Der Produzent zeigte sich skeptisch. „Und wenn sie nicht darauf eingehen?“, fragte er. „Dann kann ich das gesamte Team noch einmal zusammentrommeln und die erste Hälfte in Italien drehen. Damit ist der Start des Films gefährdet. Die Werbung muss …“
„Warten wir den Anruf ab“, unterbrach ihn Katharina.
Zweimal klingelte das Telefon vor Mitternacht, aber es waren nur Freunde, die Joswig sprechen wollten. Genau um Mitternacht läutete es abermals. Joswig hob ab und meldete sich mit seinem Namen. Das Telefon war auf laut gestellt, sodass alle im Raum mithören konnten. Katharina schaltete den Kassettenrekorder ein, um das Gespräch aufzunehmen.
„Nun?“, fragte eine männliche Stimme. „Haben Sie sich davon überzeugt, dass die Filme verschwunden sind?“
„Ja“, antwortete Joswig.
„Haben Sie die Polizei informiert?“, lautete die nächste Frage.
„Nein, natürlich nicht.“
„Sehr gut. Und was halten Sie von meinem Vorschlag?“
„Ich werde Ihnen keine Million für die Rückgabe der Filme zahlen. Niemals!“
Der Anrufer lachte. „Sie sind wahnsinnig“, entgegnete er. „Wenn Sie den Rest nachdrehen müssen, kostet es Sie mehr als das Doppelte.“
„Und was machen Sie, wenn ich überhaupt nicht auf Ihren Vorschlag eingehe? Niemand außer mir kauft Ihnen die Filme ab. Ich bin bereit, Ihnen fünfhunderttausend zu zahlen. Und keinen Pfennig mehr.“
Man hörte, wie sich der Anrufer leise mit jemandem unterhielt, dann meldete er sich erneut.
„Sie sind verrückt“, rief er. „Aber gut, einigen wir uns auf die Mitte. Siebenhundertfünfzigtausend!“
„Nichts zu machen“, gab Joswig eiskalt zurück. „Es bleibt bei meinem Angebot.“
„Und was ist mit der Versicherung? Wir wissen genau, dass Brankov versichert ist, und die Firma für den Schaden aufkommen muss.“
„Stimmt“, gab Joswig zu. „Herr Brankov ist versichert. Die volle Summe wird allerdings nur im Brandfall ausgezahlt. Mehr, als ich Ihnen geboten habe, wird Ihnen die Versicherung auch nicht geben. Wollen Sie die halbe Million haben oder nicht?“
Wieder hörte man den Anrufer mit jemandem flüstern.
„Wir sind einverstanden“, sagte er dann. „Legen Sie das Geld in kleinen Scheinen bereit. Keine fortlaufenden Nummern. Gebrauchte Lappen. Ich werde Sie im Laufe des Tages wieder anrufen und Ihnen sagen, wo die Übergabe stattfinden soll.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr. „Aber ich warne Sie. Wenn Sie die Polizei einschalten, sehen Sie Ihren Film nie wieder.“
„Keine Polizei“, versprach Joswig. Er wollte noch etwas sagen, doch der Anrufer hatte bereits aufgelegt.
„Kennt jemand die Stimme?“, fragte Katharina.
Joswig zuckte mit den Schultern „Wüsste nicht.“
Rudolf Thielke blickte auf seine Armbanduhr und erhob sich. „Offenbar geht alles schneller, als wir erwartet haben“, sagte er. „Ich werde jetzt in mein Hotel fahren. Sieht ganz so aus, als wäre ich morgen Abend wieder zuhause.“
Katharina war anderer Ansicht, doch sie schwieg. Irgendetwas an dieser Geschichte kam ihr merkwürdig vor. Aus Erfahrung wusste sie, dass eine Erpressung aus Sicht von professionell vorgehenden Tätern ein Projekt war, das lange vorbereitet werden musste. Man brauchte außerdem organisatorisches Geschick und Kreativität. Von der Zielauswahl bis zum späteren Geldausgeben durfte nichts dem Zufall überlassen werden, wenn das Geschäft „Ware gegen Geld“ aufgehen sollte. Somit gab die Planungsqualität sofort einen ersten Aufschluss über deren Professionalität.
