Jesse Fink

Bon - Der letzte Highway


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wenn einem danach war. In Adelaide kannte jeder jeden … Das, was zwischen Bon und mir in Adelaide lief, war wirklich von sehr kurzer Dauer. Da sah ich ihn zum ersten Mal Dinge tun, über die ich nicht sprechen möchte, aber ich dachte mir, wow, mit diesem Typen stimmt irgendetwas nicht.“

      Sie sagte, Bons Verhalten hätte sich definitiv auf die Beziehung seiner Familie zu ihm ausgewirkt: „Bon erlaubte sich einen Fauxpas, der jeglicher normalen Beziehung zwischen ihnen einen Riegel vorschob.“

      Doch hatte er etwas Besonderes an sich.

      „Der Grund, warum Bon trotz seines fragwürdigen Kleidungsstils so gut bei den Frauen ankam, war, dass er sie wirklich mochte. Das war damals ungewöhnlich. Ich hatte zwar im Verlauf der Highschool vier gute Freunde, aber die meisten Jungs oder Männer ließen sich in zwei Kategorien einteilen: in diejenigen, die Frauen als Feinde ansahen, sowie jene, denen Frauen eine Heidenangst einjagten. Bon fühlte sich immer schon wohl mit Frauen und behandelte sie mit Respekt und Zuneigung.“

      Sie und Bon bändelten erneut an, als AC/DC 1976 ihren ersten Gig in London im Red Cow in Hammersmith spielten. Die finster dreinblickenden, eigenbrötlerischen, Comics lesenden Youngs begegneten ihr mit Skepsis. Silver erzählte mir, dass sie ihr schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen im Tour-Van der Band das Gefühl vermittelten, nicht willkommen zu sein. Sie sah die Band in der weiteren Folge weniger als ein Dutzend Mal live spielen. Sie und Bon zogen es vor, sich in ihr Apartment zurückzuziehen, wo sie Bücher lasen und Platten hörten.

      „Als Bon anfing, mich in London zu besuchen, lebte ich gewiss nicht in einer Luxuswohnung. Mir standen gerade einmal ein Zimmer und ein Badezimmer zur Verfügung. Ich wohnte in der Gloucester Road, nahe der U-Bahn in South Kensington. Außer einem Kühlschrank und einer Matratze besaß ich kein Mobiliar, weil ich erst vor Kurzem eingezogen war.“

      Silver kümmerte sich um Bons Bildung, die eher rudimentär ausgeprägt war. (Eine seiner Exfreundinnen beschrieb ihn mir als „eher schlichten Typen aus dem australischen Hinterland“.) Sie deckte ihn mit ziemlich niveauvollem Lesestoff für seine Touren ein. So las er Bücher von Autorinnen und Autoren wie Doris Lessing, Anaïs Nin, Colette, Anthony Trollope, Samuel Pepys oder Joseph Conrad. Zu seinen Favoriten zählten Colettes Chéri- und Claudine-Romanreihen sowie Lessings Science-Fiction-Erzählungen Die Memoiren einer Überlebenden und Die Ehen zwischen den Zonen Drei, Vier und Fünf. Fernab des kulturell verkümmerten Ambientes rund um AC/DC bot Wohnung 9 in der Gloucester Road 96 Bon eine Art Zufluchtsort, in dem er auch auf andere interessante Zeitgenossen traf. Silver war etwa mit einem jungen Börsenmakler namens Kenneth Moss befreundet, einem Selfmade-Millionär, der mithilfe seiner eigenen Flugzeuge, einer Douglas DC-8 und einer Convair 880, unter dem Firmennamen Freelandia Billigflugreisen anbot, womit dieser Hippie im Prinzip den Weg für Richards Bransons Virgin Airlines ebnete. Von Problemen heimgesucht, stellte er jedoch 1974 bereits nach einem Jahr den Flugbetrieb wieder ein. Bei einer von Moss’ ausschweifenden Partys im September 1974 zog sich der Drummer der Average White Band Robbie McIntosh ein Pulver, das er für Kokain hielt, durch die Nase. Dabei handelte es sich aber um Heroin. Er verstarb schließlich im Howard Johnson Motel in North Hollywood.

      Dem Bassisten derselben Band, Alan Gorrie, der ebenfalls diese Substanz geschnupft hatte, rettete Cher das Leben. Da er im Verdacht stand, das Heroin bereitgestellt zu haben, sah sich Moss mit einer Anklage wegen Mordes konfrontiert. Er bekannte sich schließlich der fahrlässigen Tötung für schuldig und musste eine Haftstrafe von 120 Tagen im Bezirksgefängnis absitzen. Seine Bewährungsfrist endete nach vier Jahren.

      „Ich wohnte 1974 bei Kenneth in Los Angeles und bei seinen Freunden in Sausalito“, erzählte Silver. „Das war eine traumatische und gefährliche Zeit für ihn. Fast alle wandten sich von ihm ab. Mein Wissen über und meine Leidenschaft für Musik öffnete mir viele Türen in Kalifornien und England. Ein paar meiner Kontakte waren reich, ein paar eher weniger.“

      Darunter befanden sich auch Phil Lynott, der ebenfalls Heroin konsumierte und auf dessen Track „Girls“ von seinem Soloalbum Solo In Soho Silvers Sprechstimme zu hören war, der Bankier und Antiquar Milo Cripps alias Lord Parmoor sowie die Rolling Stones. Silver hatte Keith Richards in seinem Hotel in Adelaide kennengelernt, als die Stones durch Australien tourten. Es wurde lange vermutet, dass Bon mit ihnen abhing, als sie 1978 in Paris ihr Album Some Girls einspielten, doch widersprach Silver diesen Gerüchten.

