28. Die Wächter des Sekuriaths
Vorgeschichte
Die Gefährdung des friedvoll lebenden Drachenlandes durch die grausamen Horden des Ostlandes, die von ihrem bösartigen schwarzen Druiden Snordas angeführt werden, wird fast täglich beunruhigender.
Aber nicht jeder Bewohner des Drachenlandes hat bisher etwas von dieser Bedrohung mitbekommen. Besonders die Menschen und das Volk der Zwerge lebten völlig abgeschirmt für sich, ohne nachbarschaftliche Beziehungen zueinander zu pflegen. Aber sowohl die wachsamen Elfen als auch die friedlichen Drachen des Eisgebirges hatten diese Gefahr längst erkannt, die allen Völkern des Drachenlandes drohte. Unter Leitung des weisen Drachenrates sollten geeignete Maßnahmen getroffen werden, den Plänen des schwarzen Druiden entgegenzuwirken.
Doch Snordas’ krankhafte Gier, das ganze Land mit Hilfe seiner bestialischen Feuerkopfdrachen zu unterwerfen, die sich zur Abschreckung und als äußeres Erkennungszeichen ihre Gesichter verbrennen ließen, konnte zumindest kurzfristig durch das unerwartete Erscheinen des Erwarteten gestoppt werden.
Der fünfzehnjährige Adalbert von Tronte wurde erst vor wenigen Monaten durch ein tragisches Erlebnis aus seinem bisherigen Leben gerissen, als er im letzten Herbst mit ansehen musste, wie sein Vater, der berühmteste Drachenjäger des ganzen Landes, einen wunderschönen silbernen Drachen kaltblütig ermordete. Dabei hörte er nicht im Geringsten auf das Bitten und Flehen seines Sohnes, diesen doch zu verschonen.
Der Drache, der keinesfalls als wilde Bestie bezeichnet werden konnte, hatte mehrfach vergeblich versucht, diese tödliche Auseinandersetzung mit dem erfahrenen Jäger zu vermeiden. Doch Adalberts Vater hatte seinen Ruf nicht mit Mitleid für diese einzigartigen Geschöpfe verdient und so kam es schließlich, dass dieser majestätische Drache sterbend vor Adalberts Füßen auf den harten Boden aufschlug.
Doch bevor der silberne Drache starb, erkannte er in Adalbert den Erwarteten des Drachenlandes und übertrug ihm mit seinem letzten Atemzug seine Drachenseele.
Abgestoßen von der unglaublichen Brutalität seines Vaters, kehrte ihm sein Sohn den Rücken und rannte davon. Dabei lief Adalbert ausgerechnet einem riesigen Drachen über den Weg. Schnell entwickelte sich aus dieser Begegnung mit dem goldenen Drachen Merthurillh, der bereits vor über hundert Jahren vom weisen Drachenrat damit beauftragt worden war, nach dem Erwarteten zu suchen eine tiefe Freundschaft. Dabei gingen der Drache und der Junge eine seltene Verbindung miteinander ein, die sogenannte Bandarurh. Mit dieser schenkte jeder dem anderen einen Teil von sich selbst. Adalbert erhielt eine schützende Drachenhaut, die ihn vor ernsthaften Verletzungen bewahren konnte, und einen ganz besonderen Drachensinn, der ihn dazu befähigte, sich selbst in der schwärzesten Dunkelheit einer Höhle zu orientieren. Der Drache Merthurillh bekam von Adalbert das Geschenk der Gesundheit und erlangte dadurch wieder zwei gesunde Augen und somit das räumliche Sehvermögen, was für die Fliegerei eines Drachen unverzichtbar war.
Doch die Hauptaufgabe, die den goldenen Drachen Merthurillh und den Knaben Adalbert noch wesentlich tiefer verband, als selbst die Bandarurh es vermochte, war die Suche nach der Rettung für die Drachenseele in Adalberts Brust, die sie nur gemeinsam meistern konnten. Denn der von Adalberts Vater ermordete silberne Drache war Allturith, der Sohn Merthurillhs. Diese traurige Information hätte beinahe das Ende ihrer Freundschaft bedeutet, wenn der erfahrene Elfenkönig Erithjull nicht erkannt hätte, dass keiner der beiden ohne den anderen diese Suche würde alleine bewältigen können.
So hatten sie sich damals im westlichen Elfenwald gemeinsam aufgemacht, den Weg der Drachenseele zu beschreiten.
Kapitel 1
Ein großer Schreck
Das weite Drachenland war noch in eine besonders ruhige und dunkle Nacht gehüllt, als Adalbert von Tronte schweißgebadet aus einem Alptraum erwachte. In seinen schlimmen Träumen durchlebte er wieder und wieder die grässlichen Erlebnisse und Qualen seiner Gefangenschaft im düsteren Ostland. Nur mit viel Glück und durch die Heldentat des Zwergenkönigs Zarvodd, der sein eigenes Leben gegeben hatte, um Adalbert und seine Gefährten zu retten, war ihnen die Flucht vor den Peinigern des bösartigen Druiden Snordas gelungen.
Noch immer mit den schrecklichen Erinnerungen seines Albtraums beschäftigt stand Adalbert verschlafen auf und suchte die Nähe zu seinem Drachenfreund Merthurillh. Plötzlich hatte er den Eindruck, dass irgendetwas nicht stimmte. Zuerst konnte er sich nicht erklären, woher dieses beklemmende Gefühl kam, doch es sollte nicht lange dauern, bis er erschreckt feststellte, dass er weder das tiefe Schnarchen des Drachen noch sonst irgendein Atemgeräusch hören konnte. Merthurillh lag völlig regungslos da.
„Merthurillh!“, schrie Adalbert verzweifelt. Besorgt legte er sein Ohr an die mächtige Brust des goldenen Drachen, doch er konnte keinen Herzschlag wahrnehmen.
„Merthurillh, wach doch bitte auf!“, flehte er seinen leblosen Freund erneut an. Vor lauter Sorge schrie er dieselben Worte noch lauter, doch der goldene Drache regte sich nicht. Weder die Schreie noch das kräftige Schütteln des Jungen konnten daran etwas ändern.
„Beim großen Axtschwinger, was ist denn hier los?“, knurrte Kronglogg verschlafen. Seit er wieder an der Drachenschule war, teilten sie sich die Höhle zu dritt, wobei sich der Zwerg vorbildlich um die zahlreichen Verwundungen und um die teils recht übelriechenden Zahnzwischenräume seines alten Drachenfreundes kümmerte.
„Merthurillh ist tot!“, schluchzte Adalbert mit Tränen in den Augen.
„Nun mal ganz langsam, mein junger Freund. So schnell stirbt ein halbwegs gesunder Drache nicht. Ich werde ihn mir mal etwas genauer ansehen.“
Kronglogg trat an den leblosen