hast.“
Das zustimmende Nicken des mächtigen Ritters signalisierte Erithjull, dass er mit seiner Äußerung direkt ins Schwarze getroffen hatte.
„Warum habe ich mein bisheriges Leben nur damit verschwendet, Drachen zu jagen und zu erlegen? Warum habe ich mich nicht schon viel früher mit den anderen Völkern des Drachenlandes beschäftigt? Dann hätte ich bestimmt nicht so viel Schuld auf mich geladen. Den ehrenvollen Stand eines Ritters, der sich stets für das Wohl der Schwächeren einsetzen sollte, habe ich gar nicht verdient“, klangen die nachdenklichen Worte des einst so stolzen Mannes.
„Lieber Knut von Tronte, es liegt in der Natur eines jeden Individuums, ganz gleich, ob es sich dabei um einen Menschen, einen Zwerg, einen Troll oder einen Elfen handelt, immer zuerst an sich und sein eigenes Volk zu denken. Dafür ist unser Selbsterhaltungstrieb verantwortlich, ohne den wir nicht in der Lage wären, Familien zu gründen, für diese zu sorgen und sie selbst mit unserem Leben zu verteidigen.
Auch in meinem Volk gibt es viele Elfen, die sich sicherlich noch nie mit den anderen Völkern beschäftigt hätten, wenn sie dieses Wissen nicht durch unsere Schulen vermittelt bekommen hätten. Unter diesem Aspekt betrachten wir auch deine bisherigen Taten. Da du jetzt aber auf dem besten Weg bist, etwas weiter über deinen Horizont hinauszublicken, wird sich dein bisheriges Leben grundsätzlich verändern. Deine Entscheidungen von morgen werden nicht mehr die deiner Vergangenheit sein.
Natürlich dienten deine bisherigen Taten eher der Befriedigung deiner eigenen Rachsucht gegen die Drachen, die ja durch den Verlust deiner geliebten Frau bis zu einem gewissen Maße nachvollziehbar ist, als dem Wohl unserer geliebten Heimat. Aber trotzdem solltest du dir vor Augen halten, dass du damit auch eine entschlossene Tatkraft und einen bewundernswerten Mut bewiesen hast. Es gibt nicht viele, die so beherzt sind, sich einem ausgewachsenen, feuerspeienden Drachen entgegenzustellen. Außerdem warst du es, der nicht nur deinen Sohn, sondern auch Merthurillh vor seinem Bruder gerettet hat. Hättest du nicht so viel Erfahrung im Kampf gegen die Drachen sammeln können, wärst du nicht in der Lage gewesen, einem Drachen das Leben zu retten. Welch seltsame Ironie.“
„Eigentlich wollte ich nur meinen Sohn retten“, gestand der Ritter.
„Ich weiß, aber das Ergebnis ist es, das zählt. Hättest du Furtrillorrh mit deinem Katapultspeer nicht so schwer verletzt, dann hätte es schlimm für alle Beteiligten ausgehen können. Deine Erfahrung hat alle gerettet. Das ist übrigens nicht nur meine Meinung, so denken viele, auch der ehrwürdige Drachenrat. Behalte deinen ehrenvollen Rang als Ritter, denn mit deinen heutigen Taten und denen, die morgen folgen werden, machst du dem erhabenen Ritterstand wirklich große Ehre.“
Der Elfenkönig konnte in den strahlenden Augen des Ritters erkennen, welch positive Wirkung seine Worte auf Knut von Tronte hatten. Er klopfte Adalberts Vater freundschaftlich auf die Schulter und lud ihn ein, mit ihm das Morgenmahl einzunehmen.
Kapitel 8
Geänderte Pläne
Die ersten Worte, die Merthurillh sprach, als er endlich aus seinem erholsamen Heilschlaf erwachte, zeigten seine Besorgnis um seine beiden Söhne, den Drachen Allturith und seinen Adoptivsohn Adalbert.
„Adalbert geht es bestens“, beruhigte ihn die Heilerin Sintarillh. „Und solange es ihm gut geht, ruht auch die Seele unseres geliebten Freundes Allturith in Geborgenheit“, ergänzte sie mit einem traurigen Unterton.
„Wir vermissen ihn beide sehr“, erwiderte Merthurillh und rieb tröstend seinen mächtigen Kopf an ihrer Wange. Er wusste nur zu gut, wie eng die Bande der Freundschaft zwischen seinem Sohn Allturith und dieser Drachin waren. Seine Frau, die Kämpferin Zaralljah, vermutete sogar, dass die beiden heimlich ein Liebespaar gewesen waren, bevor Allturith starb.
„Gemeinsam mit Jordill und Tork ist Adalbert jetzt im Eisgebirge auf der Suche nach der Lorhdrachin Murwirtha“, wich Sintarillh vom Thema ab, bevor ihre Erinnerungen an den silbernen Drachen zu schmerzhaft wurden.
