Paul Wolf

Mythor 3: Die Goldene Galeere


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      Nr. 3

      Die Goldene Galeere

      von Paul Wolf

      Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

      Die Mächte der Finsternis, die dereinst die Welt beherrschten, bis sie vom Lichtboten zurückgedrängt wurden, sind wieder auf dem Vormarsch.

      Nachdem der Lichtbote die Welt wieder sich selbst überlassen hatte, begannen die Kräfte des Bösen, die sich nach ihrer entscheidenden Niederlage in die Dunkelzone geflüchtet hatten, wieder zu erstarken. Inzwischen greifen sie aus der Dunkelzone, einem Ring kosmischer Trümmer, der die Welt umgibt und in eine Nord- und eine Südhälfte teilt, wieder an und beeinflussen bereits weite Teile der nördlichen Länder und deren Bewohner.

      Mit Hilfe der Caer, einem Kriegsvolk, das unter dem Kommando dämonischer Priester steht, haben die dunklen Mächte durch die Eroberung der befestigten Stadt Elvinon erst jüngst einen großen Sieg errungen.

      Sogar Mythor, der junge Streiter für die Sache der Lichtwelt, ist zusammen mit dem Herzog von Elvinon und dessen Tochter in die Gewalt der Caer geraten. Was für ein Schicksal die drei erwartet, ist ungewiss. Das Schiff jedoch, das die Gefangenen transportiert, erreicht nicht sein Ziel – und die Gefangenen flüchten sich auf DIE GOLDENE GALEERE ...

      Die Hauptpersonen des Romans

      Mythor – Er geht einen verhängnisvollen Handel ein.

      Krude – Herzog von Elvinon.

      Nyala – Herzog Krudes Tochter.

      Nigomir – Kapitän der Goldenen Galeere.

      Drundyr – Ein Caer-Priester.

      1.

      Der Nebel verschluckte die lodernden Feuer von Elvinon. Gerade noch hatte der Schein der brennenden Stadt den Nachthimmel über dem Küstenstreifen des Festlands erhellt, hatte man die Schiffe der siegreichen Caer-Flotte als dunkle Schemen vor dem helleren Hintergrund gesehen. Doch innerhalb eines einzigen Atemzugs senkte sich eine Nebelbank über die Durduune und hüllte sie vollständig ein.

      Mythor war gerade in den Anblick der lichterloh brennenden Stadt versunken und dachte daran, welche Verkettung von unglückseligen Ereignissen dazu geführt hatte, dass er als Gefangener der Caer auf einem ihrer Schiffe die Meerenge vom Festland zur Insel übersetzte. Als dann die Sicht sich unvermittelt trübte, da wollte für einen Augenblick Panik von ihm Besitz ergreifen.

      Aber dann sah er, dass niemand an Bord von dem abrupt umschlagenden Wetter überrascht war, und so beruhigte er sich sogleich wieder. Er blickte zu Nyala und deren Vater Herzog Krude von Elvinon und stellte fest, dass auch sie keine Gefühlsregung zeigten. Der Herzog wirkte, als hätte er mit dem Leben abgeschlossen. Sein grauer Vollbart war blutverkrustet, sein Gewand durch Feuer und Waffeneinwirkung arg in Mitleidenschaft gezogen. Nyala hatte die tiefste seiner Armwunden notdürftig verbunden, und das weiße Tuch war bereits stark von seinem Blut gerötet.

      Nyala selbst war kaum etwas von dem anzumerken, was sie in den letzten Stunden durchgemacht hatte. Es tat ihrer Schönheit keinen Abbruch, dass sich ihr schwarzer Haarzopf etwas aufgelöst hatte. Das verlieh ihr etwas Kämpferisches, und dieser Eindruck wurde durch einen Blick in ihre dunklen Augen unter den langen Wimpern noch mehr verstärkt. Daraus sprachen ein unbeugsamer Wille, Trotz gegen das Schicksal und eine leise Hoffnung. Als sie Mythors Augen begegnete, legte sich ein Schleier über ihren Blick, so als wollte sie die in ihr lodernde Leidenschaft verhüllen.

      »Du nimmst es sehr gelassen hin, dass so plötzlich dichter Nebel eingefallen ist«, sagte Mythor. »Birgt das nicht große Gefahren für die Überfahrt in sich?«

      »Um diese Jahreszeit ist das für diese Meerenge nicht ungewöhnlich«, sagte Nyala. »Nicht umsonst wird sie die Straße der Nebel genannt. Die Gefahren lauern jedoch nicht im Nebel, sondern im Wasser. Wir sind nahe am Meer der Spinnen, das zur Herbstzeit von unheimlichen Meeresbewohnern heimgesucht wird, die vor dem Winter mit der Strömung in wärmere Gefilde abwandern. Mit einem unserer Schiffe würde ich mich nicht in dieses Gebiet hinauswagen. Aber die Caer beschäftigen sich mit Zauberei, und wenn sie ihren magischen Praktiken vertrauen, können wir es auch. In Drundyrs Obhut sind wir vor allen Meeresungeheuern sicher.«

