Martin Arz

Westend 17


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      Martin Arz

      Max Pfeffers 5. Fall

      Martin Arz, geboren 1963 in Würzburg, studierte Theaterwissenschaft, Völkerkunde und Kunsterziehung. Er schrieb als freier Autor für zahlreiche Magazine und arbeitete als PR-Berater, bevor er sich ganz der Malerei und dem Schreiben widmete. Seine Gemälde waren bereits auf vielen Ausstellungen im In- und Ausland zu sehen. »Westend 17« ist der fünfte Kriminalroman mit Max Pfeffer aus der Feder von Martin Arz. Im Januar 2004 erschien »Das geschenkte Mädchen«, der erste Pfeffer-Krimi, es folgten »Reine Nervensache«, »Die Knochennäherin« und »Pechwinkel«. Kriminalrat Pfeffer ermittelte außerdem im Frühjahr 2010 in Deutschlands erstem Twitter-Krimi »Der Tote vom Glockenbach«, der über Twitter publiziert wurde. Martin Arz veröffentlichte zudem mehrere Sachbücher über die Stadt, in der er lebt und arbeitet: München.

      Pfeffer-Krimis im Hirschkäfer-Verlag:

      • Das geschenkte Mädchen · Max Pfeffers 1. Fall

      • Reine Nervensache · Max Pfeffers 2. Fall

      • Pechwinkel · Max Pfeffers 4. Fall

      • Westend 17 · Max Pfeffers 5. Fall

      Handlung und Personen sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Ereignissen oder Personen wäre rein zufällig.

      Veröffentlichung: März 2014

      Cover und grafische Gestaltung von Hirschkäfer Design/Coriander P

      © Hirschkäfer Verlag, München 2014

      Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Verarbeitung in elektronischen Systemen.

      eBook-ISBN 978-3-940839-34-3

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      eBook-Herstellung und Auslieferung:

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      Mit Liebe gemacht.

      01 ›Schisser‹, dachte Janko, zog die Kapuze tiefer in die Stirn und drehte sich noch einmal nach dem Mann um. Der hielt Abstand, sah sich demonstrativ die grell erleuchteten Schaufenster der Import-Export-Geschäfte an. An den noch greller erleuchteten Vitrinen der Strip- und Animierschuppen flatterte sein Blick hastig vorbei.

      Janko zitterte leicht. Und er schwitzte. »Sweat runs down the centre of my back, crawling like an insect, it makes a track …« Woher er die Textzeile kannte, wusste er nicht mehr. Er wusste nicht einmal, aus welchem Lied sie stammte. Und doch hatte er sie sich auf den Rücken, quer über die Schulterblätter, tätowieren lassen. In wundervoll verschnörkelter Kalligrafie, die an krabbelnde Insekten erinnerte.

      ›Passt ja‹, dachte Janko. Schweißtropfen krabbelten wie kleine Insekten entlang seiner Wirbelsäule hinab. In Englisch war er immer gut gewesen. Sprachen lagen ihm. Eine seiner Stärken. Sprachen. Sein Deutsch zum Beispiel war zwar hart und verriet seine Herkunft, doch Wortschatz und Grammatik gehorchten ihm. Sie verrieten nicht, dass er erst vor zwei Jahren in München gestrandet war und die Sprache hauptsächlich rings um den Hauptbahnhof, bei »Kollegen« und vor allem Freiern gelernt hatte.

      Lange würde es nicht mehr dauern, bis Janko auf Turkey war. Er schielte schnell zurück, ob ihm der Mann noch folgte. Er folgte und verhielt sich weiterhin dermaßen peinlich unauffällig, dass jeder es mitbekommen musste. War aber auch gut so, denn dann würde Janko noch genug Zeit im Zimmer haben, etwas von dem Ice zu sniffen, das er sich vorhin gekauft hatte.

      Im Schiller-Café tobte noch das Leben, als Janko daran vorbeiging. Wirtin Andrea sah zufällig genau in diesem Moment vom Zapfen auf. Ihr und Jankos Blick trafen sich, sofort huschte ein Lächeln über das Gesicht der Wirtin. Er konnte nicht sagen, dass er im Bahnhofsviertel unbeliebt war. Vielleicht lag es auch daran, dass er durch seine zierliche Figur und sein knabenhaftes Aussehen bei vielen Mutter- oder Beschützerinstinkte weckte – oder eben gut bezahlte Geilheit.