7
Am nächsten Vormittag meldete sich der Anrufer wieder. Rudolf Thielke hatte auf Anweisung seines Chefs eine halbe Million D-Mark in gemischten Scheinen bereitstellen lassen. Die pralle Tasche hielt er wie ein Baby auf den Knien.
„Eine Frage“, begann der Anrufer. „Wer ist die Frau, die den VW-Golf fährt? Und wer ist der Kleine in dem BMW?“
Katharina nickte anerkennend. Die Männer hatten also die Umgebung von Joswigs Haus beobachtet.
„Das sind die Leute von der Versicherung“, beantwortete Joswig die misstrauische Frage des Anrufers.
„Keine Polizei?“, vergewisserte sich der Mann.
„Ich bin doch nicht verrückt“, erwiderte Joswig. „Kommen wir zur Sache. Wo kann sich die Frau von der Versicherung mit Ihnen treffen?“
„Sie kommen nicht selbst? Haben wohl Angst, was? Sagen Sie ihr, sie soll allein kommen und das Geld in einer Tasche bereithalten. Treffpunkt ist der Rüdersdorfer Kalkberg. Haben Sie das?“
„Ja. Und um welche Zeit soll die Übergabe stattfinden?“
„Gegen zwölf Uhr“, antwortete der Mann. „Wir müssen sichergehen, dass sie nicht verfolgt wird.“
„In Ordnung. Die Frau von der Versicherung wird sich natürlich davon überzeugen, dass die Filmdosen unversehrt sind, bevor sie Ihnen das Geld übergibt.“
„Dagegen haben wir nichts einzuwenden. Die Dosen sind immer noch versiegelt. Aber vergessen Sie eins nicht: Sobald wir nur einen einzigen Bullen sehen, gehen die Filme in Flammen auf.“
„Sie haben mein Wort.“
„Ach ja, noch etwas. Sollten sich in der Tasche alte Zeitungen befinden, wird es mir ein Vergnügen sein, die Filme zu verbrennen. Haben wir uns verstanden?“
„Vollkommen.“
Der Anrufer legte auf. Katharina spulte die Kassette zurück und ließ das Band noch einmal ablaufen. Die Anweisungen waren klar und unmissverständlich. Offenbar hatten die Täter viel Zeit mit der Planung verbracht.
„Ich fahre natürlich mit Ihnen“, sagte Thielke. „Ich bin für das Geld verantwortlich und muss mich von der Echtheit der Ware überzeugen.“
„Ich habe nichts dagegen einzuwenden“, entgegnete die Detektivin.
8
Gegen elf Uhr starteten Katharina Ledermacher und Rudolf Thielke in ihrem VW-Golf die Fahrt zum Rüdersdorfer Kalkberg östlich von Berlin.
Thielke hatte sich auf dem Rücksitz in eine Ecke gedrückt und presste die Tasche mit dem Geld fest an sich. Ein besorgter Ausdruck lag auf seinem Gesicht.
„Die Sache gefällt mir nicht“, meinte er. „Wir hätten uns auf einen anderen Treffpunkt einigen sollen. Das ist eine ideale Gegend, um uns auszurauben.“
„Dazu gehören immer zwei“, gab Katharina gelassen zurück.
Es herrschte nicht viel Verkehr. An einer Kreuzung fuhr ihr ein anderer Wagen, der die Vorfahrt missachtete, beinahe links in die Seite. Bremsen quietschten. Katharina ließ das Fenster herunter. Der andere Fahrer ebenfalls.
„Tut mir leid“, sagte er. „Ich habe Sie nicht gesehen.“
Zwischen die beiden Fahrzeuge passte kaum noch eine Zeitung.
„Schlafen Sie immer hinterm Lenkrad?“, erkundigte sich Katharina. „Passen Sie nächstes Mal besser auf, verdammt noch mal.“
Er entschuldigte sich wortreich. Katharina ließ den Motor wieder an und fuhr weiter. Glück gehabt, dachte sie. Es gab Zeitgenossen, die bei so einem Vorfall aus dem Wagen sprangen und den anderen Fahrer am Kragen packten; aber zu denen gehörte sie nicht. Trotzdem hatte sie sich ziemlich erschreckt, und sie fuhr langsamer. Immer wieder schaute sie in den Rückspiegel. Einmal glaubte