oreen Bryant / Tanja Rinker
Der Erwerb des Deutschen im Kontext von Mehrsprachigkeit
[bad img format]
© 2021 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG
Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Internet: www.narr.de eMail: [email protected]
ISSN 0941-8105
ISBN 978-3-8233-8322-2 (Print)
ISBN 978-3-8233-0324-4 (ePub)
Dank
Ohne unsere Studierenden, die sich einen kompakten Überblick über die Erwerbsforschung zum Deutschen im Kontext von Mehrsprachigkeit wünschten, gäbe es dieses Studienbuch nicht. Daher gilt ihnen unser erster Dank – auch für das Feedback beim Erproben einzelner Kapitel in Seminaren und Kolloquien.
Ein Buch in Zeiten der Corona-Pandemie zu verfassen, war eine ganz besondere Herausforderung – gerade in der heißen Phase schlossen Bibliotheken, war der Zugang zum eigenen Büro erschwert, mussten Kinder zu Hause betreut und beschult werden. Dass wir dennoch (beinahe fristgerecht) dieses Buch fertigstellen konnten, erfüllt uns mit Freude (und auch ein bisschen Stolz). Ohne die große Unterstützung unserer Partner und Familien hätten wir das Projekt nicht so ohne Weiteres stemmen können. Daher möchten wir uns bei Jürgen sowie Loren, Lia und Aiden und natürlich auch den Großeltern ganz besonders bedanken.
Ein herzlicher Dank geht auch an unsere MitarbeiterInnen, die das kritische Gegenlesen des Manuskripts übernommen haben (in alphabetischer Reihenfolge aus den Standorten Tübingen und Eichstätt): Theresa Bloder, Nora Budde-Spengler, Amelie Eisinger, Beate Erhard, Slavica Stevanović, Anna Fiona Weiß. Ebenso danken wir den Hilfskräften für die Unterstützung bei Recherchen, Layout und Literaturverzeichnis sowie den Studierenden, die einzelne Kapitel „Studi-Checks“ unterzogen haben: Michaela Bittl, Elisa Heinzmann, Aylin Özbey, Florian Siegmund, Sarah Unger, Diana Weskott. Danke an Birla Erhard für das Anfertigen zahlreicher Zeichnungen.
Abschließend sei unserer Lektorin Kathrin Heyng ganz herzlich gedankt für all ihre Unterstützung bei der Umsetzung unserer Studienbuchidee.
Wir wünschen unseren Lesenden eine anregende und vor allem auch ertragreiche Lektüre!
Doreen Bryant & Tanja Rinker
Tübingen, Eichstätt im Februar 2021
Zur Einführung in das Studienbuch
Ziele und Verortung in der Studienliteratur des Themenfeldes
Dieses Studienbuch verfolgt im Wesentlichen zwei Hauptziele – ein praxisorientiertes und ein forschungsorientiertes. Zum einen geht es um die Vermittlung von Grundlagen für eine linguistisch und ontogenetisch motivierte Sprachförderung. Eine wichtige Voraussetzung für ein wirkungsvolles sprachförderliches Handeln ist die Fähigkeit, die Lernersprache möglichst genau zu analysieren, um zur Initiierung der nächsten Entwicklungsschritte passgenaue didaktische Angebote machen zu können. Ergänzend zum Einsatz standardisierter Testverfahren bedarf es daher für den alltäglichen Umgang mit den Lernenden gut ausgebildeter sprachförderdiagnostischer Kompetenzen. Um diese ausbilden zu können, ist es erforderlich zunächst einmal den Lerngegenstand in seiner Vielschichtigkeit zu durchdringen und sich der spezifischen Erwerbsaufgaben und Herausforderungen bewusst zu werden. Erwerbsstudien liefern sprachphänomenbezogen weitere wichtige Details für die Sprachdiagnostik und Sprachförderung. So hilft beispielsweise die Kenntnis von typischen Progressionen in den untersuchten Sprachbereichen einerseits dabei, zielsprachliche Abweichungen eines Lernenden adäquat zu interpretieren und andererseits dabei, die erwerbslogisch nächsten Schritte anzubahnen.
Zum anderen soll das Studienbuch in die Erwerbsforschung zum Deutschen im Kontext von Mehrsprachigkeit einführen. Anhand ausgewählter aktueller und „klassischer“ Erwerbsstudien, die die methodische Breite des Feldes dokumentieren, werden die Lesenden an Forschungsdiskurse herangeführt und zum eigenen wissenschaftlichen Arbeiten angeregt.
