Erasmus von Rotterdam

Das Lob der Torheit


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      ERASMUS VON ROTTERDAM wurde als Gerrit Gerritszoon um das Jahr 1465 in Rotterdam geboren. 1458 trat er in das Chorherrenstift der Augustiner ein und wurde 1492 zum Priester geweiht. Er studierte Theologie in Paris und lernte bei einem kurzen Aufenthalt in England Thomas Morus kennen. In den darauffolgenden Jahren lebte Erasmus in Italien, England und Basel und veröffentlichte zahlreiche theologische Schriften. Mit seiner Schrift De Libero Arbitrio (Vom freien Willen) brach er mit der Reformation und Luther in der Frage nach dem Verhältnis des freien Willens zur Gnade Gottes. Erasmus von Rotterdam starb 1536 in Basel.

      Zum Buch

      Keiner ist vor der Torheit sicher, das erkannte bereits Erasmus von Rotterdam, und lässt selbige in persona vor die Menschheit treten und sich selbst in höchsten Tönen loben. Versteckt in dieser überschwänglich zur Schau getragenen Eigenliebe kritisiert Erasmus die Laster und vermeintlichen Tugenden seiner Zeit, die das alltägliche Leben des einzelnen jeglicher sozialen Klasse fest im Griff haben. Spitzfindig und rhetorisch durchdacht gelingt es Erasmus, die spät- und nachmittelalterlichen Auswüchse der Gesellschaft auf hintergründige Weise an der Inquisition vorbei anzuprangern.

      Einem spielerischen Balanceakt gleich gelingt es Erasmus von Rotterdam in Zeiten der Inquisition, die christliche Welt zu kritisieren: Nicht er selbst spottet den Auswüchsen der Gesellschaft, sondern es tritt die personifizierte Torheit auf die Weltenbühne und prahlt über ihre eigenen und die Talente ihrer Kinder, der Todsünden. Opfer der in ironisches Selbstlob verpackten Schmähung und Kritik sind sämtliche Schichten der nachmittelalterlichen Öffentlichkeit: Vom Tagelöhner und Bauern über die Herzogin und den Soldaten bis hin zu Philosophen, Theologen, Priestern und Königen bleibt keiner vom ironisch-bissigen Spott der Stultitia verschont.

      Das Lob der Torheit ist in dieser Ausgabe versehen mit Wiedergaben der detailgetreuen Holzschnitte Cassian Knaus’ von 1869/70, die den Randzeichnungen Hans Holbeins im Original nachempfunden sind.

      Erasmus von Rotterdam

      Das Lob der Torheit

      Editorische Notiz

      Trotz unserer Bemühungen konnten nicht alle Rechteinhaber ermittelt werden. Der Verlag verpflichtet sich deshalb, alle etwaigen Ansprüche in angemessener Form abzugelten.

      Erasmus von Rotterdam

      Das Lob der Torheit

      Übersetzt von Alfred Hartmann

      Mit den Holbeinischen Randzeichnungen

      Herausgegeben von Emil Major

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.

      Es ist nicht gestattet, Abbildungen und Texte dieses Buches zu scannen, in PCs oder auf CDs zu speichern oder mit Computern zu verändern oder einzeln oder zusammen mit anderen Bildvorlagen zu manipulieren, es sei denn mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

