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Steinhauer
Zuhause wartet schon dein Henker
Schweden-Krimi mit Rezepten
Franziska Steinhauer
Zuhause wartet schon dein Henker
Der vierte Fall für Sven Lundquist
Haftungsausschluss: Die Rezepte dieses Buchs wurden von Verlag und Herausgeber sorgfältig erwogen und geprüft. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Die Haftung des Verlags bzw. des Herausgebers für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.
© 2015 Oktober Verlag, Münster
Der Oktober Verlag ist eine Unternehmung der
Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat OHG, Münster
Alle Rechte vorbehalten
Satz: Thorsten Hartmann
Umschlag: Thorsten Hartmann
unter Verwendung eines Fotos von Batareykin / iStockphoto
Rezepte: Franziska Steinhauer und Roland Tauber
Herstellung: Monsenstein und Vannerdat
ISBN: 978-3-944369-37-2
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
1
Pfarrer Mommsen sah sich angewidert um.
Wie konnte man bloß so etwas schön finden? Oder auch nur gemütlich?
Geschmacklos war das Wort, das er, würde er je gefragt, verwendet hätte. Aber ihn fragte niemand. War ja vielleicht auch gut so.
»Einen Tee vielleicht?«, erkundigte sich eine piepsige Stimme aus der Küche freundlich. Pfarrer Mommsen nickte, grunzte seine Zustimmung. Ergeben. Nicht aus Überzeugung. Diese Hausbesuche ekelten ihn an. Immerzu Tee und klebrige selbstgebackene Kekse. Zu süß. Ohne jede Überraschung.
Überall die gleiche Geschmacklosigkeit in den Wohnzimmern.
Und in jedem Haus Probleme.
Ha!
Als hätten die auch nur eine ungefähre Vorstellung davon, was man außerhalb der Gemeindegrenze als Problem bezeichnete. Sicher nicht den Kinderkram hier. Er hörte sich das nicht enden wollende Lamentieren an, tat interessiert und aufgeschlossen, bot seine Hilfe an, gab Ratschläge.
In jeder Familie derselbe Shitkram. Die Frau ging fremd – oder der Mann.
Das Geld war knapp, die Wünsche zu üppig. Die Kinder? Eine einzige Enttäuschung. Die Enkel, soweit vorhanden, keinesfalls besser geraten.
Ihm war schlecht. Richtiggehend übel.
Da war es wenig hilfreich, sich in dem vollgemöbelten winzigen Wohnzimmer umzusehen.
Nippes.
Überall. Das war weiß Gott keine Übertreibung! Mommsen gönnte sich ein boshaftes Grinsen, als er die Formulierung überdachte – schließlich konnte ja niemand im Ernst annehmen, der Herr habe an solchen Banalitäten auch nur das geringste Interesse.
Wo er hinsah – saß, stand, lag oder räkelte sich eine Figur. Aus Holz, aus Porzellan, aus Keramik. Eine kitschiger als die andere. Er schauderte. Dazwischen Fotos der gar nicht so Lieben. Die hässliche Tochter der Familie grinste in die Kamera, der inzwischen straffällige Sohn fläzte sich in einem Liegestuhl. Ein Luxus, auf den er wohl im Gefängnis noch für viele Jahre würde verzichten müssen. Vielleicht dachte er nun darüber nach, ob es wirklich notwendig war, den Ladenbesitzer gleich zu erschlagen, nur weil er die Tageseinnahmen nicht einem Fremden überlassen wollte? Eher nicht, schloss Arne diesen Gedankengang ab.
An den Wänden beliebte Ölgemälde der Küstenbewohner.
Tapfere Seeleute, die sich in Nussschalen dem grässlichen Wetter entgegenstemmten. Womöglich noch versuchten, trotz des hohen Wellengangs einen erlegten Wal zum Mutterschiff zu schleppen und dort an Bord zu hieven. Mann gegen Naturgewalt. Nichtschwimmer. Bei einem Sturz in das tosende Meer für die Zukunft verloren.
