Hans Leip

Garten überm Meer


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      Hans Leip

      Garten überm Meer

      Neue kadenzen

      mit einigen Füllstiftzeichnungen

      Saga

      Laß

      fallen

      den Anker

      ruhloser Schweifer

      tank flott dir Hafen und Ade!

      Spuk

      Wir von der Wasserkante

      sind mitgesäugt

      von dem, was unsere Mutter bedrang

      als jemand das sogenannte

      Seemannsgarn spann

      Gern erwählen wir anderswo

      beschaulicheres Gelände

      als Heimatersatz, froh

      aller Brandung entronnen zu sein

      Doch gelegentlich äugt

      um die Ecke im Flur

      etwa aus altem Jakett eine Spur

      Welthafenwiderschein

      Und vom Gartengang

      geistert das Urverwandte

      wie Sirenengesang

      und es blähn sich die Wände

      gleich Segeln vor Yucatan.

      Garten überm Meer

      Verlorener Fetzen

      in trostloser Flaute

      Wo jemals war Land

      Da sah ich durch den Wolkenschlitz

      einen Garten

      Einen Garten überm Meer

      voll Hibiskus und Paradiesgeflügel

      und neben Palmen, ein wenig blasser

      auch Blumen wie daheim. Und ein Brunnen rann

      mit frisch Wasser.

      Dazu auf einem Lorbeerhügel

      schwätzelte ein Stieglitz

      Indes ringsumher

      kaum, daß ich meinen Augen traute

      kein Mangel war an smarten

      Geschöpfen. Und mittendrin stand

      und grad beim Sensenwetzen

      lachend der Knochenmann.

      Vorschau

      Noch ist die Sonne wach

      Wie lange noch

      Trau einer dem Trostwort: Ewiglich

      und daß eher als sie die Erde erkaltet

      Falls nicht entgegen geringer Zuversicht

      die Kernzerfallspielerei

      sowieso gelegentlich ausholt zu letztem Krach

      Aus ist es dann mit dem Geträume

      von Menschlichkeit, aus mit der Gehirnakrobatik

      und den Wundern der Technik

      und dem Entwicklungsgeschrei

      und dem dauernden Veraltet

      und dem glitzernden Joch

      der Liebe

      Schade um Blumen, Vögel und Bäume

      Ob dann aber irgendwo oder nicht

      ein Hauch von dir übrigbliebe

      Bis dahin: Nutze dich!

      Mond

      Mond

      himmlisches Medaillon

      Bei sichtigem Wetter

      wurde viel Poetisches über ihn gesagt

      Er blies als Liebes-Postillon

      auf wandelbarem Horn

      Engelleicht wurden Seufzer hinauf geschickt

      Und als Kind hat man den Mann im Mond erblickt

      Ob sonstwie bewohnt

      und hinten oder vorn

      wurde kaum gefragt

      Wenn man sich nun hineindenkt

      in einen Astronauten, der als Freiwilliger

      sich verkapseln läßt in ein Mondgeschoß

      schwerfälliger als ein Rhinozeros

      staunt man wohl, wie sich das alles lenkt

      Aber mit den Engeln, das war doch netter

      und billiger.

      Tradition

      Tradition

      Was meinen Sie

      Für mich ist dies

      der Hafen meiner Vaterstadt

      Seine Sirenenrhapsodie

      Ozeanbaß und Schlepperpfiff

      rumorte in meinen Knabenschlaf

      Hochgetakelte Drohung und das Verhüllte

      der See, wo Gott sich mit dem Teufel traf

      Das war der Einfluß, der mein Staubecken füllte

      bis es überlief. Und daß an der Wand

      im ersten Schuljahr der Sandtorkai hing

      wo mein Vater mit den Frachten umging

      Dazu, wie‘s ein Forscher ertiftelt hat

      hieß mein Urahn Leif Erikson

      Ihm weihe ich ein Buddelschiff

      weil er Amerika fand

      und es auf sich beruhen ließ.

      Der Donnerkeil

      Ich fand zur Nacht

      einen Donnerkeil

      auf der Heide über der See

      Da saß mein Vorfahr

      auf dem Hünenstein

      Er machte mir Platz auf dem kalten Rand

      und wir blickten über die See

      und blickten auf das

      was vormals war

      Die See stand steil

      wie ein Stundenglas

      der Strandsand rann

      tausend Jahr

      Da sagte er, wie es drüben begann

      und ich, was sie heut draus gemacht

      Er nahm mir den Donnerkeil aus der Hand

      und warf ihn weit in die See hinein

      spie dreimal aus und entschwand.

      Erster Mai

      Nur einmal im Jahr ist Erster Mai

      Als ich noch klein war

      nahm mein Vater mich mit

      Da waren wir alle in Sonntagskluft

      Und Musik war dabei

      und Fahnen, tschingbumms und Polizei

      vorn