läßt Ihnen Grüße ausrichten und sagen, daß er im Augenblick mit einem seiner Mitarbeiter beschäftigt ist.«
»Sind Sie Angestellter des Ministeriums?«
Obgleich ich mir der Risiken bewußt war, gab ich zu, daß ich Lehrer war, und Konsul Karling teilte sogleich mit, daß der Unterricht an den Schulen des Landes ineffektiv sei. Er skizzierte seine Schule dergestalt, daß man dort Lehrer durch Apparaturen ersetzen und die Schüler zu Menschen heranbilden sollte, die am treffendsten als ausgezeichnet turnende Diplomkaufleute bezeichnet werden konnten. Für schöne Literatur schien es keinen Platz zu geben. Mir war klar, daß ich mich in einem Punkt getäuscht hatte – ganz bestimmt widmete sich Konsul Karling des nächtens nicht der Belletristik.
Bei dem Versuch, Achtung für meine Person und Zeit für die vorbereitende Tätigkeit des Staatsministers zu gewinnen, klärte ich ihn darüber auf, daß ich der Schwager des Hauses sei. Damit hat man unter normalen Umständen seltsamerweise immer auf eine sichere Karte gesetzt. Die Verbindungen zum Staatsminister können noch so entfernt und von noch so zweifelhafter Qualität sein, nie erreichen sie einen Status der Peinlichkeit. Als die Schwägerschaft ausgemolken und der Kontakt hergestellt war, erwog ich, auf die Bergwerke zu sprechen zu kommen.
Konsul Karling wurde gleich sanfter. Er sah mich jetzt beinahe so an, als sei ich eine gutfunktionierende Maschine.
»Ein faszinierender Mann, dieser Staatsminister. Ein Genie möchte ich behaupten. Ja, ich zögere nicht, dieses Wort in den Mund zu nehmen. Unter anderem bin ich auch aus diesem Grunde hier, um mir Rat in einer komplizierten Frage zu holen. Ich erinnere mich, als die Wirtschaft das letzte Mal den Vorzug hatte, von seiner Erfahrung in ökonomischen Fragen und seinen einzigartigen Kenntnissen zu profitieren, was Aspekte der Bergwerksindustrie betrifft ...«
(Mir ist es ebenfalls in Erinnerung. Es muß zwei Jahre zurückliegen. Die Bergwerksgesellschaft stand vor der schicksalsschwersten Entscheidung ihrer Geschichte: Sollte das Unternehmen das Angebot annehmen, eine der größten Nikkelgruben der Welt zu erwerben oder nicht? Proben wurden entnommen, Experten wurden gehört und Untersuchungen angestellt, doch das Ergebnis fiel nicht eindeutig aus. Ein Kauf konnte sich als Gewinn erweisen, aber auch als Katastrophe. Da es bei dem Geschäft um Hunderte von Millionen ging und auf Gut und Böse Rückwirkungen auf das Wirtschaftsleben des Landes hätte haben können, beschloß die Regierung, die Entscheidung an den Eigner – den Staatsminister – weiterzugeben.
Dieser wurde einberufen und fand sich tatsächlich zu der Zusammenkunft ein, jedoch mit gepeinigter Miene angesichts der gutmütigen Züge der anderen Anwesenden. Er hatte nur eine dunkle Vorstellung, warum er sich dort befand, ahnte aber, daß es ihm bei all den vielen Ziffern und vielleicht sogar Diagrammen langweilig werden würde. Er meinte, verstanden zu haben, daß es bei der ganzen Sache um ein Bergwerk ging, und über Bergwerke wußte er wenig, außer daß es sich dabei um dunkle und ungemütliche Orte handelte. Er ließ auch aus anderen Gründen den Kopf hängen. Seit einigen Wochen quengelten zu Hause die Kinder (und fünfzehn Kinder – die damals gültige Anzahl – quengeln laut hörbar), daß sie einen Hund haben wollten, einen Cockerspanielwelpen mit langen Schlappohren, doch der Staatsminister, der fürchtete, das Tier könnte das Baby beißen, hatte unter zunehmenden Seelenqualen die Entscheidung in der Frage vertagt. Wichtige Probleme lasteten also auch dort auf ihm, wohin er zur Zusammenkunft eintraf, und nachdem ihm klar geworden war, daß ein mehr als einstündiger Vortrag über Bergwerke zu erwarten war, fühlte er die Kräfte schwinden und ersuchte, auf dem Sofa liegend lauschen zu dürfen.
Dort lagerte er dann in einer Stellung, die zwischen leichtem Dämmerzustand und reinstem Schlafe wechselte, und beschäftigte sich mit dem Hunde-Problem, während der Vizedirektor unzählige Ziffernfolgen heranzog und ein schwindelerregender bergbauwirtschaftlicher Aspekt den anderen ablöste. Nachdem eine Stunde und zwanzig Minuten verstrichen waren, beendete der Direktor seinen Vortrag, und der Staatsminister kam zu Bewußtsein, so wie man in einem Augenblick erwacht, da das dauernd wiederkehrende Nachtprogramm verstummt ist. Er taumelte empor, starrte seine atemlos wartende Regierung mit blickleeren Augen an und sagte: »Ich kaufe es! Natürlich kaufe ich es!«
Und dann zog er los und kaufte das Hündchen mit den langen Schlappohren.