Er spürte förmlich den Seegang unter seinen Füßen, die sturmgepeitschten Brecher, die sich aufbäumenden Planken, merkte, wie das Wasser über ihm zusammenschlug. Hörte die verzweifelten Rufe des Mannes im Ausguck, der sich kaum mehr halten konnte, die schwarze, ungewisse Tiefe vor Augen hatte. Seemannsgrab. Das Brüllen des Meeres nahm an Lautstärke zu, er roch das Salz, die Nässe, das Blut, den Tod.
Mommsen!, rief er sich zur Ordnung, nun nimm dich aber mal zusammen!
Als er versuchte, eine Vase auf dem Fensterbrett als Anker zu fixieren, wollte das nicht recht gelingen. Undeutlich registrierte er, dass er schwankte. Schweiß brach ihm aus. Wahrscheinlich werde ich jetzt auch ein Opfer der Dorfgrippe. Das Tosen der aufgebrachten See erfüllte sein Denken. Die Übelkeit nahm weiter zu.
Ich muss hier raus!, dachte er mit größter Anstrengung.
Doch seine Beine hielten nicht viel von der Idee aufzustehen, seine Arme reagierten ungehalten, als er verlangte, sie sollten seinen feisten Körper hochstemmen. Plötzlich wurde ihm auch noch die Luft knapp! Verdammte Scheiße, dachte er, rufen konnte er schon nicht mehr.
Hätte er geahnt, dass dies sein letzter Gedanke in diesem Leben war, wäre ihm vielleicht zum Abschied etwas Netteres eingefallen.
Aber Pfarrer Arne Mommsen war nicht nett. Und zu Freundlichkeiten neigte er auch nicht.
Vielleicht war es deshalb auch völlig in Ordnung, am Ende einen Fluch zu denken – authentisch eben.
2
Lars Knyst gab sich redlich Mühe, den Wagen auf der Straße zu halten.
Ja, überhaupt noch zu erkennen, wo genau die Straße eigentlich war.
Durch die Frontscheibe war wegen der Regenmassen so gut wie nichts zu sehen, die Scheibenwischer strengten sich an, das Wasser von der Glasfläche zu schaufeln, den beiden Männern wenigstens gelegentlich einen Blick auf die Fahrbahn zu gewähren. Blieben aber relativ erfolglos.
Knyst starrte angespannt dorthin, wo er den Fahrweg vermutete.
»Hummelgaard. Wo liegt das überhaupt?«
»Richtung Sund. Ist ein ganz kleiner Ort.«
»Eine Schlafstadt? Für Menschen, die in Göteborg arbeiten? Ich habe noch nie von Hummelgaard gehört.«
»Möglich, dass es solch ein Ort ist. Nur viele Häuser und ein einziger ICA, damit man einkaufen kann, was man im Center vergessen hat.« Knyst knirschte mit den Zähnen. »Verdammt! Sie dir mal den an! Ohne Licht. Ich wäre um ein Haar aufgefahren!« Er hupte erbost, blinkte auf.
Schweigen.
Sie nahmen die E6 in nördlicher Richtung. Passierten Kungälv, hielten auf Tjörn zu, kamen an Stona Höga vorbei bis zur Ausfahrt Ucklum. Tauchten ein in dichten Mischwald. Hier war es noch finsterer, es gab kein gleißendes Licht der Straßenbeleuchtung mehr. Östlich von Ucklum auf dem Weg nach Wästerlanda lag Hummelgaard an einem kleinen See. Ein winziger Ort. Mitten im Wald. Etwa eine Stunde Fahrzeit von Göteborg entfernt.
»Ein toter Pfarrer? Hat er das tatsächlich gesagt?«, fragte Sven Lundquist bei seinem Freund und Kollegen nach.
»Ja. Er läge in seinem Garten. Eindeutig Fremdeinwirkung, das könne man auch ohne Urteil des Rechtsmediziners problemlos feststellen. Das Opfer hätte diese spezielle Auffindesituation niemals allein herbeiführen können.«
»Diese