„Warum sind sie denn ohne mich aufgebrochen?“, fragte Merthurillh leicht enttäuscht.
„Weil du seit einigen Tagen im Heilschlaf lagst und erst in diesem Moment erwacht bist, lieber Freund. Nun freut sich mein Vater darauf, dich wieder im Rat zu begrüßen.“
Anschließend erzählte Sintarillh in kurzen Worten, was in den letzten Tagen geschehen war und welche Entscheidungen der Rat bereits getroffen hatte, ohne jedoch zu ausführlich zu werden, um ihrem Vater, dem Lorhdrachen Okoriath, nicht zu sehr vorwegzugreifen.
„Meine liebliche Sintarillh, ich bemerke, dass ich dir vor lauter Hunger kaum noch zuhören kann. Wenn ich vor deinen Vater trete, soll das nicht mit leerem Magen geschehen. Daher werde ich schnell zur Weide von Biggis Eltern hinüberfliegen und mich erst einmal richtig satt essen.“
„Aber denke daran, dass du deinen Appetit etwas kontrollierst, sonst verfällst du gleich wieder in einen mehrtägigen Verdauungsschlaf. Geschlafen hast du nun wirklich genug“, mahnte Sintarillh ihn mit einem frechen Grinsen.
„Keine Sorge, meine Heilerin, ich werde mir nur einen kleinen Appetithappen von der Weide holen. Außerdem kann ich dabei prüfen, wie gut meine Flügel genesen sind.“
Der goldene Drache drehte sich in Richtung der Höhlenöffnung und stürzte sich im nächsten Augenblick mit einem lauten Freudenschrei in die Tiefe.
***
Der Rat war an diesem Tag nur lückenhaft besetzt, denn die beiden Elfenkönige Trillahturth und Erithjull, der knurrige Zwerg Kronglogg und Adalbert, der sich seinen Platz zur Linken Merthurillhs redlich verdient hatte, waren mit wichtigen Aufgaben im Drachenland unterwegs. Außerdem klaffte noch die deutliche Lücke zwischen dem ersten Ratsritter Merthurillh und der Vertreterin des Hochgebirges, Lady Zaralljah. Diese Ratsloge, die in früheren Zeiten dem Vertreter der Drachen aus der ehemaligen Gemarkung des fernen Ostlandes zugestanden hatte, verdeutlichte besonders nachhaltig die Trennung und die daraus resultierende Spannung, die drohend über dem Drachenland lag.
Seit den dunklen Zeiten des schwarzen Druiden Rettfill, der einst das ganze Drachenland in Angst und Schrecken versetzt hatte, um es dann anschließend in einen fürchterlichen Krieg zu stürzen, wurden keine Abgesandten aus dem Ostland mehr in den Rat geschickt. In diesem Krieg war es in vielen Schlachten zu unzähligen Opfern auf allen Seiten gekommen.
Natürlich sah auch Rettfills Nachfolger, der hinterlistige und bösartige Druide Snordas, keinerlei Veranlassung dazu, mit dieser traurigen Tradition der Spaltung des Drachenlandes zu brechen und einen Gesandten zum Drachenrat zu beordern. Wen hätte er auch dorthin schicken sollen? Etwa einen dieser fürchterlich verstümmelten Feuerköpfe, die allein durch den Anblick ihrer scheußlich versengten Drachenschädel bereits Schrecken selbst über hartgesottene Krieger verbreiteten?
Nein, dieser Druide sah keinerlei Veranlassung, sich mit einem Abgesandten dem Drachenrat anzuschließen, der sich, ganz im Gegenteil zu seinen eigenen Plänen, dem Wohl des ganzen Landes verpflichtet hatte. Snordas hatte seine eigenen Pläne für die Zukunft und diese waren düster und böse.
So traf Merthurillh an diesem Tag nur auf wenige Mitglieder des Rates.
„Ich hoffe doch sehr, dass mein Erster Ritter besonders gut geruht und nicht zu üppig gespeist hat“, begrüßte der Lorhdrache Merthurillh freundlich.
„Oh ja, ich habe hervorragend geruht und einen leckeren Happen zu mir genommen. Meine Kräfte sind zurück und ich kann wieder fliegen, wie der junge Drachengott Wargos selbst. Ich spüre seine Kraft in meinen Gliedern und freue mich auf neue, spannende Abenteuer“, antwortete der Erste Ritter.
„Wir sollten mit diesem fürchterlichen Schmus aufhören und uns den wirklich wichtigen Aufgaben zuwenden, die noch vor uns liegen“, warf der alte Haudegen Rostorrh in die Runde.
„Diese schroffen Worte sind mal wieder typisch für unseren treuen Gefährten, der kein Freund von langen Reden ist. Aber auch ich schließe mich im Kern seiner Aussage an, denn ich befürchte, dass uns langsam