      Alle Rechte vorbehalten

      Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2014

      Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2014

      Der Text folgt der Übersetzung von Alfred Hartmann, Hrsg. Emil Major

      Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH

      Bildnachweis: 123 RF, Nidderau

      eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

      ISBN: 978-3-8438-0432-5

       www.marixverlag.de

      INHALT

       VORWORT

       WIDMUNGSSCHREIBEN

       DAS LOB DER TORHEIT

       ANMERKUNGEN

       BIBLIOGRAPHISCHES

       NACHWORT DES HERAUSGEBERS

      VORWORT

      Das Lob der Torheit hat sich Erasmus zurechtgelegt, als er sich im Sommer 1509 von Italien wieder nordwärts wandte. Während ihn sein Pferd langsam über den Splügen und das Rheintal hinunter trug, fand sein unermüdlicher Geist in der Stille des Gebirges Muße und Sammlung, wie sie ihm in Italien nie beschieden gewesen war, und gern denkt man sich aus, daß auch die herrliche Kühle und Reinheit der Alpenwelt, wenn auch dem Reisenden unbewußt, das ihrige mag dazu beigetragen haben, dieses kleine Werk mit ganz besonderer Klarheit, Frische und plastischer Anschaulichkeit zu erfüllen. Welchen Reichtum allerdings an Wissen, Erfahrung und Menschenkenntnis trug dieser Reiter in sich! In den gut vierzig Jahren seines bisherigen Lebens hatte er in seiner niederländischen Heimat, in Frankreich, in England, in Venedig, Bologna und Rom wie Odysseus vieler Menschen Städte gesehen und vieler Menschen Art und Gedanken kennengelernt.

      Mochte nun, wie Erasmus zwei Jahre später versichert, wir aber nicht glauben müssen, einfach der Gedanke an das Wiedersehen mit seinem Freund Morus in England ihm auf dem Wege einer äußerlichen Assoziation blitzartig den Einfall beschert haben, auf die Moria, wie die Torheit griechisch heißt, während der erzwungenen Muße ein Loblied zu dichten, machte die Erinnerung an vertraute ähnliche Produkte antiker Schriftsteller schon längst zu wetteifernder Nachahmung reizen, oder mochte einerseits die Fülle der Eindrücke nach einer Sichtung und Wertung verlangen, andererseits die eigene Einstellung zur Welt und die eigene Tätigkeit in ihr sich einmal einer läuternden Kritik unterziehen wollen – wir stehen vor der Tatsache, daß der kultivierteste Nordländer seiner Zeit, ein Gelehrter von ungewöhnlichem Ausmaß, ein Verstandesmensch par excellence, auf diejenige Macht im Leben, gegen deren wechselnde Gestalten sein eigenes Wesen in dauerndem Kampfe gestanden hat, auf das Irrationale, in den hellsten Tönen und mit andauernder Kraft einen Hymnus erschallen läßt. Denn eine gütige Fügung hat dafür gesorgt, daß diese Auseinandersetzung nicht zur bitteren Invektive wurde, sondern in der glücklichsten Laune geschehen konnte. Die Erfolge in Italien, die Aussicht auf ein erfreuliches Arbeiten und köstliches Zusammenleben mit den Freunden und Gönnern in England und warum nicht auch eine Art Feriengefühl in unseren Bergen mochten die Stimmung hochhalten, und die Ausführung des damals Konzipierten ging nachher im gastlichen Hause des Morus so rasch vonstatten, daß auch eine Nierenaffektion keine Trübung mehr zu bewirken imstande war.

      Ist nun aber das Lob der Torheit denn nicht eine Satire? Ist es dem Verfasser, dem der Spott allzeit leicht über die Lippen kam, denn wirklich ernst mit seinem Hymnus? Für viele Partien seines Werkes muß das in der Tat angenommen werden: man glaubt nicht selten einen Ton des Bedauerns darüber mitklingen zu hören, daß die eigene Natur so ganz anders ist, und unverkennbar bedeutet da und dort der Tor in seiner Art ein Ideal. Aber freilich, wo der Ernst anfängt und wo er aufhört, wer möchte das jeweilen entscheiden? Denn ebenso gewiß ist, daß auf weite Strecken hin das Lob der Torheit nur ironisch gemeintes Lob spendet. Was seinem Schöpfer dieses reizvolle neckische Spiel mit dem geneigten Leser ermöglicht, ist das Geschick, mit dem er sich die Dehnbarkeit des Begriffes Torheit zunutze macht. Sie ist für ihn einerseits Leichtsinn, Liederlichkeit, Dreistigkeit, Einbildung, Leidenschaft, Beschränktheit, Dummheit, Schwachsinn, Irresein, anderseits aber auch natürliche, ungebrochene Lebensfreude, ungebremste Tatkraft, kindliche