      Raucher lungerten vor den Kneipen auf der Straße herum. Selbst in den abgehonktesten Kneipen achtete man strikt auf die Einhaltung des strengen Rauchverbots, denn so eine Lizenz war schnell weg. Drüben auf der anderen Straßenseite stand Ludmilla, die zuckersüße Ludmilla, und rauchte zwischen zwei Auftritten. Sie kniff die Augen zusammen, als sie Janko sah. Janko warf ihr eine Kusshand zu. Ludmilla stieß Rauch aus ihren Nasenlöchern, wies mit dem Kopf ruckartig nach rechts und wedelte mit der Hand, er solle verschwinden. Das würde sich schon wieder einrenken, war sich Janko sicher. Weil er diesen frechen Lausbubencharme hatte und im Wesentlichen ein ganz Lieber war – selbst wenn er auf Droge war. Ludmilla konnte ihm jedenfalls nie lange böse sein. Spätestens, wenn er ihr mit seinem Dackelblick die teuren Kosmetika präsentierte, die er für sie klaute, brachte er sie wieder zum Schmelzen. Und er bemühte sich ja immer, ihr das Geld, das es sich bei ihr ohne ihr Wissen »auslieh«, auch wieder zurückzuzahlen.

      Janko bog nach dem Spielcasino von der bunten Schillerstraße ab in die kleine Seitenstraße. Nur noch wenige Schritte bis zur Pension Polo. Das »l« in der Neonreklame funktionierte nicht. »Po o«. Zwei große Reisebusse aus Italien parkten neben dem Eingang der Pension. Janko hätte sich schwer gewundert, wenn die italienischen Reisegruppen ausgerechnet im Polo abgestiegen wären.

      Hinter den Reisebussen, die Straße ein Stückchen weiter runter, torkelten drei Männer herum. Links ein großer, kräftiger, rechts ein magerer. Die beiden schienen den untersetzten Mann in der Mitte zu stützen. Der Magere kicherte ununterbrochen wie ein Schulmädchen ein albernes »Hihihi«, stolperte und fiel beinahe der Länge nach hin. Der Kräftige fluchte, weil er nun das Gewicht des Mittleren alleine stützen musste.

      »Zefix, Valentin«, schimpfte der Kräftige. »So witzig ist das auch wieder nicht. Reiß di zamm! Und nimm Rücksicht auf unseren armen Freund, du Oasch.« Er sagte Oasch, nicht Arsch.

      Gackernd rappelte sich der magere Valentin wieder auf, packte den Arm des Mittleren und legte ihn sich über die Schulter. Der Mittlere trug eine Schiebermütze, die nun schief auf dem Kopf saß. Janko zögerte einen Moment, bevor er die Pension betrat. Den Mageren kannte er irgendwoher, da war er sich fast sicher. Valentin? Es gab da den dürren Valentin, den man meist nur Voitl nannte (das V wurde, wie in Oberbayern üblich, als F ausgesprochen, das hatte Janko schon gelernt) und der für den Chinesen arbeitete. Dass Voitl die bayerische Koseform von Valentin war, wusste Janko nicht, und Janko hatte Voitl bisher zwar nur von Weitem gesehen, aber er kannte die Geschichten, die über ihn kursierten. Es war in jedem Fall besser, wenn man Voitl nur von Weitem sah, wenn man ihn schon überhaupt sehen musste. Wenn der Magere also Voitl war, dann könnte der Kräftige eventuell Boromir sein, den alle nur Boro nannten. Österreicher mit bosnischen Wurzeln. Voitl und Boro. Das Horrorgespann. Da hörte man Geschichten! Aber eben nur Geschichten. Janko kannte die beiden nicht wirklich und stoppte sein Kopfkino. Das waren nur drei Besoffene, von denen der eine zufällig Valentin hieß. Völlig wurscht.

      Das Trio steuerte auf einen alten Ford Transit zu, der vor den Reisebussen parkte. Der Magere gackerte blöde sein »Hihihi«.

      Janko betrat die Pension und schaute noch einmal kurz über die Schulter zurück. Sein Kunde bog eben bei dem Spielcasino um die Ecke. Janko musste grinsen. Es war nicht das erste Mal, dass der Kerl ihn nachts am Bahnhof angesprochen hatte. Fast könnte man schon von einem Stammfreier sprechen. Na gut, dreimal machten noch keinen Stammfreier. Dreimal waren sie in der Pension Polo gewesen. Immer spät nachts. Immer hatte der Typ ein Geschiss darum gemacht, dass sie nicht zusammen gesehen wurden und war Janko mit sehr großem Sicherheitsabstand gefolgt. Der Typ schien mächtig Angst davor zu haben, Bekannten oder Arbeitskollegen oder