      Mythor blickte unwillkürlich zu den Heckaufbauten, wo sich der mit düsterem Zierrat ausgestattete Altar befand. Im flackernden Schein einer Fackel sah er die Rückansicht einer hoch aufragenden Gestalt. Der schwarze Umhang mit den silbernen Stickereien legte sich um schmale, knöcherne Schultern, die etwas nach vorne gebeugt waren. Obenauf saß ein Spitzhelm mit Hörnern, der durch die Ansammlung bemalter Tierknochen das Unheimliche dieser Erscheinung unterstrich. Es war Drundyr, der Caer-Priester, der, seit sie in See gestochen waren, bewegungslos vor dem Altar kauerte. Kein Laut kam von ihm, und er hatte das Gesicht abgewandt.

      Aber Mythor kannte dieses Gesicht, das aussah, als wäre es von einer quellklaren Schicht aus Obsidian überzogen. Er war Drundyr zum ersten Mal begegnet, als er hinter den fallenden Wassern von Cythor hervorgetreten war, die den Zugang zu der Gruft verbargen, in der ihm der Geist der Gwasamee seine bedeutungsvolle Prophezeiung gemacht hatte. Das Unmenschliche dieses Gesichts hatte ihn sofort in seinen Bann geschlagen, ein Blick in die Augen war für ihn wie ein Vorstoß zum Urquell des Bösen gewesen.

      »Es scheint, als beschwöre er das Böse, um es von seinem Schiff fernzuhalten«, sagte Mythor. Er musste den Kopf wieder abwenden, weil sich durch die Drehung die Schlinge um seinen Hals enger gezogen hatte.

      Nyala und ihrem Vater erging es ebenso. Auch sie trugen Halsschlingen aus einem faserigen Material und waren durch fingerdicke Seile von etwa sechs Armlängen an den mittleren Schiffsmast gebunden.

      »Das hast du richtig erkannt«, sagte der Caer namens Calcos, der auf die gleiche Art wie sie an den Mast gebunden war. »Yardin ist zwar der Kapitän der Durduune, aber das Kommando hat in Wahrheit Drundyr.«

      Der Caer war unbewaffnet und trug nur einen ledernen Schurz. Gleich zu Beginn der Reise hatte er Nyala belästigt, woraufhin er von Yardin dazu verurteilt wurde, das Los der drei Gefangenen zu teilen.

      Nyala hatte sich zu ihrem Vater begeben, der kraftlos neben dem Mast kauerte und sich mit dem gesunden Arm abstützte. Nyala umfasste ihn, und er ließ sich dankbar gegen sie sinken.

      »Elvinon brennt«, murmelte er kaum hörbar. »Die Caer haben die Herzogtümer Ambor und Akinborg unterworfen und beherrschen die Insel. Jetzt ist auch Elvinon gefallen, und bald werden die drei restlichen Herzogtümer des Festlands folgen. Wie lange kann es noch dauern, bis ganz Tainnia caerisch ist?«

      »Beruhige dich, mein Vater«, redete ihm Nyala zu. »Noch ist nicht alles verloren, noch können wir hoffen.«

      »Auf was denn, auf ein Wunder?«, fragte er müde.

      »Vielleicht ist das Wunder schon geschehen«, sagte Nyala und blickte zu Mythor. Herzog Krude folgte ihrem Blick und winkte Mythor zu sich. Nachdem der junge Mann der Aufforderung Folge geleistet hatte, hob Herzog Krude mühevoll den verwundeten Arm und griff ihm hinter das rechte Ohr, wo er ihn abtastete. Mythor ließ es ruhig mit sich geschehen.

      »Ich erinnere mich genau, wie du mir erzählt hast, dass du unter den Bewohnern der Nomadenstadt den Sohn des Kometen gefunden zu haben glaubtest«, sagte er dabei. Seine tastenden Finger hinter Mythors rechtem Ohr kamen zum Stillstand, und dann zog er die Hand abrupt zurück. Sein trüber Blick klärte sich etwas. »In der Tat, er hat dieselbe Narbe, wie sie der Sohn des Kometen haben soll. Und auch sein Aussehen widerspricht nicht der Beschreibung aus der Legende. Aber das allein genügt nicht, um ihn als Auserwählten des Lichtboten auszuweisen. In den Südländern mag es viele junge Männer geben, auf die diese Beschreibung passt. Was sagt er selbst dazu?«

      Mythor erwiderte den Blick des alten Mannes.

      »Ich habe zum ersten Mal von deiner Tochter die Legende über den Sohn des Kometen gehört«, sagte er wahrheitsgetreu. »Ich muss auch zugeben, dass ich mich nie berufen fühlte und nie den Gedanken hegte, dass ich für etwas Höheres