Günter Huth

Der Todeswind der blauen Zipfel oder Die missliche Wahl der Miss Grafeneckart


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      Günter Huth

       Der Todeswind der blauen Zipfel

       Der Todeswindder blauen Zipfel

       oder

      Die missliche Wahl

      der Miss Grafeneckart

      Eine kriminelle Würzburger

      Rathaussatire von Günter Huth

       Mit Illustrationenvon Monika Thaller

      echter

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      © 2017 Echter Verlag GmbH, Würzburg

      www.echter.de

      Buchgestaltung Umschlag: wunderlichundweigand.de Innenteil: Peter Hellmund

      Zeichnungen Monika Thaller

      ISBN 978-3-429-06272-9

      eBook-Herstellung und Auslieferung:

       Brockhaus Commission, Kornwestheim

       www.brocom.de

      Liebe Leserinnen, liebe Leser!

      Das vorliegende Buch ist irgendwie ein Krimi.

      Das vorliegende Buch ist aber sicher eine Satire.

      Das vorliegende Buch gibt Ihnen bestimmt einige Rätsel auf.

      Es spielt in der Mainmetropole Würzburg, einer bedauernswerten Stadt, da sie schon häufiger zum Spielball meiner schriftstellerischen Fantasien wurde.

      Es erwähnt Ereignisse in der Stadt, die es nie gegeben hat und die es hoffentlich auch nie geben wird.

      Es befasst sich mit einer Stadtregierung, die fern jeglicher Realität beschrieben wird und hoffentlich auch in Zukunft niemals Wirklichkeit werden wird.

      Es fantasiert über Menschen mit kriminellen Energien, wie man sie hier wohl nicht antreffen kann.

      Es beschreibt Personen, die in dieser Stadt so weder leben noch gelebt haben noch verstorben sind. Und sollte sich zufälligerweise doch jemand angesprochen fühlen, wäre ihm zu empfehlen, seine möglicherweise narzisstischen Neigungen auf einen ärztlichen Prüfstand zu stellen.

      Realität sind die verschiedenen Örtlichkeiten, die sich nicht wehren konnten, als ich sie ins Zentrum meiner skurrilen Gedankengänge rückte.

      Heimtückischerweise habe ich in die Story fünf markante sachliche Fehler eingebaut, die, wie ich es erwartet hatte, dem Verlag erst nach dem Druck aufgefallen sind, da der Verleger bedauerlicherweise eine ziemliche Schlafmütze ist, was ich damit beweisen konnte. Teilen Sie uns mittels der beigefügten Karte diese sachlichen Fehler mit. Kursiver Text sollte Ihnen ein Hinweis sein. Solange dieses Werk im Buchhandel erhältlich ist, wird der Verlag einmal im Jahr, spätestens am 31. Januar, eine Verlosung Ihrer Einsendungen vornehmen. Als kleine Wiedergutmachung für seine redaktionelle Nachlässigkeit wird der Verlag den dann ausgelosten Sieger (mit Begleitung) zu einem Essen mit dem Autor im Gasthaus Stachel in Würzburg einladen.

      Ich freue mich auf Ihre Reaktionen.

      Herzliche Grüße!

      Ihr Günter Huth

      1

      Es begab sich in jenen Tagen, als die Menschen in der Stadt wie blind durch die Straßen taumelten und in völliger Verzückung gesenkten Hauptes auf kleine Bildschirme starrten, um mit wischenden Fingerbewegungen sinnlose Botschaften in die Welt zu schicken. Laut Statistik waren noch niemals so viele Menschen in Kollisionen mit Verkehrszeichen verwickelt.

      Es geschah in jener Zeit, da die Menschen in aller Öffentlichkeit und wie in Trance lautstarke Telefonate führten, deren Inhalte ebenso geistlos wie sinnlos waren. Erotische Erlebnisse und Liebestragödien wurden hemmungslos in die Welt hinausposaunt und sorgten für einen massiven Umsatzeinbruch bei allen erotischen Telefonanbietern, denn die Realität war wesentlich schärfer!

      Es ereignete sich in einer Epoche, in der einerseits vegane Kleidung die Umwelt vor Ausbeutung schützen sollte, aber andererseits Menschen viel Geld für exklusive Klamotten ausgaben, in die zarte Kinderhände feine, ausgefranste Schlitze eingearbeitet hatten, um eine Envogue-Optik von Verlotterung und Verschlissenheit zu erzeugen.

