken Tagen, als wenn sie ihre leibhaftige Mutter wäre, und wenn ein Armer eine gute Brühe oder ein Stücklein Fleisch bedurfte zu seiner Gesundheit, so wußte er, wer es ihm gab und zwar gerne. Es kamen viele Leute in ihr Haus, die einen wollten etwas kaufen, andere brachten Vieh, andere kamen und sagten, sie hätten was Fettes, und mit allen redete sie, nahm ihnen freundlich den Bericht ab, spendete dem ein Glas Wein, dort ein Brönz, dort einen Teller Suppe. So ward der Hausgebrauch groß, aber er trug seine reichen Zinsen; denn jedermann kam gerne in Hans Berners Haus, darum handelte man gerne mit ihm, brachte ihm gerne das Vieh selbst oder Nachricht, daß man etwas für ihn hätte. So mußte er gar manchen vergebenen Gang nicht tun, den andere tun mußten, und gar manche Bäuerin ließ es sich nicht nehmen, dem Hans Berner ein Kaffee zu machen, weil ihre Leute nicht genug rühmen konnten, wie freundlich und gut dessen Frau ihnen aufwarte, wenn sie in dessen Haus kämen, und, wo einmal ein Metzger so daheim ist, daß die Bäuerin ihm ein Kaffee macht, wenn er kömmt, da ist der Stall sein, und kein anderer läuft ihm mehr den Rang ab. So wars ehedem sehr oft, als die Herren noch selbst über Feld gingen; jetzt, wo sie zu vornehm dazu sind und nur ihre Knechte schicken, hat auch dieses aufgehört.
Hans Berner hatte zwei Buben, die waren munter und hatten gute Gaben. Er liebte sie und sagte, aus denen müsse mal was Rechtes werden und andere Leute, als er sei. Er meinte damit nicht, daß keiner ein Metzger werden sollte, bewahre, damals hielt der Handwerksmann sein Handwerk noch in Ehren, weil es einen goldenen Boden hatte. Aber es ärgerte ihn doch, wenn er in Rechnungen und Berichten mit Mühe aus des Schreibers Hääggen sich durchwinden konnte und doch nur das Halbe verstand, wenn seine Unterschrift so vierschrötig auf dem Papier stand, als ob er sie mit dem Ellbogen geschrieben hätte. Es ärgerte ihn, wenn er in kriegerischer Zeit abends hinter seinem Schoppen saß und kannegießern half und weder in Geographie noch in der Geschichte sich zurechtfand. So müßte es seinen Buben nicht gehen, sagte er dann, wenn er abends seiner Frau sein Leid klagte, seine Buben sollten einst zu jeder Sache ihr Wort reden können, das Geld dafür sollte ihn nicht reuen. Seine Frau war gleicher Meinung wie er, und das Geld reute sie für die Buben auch nicht: sie hielt sie schön in den Kleidern; was die andern vermochten, das vermöchten sie auch, sagte sie.
Hans Berner hatte die größte Freude daran, wenn sie ihm ihre Schriften brachten, und in denselben waren viel schönere Buchstaben, als er sie machen konnte, und wenn sie ihm gar noch die Hauptstädte in allen Ländern sagen konnten, und in welchem Jahr der Welt Enoch gen Himmel gefahren, dann rief er aus in süßer Vaterfreude: »Ja, Buben, ihr seid ganze Hechte und gebt, so Gott will, andere Kerlisse, als ich bin!« Und mit vollen Händen warf er das Geld ihnen nach; es strömte ihm so reichlich zu, daß er es auch im Ausgeben nicht nach Batzen oder Kreuzern berechnete. Auch die Mutter hatte an dieser Gelehrsamkeit Freude; doch wenn eine Frau kam und ihr sagte: »Aber nein, Frau Ratsherrin, Ihr habt doch die schönsten Knaben von der Welt, man weiß gar nicht, welcher der schönere ist, man kann sie gar nicht genug luegen«, so war ihre Freude noch größer, und es mußte sicherlich der Schneider auf den Platz, und noch schöner