Dementsprechend richtet sich das Studienbuch an Studierende, Referendare, Lehrkräfte sowie Aus- und Fortbildende, die sich für ihr sprachdiagnostisches und sprachdidaktisches Handeln differenzierte Einblicke in den Lerngegenstand und in verschiedene Erwerbsszenarien des Deutschen wünschen sowie an alle aus den genannten Gruppen, die sich für zentrale Sprachbereiche des Deutschen einen Forschungsüberblick verschaffen wollen und die sich anhand weiterführender Reflexions- und Lektüreaufgaben in die Erwerbsforschung vertiefen möchten.
Mit der Kombination aus linguistischer/sprachkontrastiver und spracherwerbsbezogener Annäherung an das Deutsche im Kontext von Mehrsprachigkeit, der Forschungsorientierung und dem Anspruch aus den Theorie- und Erwerbserkenntnissen didaktische Implikationen abzuleiten, schließt dieses Buch eine Lücke in der Studienliteratur und ergänzt die bereits vorliegenden Einführungswerke und Handbücher zu Deutsch als Zweitsprache (u.a. Hoffmann et al. 2017; Jeuk 2021; Kniffka & Siebert-Ott 2021; Rösch 2011), zu Mehrsprachigkeit (u.a. Müller et al. 2011; Riehl 2014; Roche 2012) und Praxishandbücher zur DaZ/DaF-Didaktik (u.a. Geist & Kraft 2019; Kalkavan-Aydin 2018).
Verortung in Spracherwerbstheorie und Sprachdidaktik
Eine der entscheidenden Fragen in der Spracherwerbstheorie betrifft die Rolle des InputInputs. Diesbezüglich gibt es zwei grundlegend verschiedene Auffassungen. Der nativistischen Annahme zufolge ist der Mensch für den Erwerb der Sprache prädisponiert, d.h. ein erheblicher Teil der Sprachbeherrschung – auf der Theorieebene als UniversalgrammatikUniversalgrammatik (UG) beschrieben – ist angeboren und muss im Laufe der ersten Jahre aktiviert und sprachspezifisch moduliert werden. Dem InputInput kommt in diesem theoretischen Framework lediglich eine Triggerfunktion zu. So bewirken bestimmte Strukturen im Input des Kindes, dass von der UG bereitgestellte Parameter in zielsprachlicher Weise gesetzt werden (u.a. Chomsky 1981).
Während Befürworter der nativistischen Theorie der Interaktion mit der Umwelt und dem konkreten Sprachangebot der Umgebung eine geringe Bedeutung beimessen, rücken gerade diese Aspekte in der gebrauchsbasierten (usage-basedusage-based) Spracherwerbskonzeption in den Vordergrund (u.a. Behrens 2009; Tomasello 2003).1
InputInput wird – auch wenn der Begriff dies suggeriert – nicht zwangsläufig zum Intake. Dies gilt gleichermaßen für den Erst- und Zweitspracherwerb. Im Erstspracherwerb wird die an das Kind gerichtete Sprache idealerweise an den kognitiven und sprachlichen Entwicklungsstand angepasst (u.a. Ritterfeld 2000). Sie liefert in den ersten Lebensjahren bei transparentem Situationsbezug insbesondere jene Strukturen in hoher Frequenz und kategorialer Salienz, die das semantisch-konzeptuelle und morphologisch-syntaktische Grundgerüst der Zielsprache ausmachen (Bryant 2012: 14). Der an Zweitspracherwerbende gerichtete Input ist für gewöhnlich weniger angepasst an den aktuellen Entwicklungsstand und in Qualität und Quantität oftmals nicht hinreichend strukturiert. Die Sprachförderung kann und sollte unter Berücksichtigung erwerbslogischer Sequenzen bei der InputoptimierungInputoptimierung ansetzen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten den Input erwerbsbegünstigend zu gestalten, auf die hier allerdings nicht im Detail eingegangen werden kann.2 Im Rahmen einer strukturfokussierten Inputanreicherung sollten die Zielstrukturen in bedeutungsvollen, typischen Gebrauchskontexten präsentiert werden, die Form-FunktionszusammenhängeForm-Funktionszusammenhänge wahrnehmen lassen.
So ließen sich beispielsweise dynamische Positionsverben (stellen, legen, hängen) und lokale Präpositionen (in, auf, an, unter, über, neben) mit AkkusativrektionAkkusativrektion im Kontext einer Aktion des Zimmereinrichtens vermitteln (Stell / leg X auf / in YAkk), statische Positionsverben (stehen, liegen, hängen) und lokale Präpositionen (s.o.) mit DativrektionDativrektion im Kontext einer Zimmerbeschreibung