Zeit geschah nichts. Adalbert bewegte sich keinen Fingerbreit, fast so, als wenn er selbst zu einer frostigen Eissäule erstarrt wäre. Doch auch der Wolf stand wie angewurzelt da, kein Muskel rührte sich. Weder der Junge noch der Wolf schienen den nächsten Schritt machen zu wollen. Natürlich wusste Adalbert, dass er aus dieser Entfernung keine Chance hatte, einem plötzlichen Angriff des Wolfs zu entkommen, aber davor fürchtete er sich auch nicht. Vielmehr hatte er Angst, dass es sich der Ijsvarg doch noch anders überlegen könnte und in die Nacht verschwinden würde. Also begann Adalbert, ganz leise eines jener Kinderlieder zu singen, die er noch aus vagen Erinnerungen an seine Mutter kannte.
Natürlich hätte er auch viele andere Lieder singen können, die er von seinem Vater und dem alten Schmied Siegfried gelernt hatte, aber dieses Kinderlied hatte stets einen besonders beruhigenden Einfluss auf ihn gehabt. Adalbert hoffte, dass es auf den Wolf ähnlich wirken würde. Und tatsächlich, der große Weiße machte einen minimalen Schritt auf ihn zu und gab einen kaum wahrnehmbaren Laut von sich, der fast wie ein leises Winseln klang. Der Junge bewegte sich noch immer nicht, aber sein Lied wurde etwas lauter. Der Ijsvarg legte seinen mächtigen Kopf leicht zur Seite und richtete seine beiden Ohren direkt auf den singenden Knaben aus. Als er den nächsten vorsichtigen Schritt tat, fasste Adalbert, immer noch singend, ganz langsam in seinen Beutel hinein und holte etwas Brot hervor, welches er fast beiläufig in die Richtung des Wolfes hielt.
„Komm her, mein Schöner. Ich tue dir nichts. Es ist zwar nur trockenes Brot, aber es kommt von Herzen“, lockte er, als das Lied zu Ende war. Wieder kam der Weiße einen Schritt näher. Trotzdem konnte Adalbert deutlich erkennen, dass die kräftigen Muskeln des Wolfes zum sofortigen Sprung gespannt waren. Auch seine ganze Körperhaltung war etwas tiefer, was der Junge als Unsicherheit deutete, aber die Nase, die nur noch eine knappe Armlänge entfernt war, witterte vorsichtig den Duft des Brotes.
Völlig unerwartet machte der Wolf einen Satz nach vorne, packte mit seinen riesigen Zähnen schnell das Brot und sprang drei, vier Schritte weg, gerade so weit, dass die beiden sich noch eben in der Dunkelheit erkennen konnten. Dort ließ er sich nieder und knabberte prüfend mit seinen Schneidezähnen an dem trockenen Gebäck.
Natürlich hätte sich Adalbert diese erste Kontaktaufnahme nach dem Angriff der Narsokks etwas anders gewünscht, aber es war ein vielversprechender Anfang. Instinktiv spürte er, dass er den Wolf noch in dieser Nacht berühren würde.
Als er sich das Brot geholt hatte, hatte Adalbert deutlich die Wunden erkennen können, die durch die Pfeile der Kapuzenmänner verursacht worden waren. Auch die neue Verletzung durch Torgos Feuer war in diesem Augenblick sichtbar geworden. Hinter dem rechten Ohr und bis zur Schulter war das Fell versengt und die Haut stark verbrannt. Was hatte dieser arme Wolf bloß alles erdulden müssen, seit er Adalbert folgte!
„Trau dich bitte zu mir, ich möchte mir deine Verletzungen gerne einmal ansehen. Ich habe eine Salbe dabei, die ich meinem Freund Merthurillh auf seine Wunden geschmiert habe. Sie hat ihm gut geholfen, also warum sollten wir es bei dir nicht auch versuchen?“ lockte der Junge den Ijsvarg.
Er wusste natürlich, dass ihn dieser nicht wirklich verstehen konnte, hoffte aber, dass die leise gesprochenen Worte eine nächste Annäherung herbeiführen würden. Doch der Wolf blieb auf Abstand, bis Adalbert schließlich einschlief.
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