Und die Direktoren zogen los und kauften ihr Bergwerk.)
»... lag halbwegs auf dem Sofa«, war Konsul Karling über den Kiesweg hinweg zu vernehmen. »Man hätte glauben können, er schliefe, so still lag er da, aber in seiner reglosen Konzentration sammelte er all die Fakten, die auf ihn einströmten, absorbierte all das gewaltige Material mit seinem klaren, trainierten Gehirn. Er unterbrach den Redner nie mit einer Frage, bat nie um die Wiederholung einer Ziffer. Doch als der Vortrag beendet war und er alle Fakten aufgesogen und verarbeitet hatte, erhob er sich und tat seine Entscheidung kund: ›Ich kaufe es!‹. Kein Zögern, keine Unentschlossenheit, kein Versuch, die Entscheidung aufzuschieben oder sich der Verantwortung zu entziehen. Keine billige Dramatik, bloß die einfachen Worte: ›Ich kaufe es!‹ Ich brauche wohl nicht daran zu erinnern, daß sich das Geschäft als außerordentlich einträglich erwiesen hat: Das Bergwerk wirft jetzt dreimal so viel ab wie unsere Untersuchungskommission für möglich gehalten hat. Vor diesem Manne, Herr Studienrat Persson, sind wir alle kleine Lichter. Ja, ich versichere Ihnen, als er uns damals anschaute mit seinem leicht verschleierten Blick und sein ›Ich kaufe es!‹ sagte, fühlte ich, wie ein einfacher Soldat sich gefühlt haben mußte, als Napoleons Augen auf ihm ruhten ...«
In dem Moment kam zum Glück der Bonaparte der Geschäftswelt und kümmerte sich persönlich um seinen ungebetenen Gast.
Ich ging hinauf aufs Zimmer.
Ich hatte das Briefmarkenalbum ausgepackt.
Die ägyptische Sammlung mußte geordnet werden.
Aber die Unordnung war groß und überwältigend, als habe der Herbst alle gefallenen Blätter der Kastanie gesammelt, eins nach dem anderen ... Und das Bild der Sphinx führte meine Gedanken zu den Beamten, denen ich soeben begegnet war: der Ausdruckslosigkeit von Justizchef Rydlander, der steinharten Brutalität von Ministerialrat Dååbh, der Hohläugigkeit von Staatssekretär Svanberg. Ich erkannte, daß sie zu jenen Männern gehörten, die die schwedische Verwaltung trugen und unsere Geschicke lenkten. Und dann noch der Staatsminister ...
Ich sank auf das Bett nieder und blätterte mit ungewohnter Unlust in Dardels Memoiren. Eine Seite reichte, und die Buchstaben verloren ihre Konturen, verschwammen, verschwanden ...
Ich schlief.
Von den Stimmen wurde ich geweckt.
Ich leistete Widerstand. Doch sie schlugen ein Loch in den Schlaf, ständig neue Löcher, die die Müdigkeit nicht stopfen konnte. Ich war jetzt wach oder so gut wie.
Sie kamen von unten, von draußen, und sie ergaben keinen Sinn und verrieten keine Identität. Doch der Tonfall war erschreckend: hart, erbittert, aggressiv.
Während ich durch das Zimmer zum Fenster ging, verstummten sie.
Ich schaute hinunter in den Garten.
Dort wuchs zwischen Weg und Wand eine Ansammlung von Eiben. Im Kreis gepflanzt, schlossen sie alle Blicke aus.
Nur diejenigen, die hoch plaziert standen, hätten den kleinen Mann erspähen können, der im Rondell aus dichtgewachsenen, geschnittenen Bäumen kniete.
Er rieb sich die Wange.
Zu früherer Stunde an diesem Nachmittag war ich Zeuge geworden, wie Staatssekretär Svanberg im Arbeitszimmer von seiner Assistentin Frau Johansson geohrfeigt wurde.
Jetzt hatte ihm offenbar jemand eine Neuauflage beschert.
Auf der Toilette saß ein Kind und legte bei offener Tür ein Puzzle und rief: »Hallo, Onkel, haste was zu naschen?« Und auf der Treppe wäre ich beinahe über einen der Hunde gestolpert, bekam aber das Geländer zu fassen und rettete meine Knochen. Zum Glück fielen mir auch die Worte meiner Schwester ein, daß die Tiere nur Personen bissen, die sie nicht mochten – sie sollen angeblich mittels ihres unglaublich gut entwickelten Geruchssinns zwischen Freund und Feind unterscheiden können –, und unterdrückte nach Kräften