      In diesen ereignisreichen Tagen warf ein nachgeordneter, aber strebsamer junger Mitarbeiter der Verwaltungsabteilung der Stadt Würzburg, der für den Abriss der Kalenderblätter in der gesamten Abteilung zuständig war, wieder einmal einen Blick auf den Ereigniskalender der Stadt und stieß vor Schreck einen weit hörbaren Weckruf aus. Fast hätte er einen kaum leserlichen, mit dünnem Bleistift eingetragenen Vermerk übersehen, der sein phlegmatisches Temperament in Wallung brachte. Kaum entzifferbar war hier festgehalten, dass der älteste Bauteil des Rathauses, der Grafeneckart, unaufhaltsam seiner 700-Jahr-Feier entgegendämmerte!

      Der Mitarbeiter schrieb sofort eine alarmierende Aktennotiz auf einen roten Haftzettel in DIN A6 – rote Nachricht bedeutete im innerrathäuslichen Verkehr höchste Alarmstufe und klebte diesen seinem direkten Vorgesetzten mitten auf den Bildschirm seines Computers, damit er die Nachricht auch nicht übersah. Als der Beamte frisch gestärkt und hoch motiviert aus der zweiten Frühstückspause in sein Büro zurückkam, traf ihn ein belebender Schreck und er alarmierte umgehend seinen direkten Vorgesetzten mittels eines weiteren roten Haftmerkzettels, jetzt in dem seinem Rang vorbehaltenen Format DIN A5. Als dieser um kurz vor zwölf zum Dienst am Bürger im Rathaus erschien, erfasste er sofort die Brisanz der Botschaft und füllte einen roten Haftmerkzettel in DIN A4 aus, der nur der Leitungsebene vorbehalten war, und drückte ihn der Sekretärin seines direkten Vorgesetzten mit der Bitte um beschleunigte Sachbearbeitung in die Hand. Im Rahmen dieses Stafettenlaufs erreichte die Eilmeldung am nächsten Tag den Schreibtisch des Oberbürgermeisters. Der erkannte sofort die Wichtigkeit der Meldung und berief für den nächsten Tag eine Sitzung mit den Fraktionsvorsitzenden ein.

      „Aber Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss doch wirklich sehr bitten!“ Oberbürgermeister Merlin Schluckthardt schlug mit einem für ihn ungewöhnlich emotionalen Ausbruch mit dem Rücken eines Kantinenmessers so heftig gegen sein Bierglas, dass man den Eindruck bekommen konnte, er würde es gerne in tausend Scherben zerschlagen. Trotzdem bereitete es ihm große Mühe, sich in dem ausgebrochenen Tumult durchzusetzen. Jeder am Tisch diskutierte mit jedem, kreuz und quer, ohne Rücksicht darauf, ob ihn der andere auch verstand. Die Bühne für diese nicht gerade ungewöhnliche Szene bildete das Casino des Rathauses der Stadtverwaltung Würzburg. Es war später Nachmittag. Der Oberbürgermeister der Stadt hatte die Fraktionsvorsitzenden der im Stadtrat vertretenen Parteien zu dieser Besprechung in die Cafeteria der Kantine eingeladen. Zu dieser Stunde gehörte ihnen das Casino ganz alleine. Sicherheitshalber war draußen ein Hinweisschild angebracht worden, das auf eine nichtöffentliche Sitzung der Rathausspitze hinwies.

      „Hallo, Herrschaften, können wir uns bitte wieder konzentrieren, dieses Durcheinander bringt doch nichts!“ Erneut klirrte das Bierglas.

      Einziger Punkt der Tagesordnung war die Gemüter erhitzende Planung der in wenigen Monaten anstehenden 700-Jahr-Feier des Grafeneckarts.

      Nur ganz langsam entflocht sich der Stimmenwirrwarr und der Geräuschpegel sank auf ein Maß, das eine physische Verständigung möglich machte. Politisch war man davon noch meilenweit entfernt.

      „Ich habe doch ausdrücklich darum gebeten und Ihnen dieses auch schriftlich zukommen lassen: Jede Fraktion sollte einen Vorschlag zur Gestaltung dieser Feierlichkeiten einbringen. Und das schon vor vierzehn Tagen. Bis jetzt hat nur die Fraktion der Freudigen Wähler etwas Konstruktives vorgelegt. Dieser Entwurf liegt Ihnen allen vor. Vielleicht möchten Sie sich mal sachlich dazu