      „Keith Richards traf nie in meiner Anwesenheit auf Bon. Ron Wood und Bon liefen sich in einem Aufnahmestudio in Paris mal über den Weg und sagten kurz Hallo zueinander, bevor eine französische Band namens Trust Bon erkannte und ihn in ein Studio entführten, wo sie einen seiner Songs aufnahmen. Ich begleitete Ron und [den persönlichen Assistenten der Stones] Frank Foy ins Studio, wo die Stones sich mit den Tontechnikern eine Aufnahme anhörten … Ich habe mit Keith nie ‚einen draufgemacht‘. Das hat Bon verzapft … Wir führten ein paar längere Vieraugengespräche und aßen zusammen.“

      Kauften die Stones Heroin von dir?

      „Nein. Ich kannte Ron [Wood] ein paar Jahre lang richtig gut und war eine Bekannte von Keith, der damals, als ich ihn im London der Siebziger traf, eigentlich nur Gras rauchte … Als er noch immense Mengen Heroin konsumierte, kannte ich ihn noch gar nicht.“

      Silver vermutete, dass diese zeitlich begrenzten Kontakte zur Hautevolee die Grundlage für ihre unfaire Darstellung in Walkers Buch darstellten. „Es gab ein paar wenige reiche Männer in Lauerstellung. Mir gingen die reichen Männer jedenfalls nicht aus“, wurde sie darin zitiert. Walker interpretierte das so, als hätte sie sich von reichen Gönnern aushalten lassen. Auch Irene Thornton wiederholte in ihren Memoiren fälschlicherweise diese Anschuldigungen. Silver war der Auffassung, dass Irene diesen Eindruck von Walkers Buch übernommen haben musste. Obwohl sie zugab, selbst Heroin konsumiert zu haben, und auch die Möglichkeit einräumte, dass Bon dies ebenfalls tat, bestand sie doch bis zu ihrem Lebensende darauf, dass die Vermutung, er wäre an jenem düsteren Tag im Februar 1980 an einer Überdosis und nicht an Alkoholvergiftung gestorben, schlichtweg falsch wäre.

      „Dieser Mythos ist doch schon ausführlich widerlegt worden, oder? Glauben manche Leute immer noch, dass die Ärzte im Krankenhaus – die ja nicht wussten, das Bon irgendjemand Besonderes war – sowie das Untersuchungsgericht, die Medien und die Mafia rund um Alberts und die Youngs alle in eine Verschwörung verwickelt waren? Ich war im Krankenhaus und bei der Untersuchung der Todesursache dabei, und das ist die ganze Wahrheit.“

      Tatsächlich?

      * * *

      Grahame „Yogi“ Harrison verbrachte vier Jahre als Tontechniker mit Rose Tattoo, bevor er fünf Jahre für Buffalo – die australischen Black Sabbath – arbeitete. In diese Zeit fiel auch eine Australientour mit Geordie mitsamt deren Frontmann, einem gewissen Brian Johnson. Heute ist Harrison über 60 und betreut immer noch Touren als Tontechniker und Tourmanager. 1977 arbeitete er in Sydney für AC/DC als Tontechniker. Er lernte Bon („ein absoluter Partytiger, ein extrem freundlicher Typ“) kennen, als sie einander im Bondi Life­saver trafen, einer Venue in Sydneys Osten, die 1980 endgültig schloss. Harrison lebte unweit der Location, „deshalb musste ich auch nur den Hügel hinunterrollen, um nach Hause zu gelangen“. Er sagt, dass Bon und der inzwischen ebenfalls verstorbene Drummer von Rose Tattoo und Heroin-Konsument Dallas „Digger“ Royall aus demselben Holz geschnitzt waren. Tatsächlich ähnelten sie sich so stark, dass sie „Brüder hätten sein können, Mann“. Royall verstarb 1991.

      „Das Bondi Lifesaver war für viele von uns für eine lange Zeit in den Siebzigern wie ein zweites Zuhause. Wir arbeiteten dort ziemlich viel, der Großteil der Crew und die Bands auch. Es war außerdem unser Treffpunkt. Bon war klasse. Er war mit Abstand das zugänglichste Mitglied von AC/DC und außerdem durch und durch gutmütig. Wenn dem nicht so war, dann versteckte er das ziemlich gut.“

      Allerdings plagten ihn Probleme, die schon damals offenkundig waren.

      „Bon zog sich alles rein, was nur irgendwie zu haben war. Er konnte sich richtig ernsthaft volllaufen lassen. Was Bon betrifft, so denke ich, dass er einen großen Teil seines Muts aus dem Alkohol bezog. Typen wie Bon Scott und [der verstorbene Leadsänger von Dragon] Marc Hunter tragen meiner Meinung nach viel Ballast mit sich durch die Gegend,