Max Reisch

Im Auto um die Erde


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und treten ein in das selbständige Emirat Transjordanien.

      Damit beginnt endlich das wirkliche Asien.

      Steinig und steil steigt der Weg aus der Depression des Toten Meeres an den Hängen des Jordantales aufwärts. 1200 Meter Höhe sind im El-Barka-Gebirge zu überwinden bis nach Amman, der Hauptstadt Transjordaniens. Mörderisch brennt die Maisonne auf die kahlen Felswände und schwer arbeitet sich der Motor im ersten Gang höher. Das Kühlerthermometer zeigt schon über 90 Grad.

      »Der Wagen ist viel zu schwer!«

      Helmuth nickt schweigend. Ich schiele zu ihm hinüber und sehe sein besorgtes Gesicht. Die überlasteten Federn ächzen auf dem holprigen Weg.

      100 Grad. Der Kühler pfeift und kocht. Ich halte den Wagen an. Helmuth kramt eine Landkarte von Asien hervor: »Da ist Palästina und da ist China. Etwa 400 Kilometer sind wir schon gefahren und rund 23.000 sind es noch.«

      Wir saßen lange grübelnd nebeneinander, die große Asienkarte auf den Knien. Wir waren beide sehr bedrückt und ich dachte mit einer gewissen Wehmut an die Indienfahrt mit dem Motorrad zurück. Damals gab es keinen kochenden Kühler und keine Möglichkeit, Berge von Gepäck mitzuschleppen …

      Unser Ballast war die Ursache allen Übels und in dieser Erkenntnis sagte ich schließlich: »Wir müssen uns bescheiden! Der hintere Teil der Karosserie muss radikal beschnitten und das Gepäck nochmals reduziert werden.«

      Ob das aber gegen die Überhitzung des Motors bei diesem Klima entscheidend hilft? Im Bordbuch steht: »Warum hat der Motor keine Wasserpumpe?« Dazu ist zu sagen: »Die serienmäßige Thermosiphon-Kühlung war für Europa sicher ausreichend. Aber für diese Expedition? Warum hat die Fabrik keine Wasserpumpe eingebaut? – So schiebe ich die halbe Schuld auf andere: Andererseits wäre es wohl meine Aufgabe gewesen, die Fabrik auf die Klima-Probleme aufmerksam zu machen. Und wiederum andererseits: Die Direktion hatte darauf bestanden, dass nichts geändert werde; ein serienmäßiger Wagen, wie ihn jeder Kunde kaufen kann, soll Asien durchqueren! Das war sicherlich ein gewichtiges Werbeargument. Aber wir hatten darunter zu leiden.

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      Helmuth lächelte, aber er sagte nichts. Wir wurden uns einig, dass in Bagdad der Umbau der Karosserie erfolgen sollte.

      Zumindest seelisch erleichtert fuhren wir bei Einbruch der Dunkelheit weiter. Schön sind die Nachtfahrten im Orient. Ein satt funkelnder Sternenhimmel, fast greifbar nahe, wölbt sich über der Landschaft. In den Felsen der Schlucht sitzen eng beisammen Scharen von Störchen. Wie Schneeflächen leuchten sie auf, wenn das Licht auf ihr Gefieder fällt. Sie scheuen nicht auf, denn sie sind müde von der langen Reise. Vom Sudan kommen sie und wissen, morgen geht es weiter, den nordischen Gefilden, dem europäischen Frühling entgegen. Einige heben verschlafen den Kopf aus dem Gefieder und sehen uns mit den ernsten Philosophenaugen lange nach. Vielleich denkt einer: Komische Menschen, jetzt nach dem Süden zu reisen!

      Um elf Uhr abends schlagen wir das Zelt auf. Es ist das erste Nachtlager der Expedition unter freiem Himmel. Auf den Feldbetten schläft es sich herrlich und ich dachte an die vielen, endlos langen Nächte zurück, die ich auf früheren Motorradfahrten auf nackter Erde verbracht hatte. Aber ich konnte mich meines weichen Bettes nicht richtig freuen. Dieser Komfort war teuer erkauft.

      Wir schlafen kaum, als grelles Licht uns weckt. Aus einem Auto springen verwegene Gestalten und eilen auf uns zu. Auch wir springen von den Betten hoch. Arabische Stimmen reden auf uns ein, bis wir uns auf Englisch einigen: Nein, wir sind keine Briganten und Räuber. Nein, wir fühlen uns ganz sicher hier und brauchen keinen Schutz. Vielen Dank!

      Die Militärpatrouille des Emirs Abdullah salutiert, besteigt ihren Wagen und ist bald im Dunkel der Nacht verschwunden.

      Sechzig Kilometer nördlich von Amman verläuft in ziemlich genauer Ost-West-Richtung die Ölleitung. An sie wollen wir baldmöglichst Anschluss gewinnen. Mehrmals quert die sandige Piste die Schienen der berühmten Hedschasbahn, auf der jetzt nur mehr einmal die Woche ein Zug bis Maan in Südtransjordanien fährt. Früher verkehrte diese Bahn 1300 Kilometer lang bis Medina, heute besteht sie nur mehr auf der Karte. Schwellen, Schienen, Signalanlagen, ja selbst die Stationsgebäude wurden stückweise von den Beduinen verschleppt. Ich möchte kein Aktionär der Hedschasbahn sein, schon lieber von der Iraq Petrol Company, deren Ölleitung jetzt vor uns in der gleißenden Wüste liegt. Sehen kann man sie freilich nicht. Nur ein endlos langer Erdwall deutet an, dass unter ihm das dreißig Zentimeter starke Stahlrohr liegt, durch das das »flüssige Gold« pulsiert. Von unserem Standort sind es achthundert Kilometer bis nach Kirkuk, wo das Erdöl aus der Tiefe quillt. Nach der anderen Seite hundertfünfzig Kilometer bis zum Mittelmeer.

      Nach Osten wendet sich der Blick. Immer kleiner und kleiner werden die Masten der Telegraphenleitung, schließlich verschwinden sie am flimmernden Horizont.

      Noch sechshundert Kilometer Wüste bis Bagdad. Werden wir uns verirren? Brauchen wir einen Kompass? Ist die Wüstenfahrt ein Wagnis? Nein, dreimal nein.

      Wir haben drei gute Freunde als Begleiter: über uns die Telegraphendrähte, unter uns die Erdölleitung und mit uns der Brief der I.P.C. Solcherart ist eine Wüstenfahrt ein Kinderspiel. Wir brauchen nur einen Draht an einen Stein binden und diesen über die Leitung werfen. In spätestens einem halben Tag wird ein Störtrupp der I.P.C. zur Stelle sein.

      Von der gebauten Straße, von der MacPherson sprach, ist nicht viel zu sehen: Hart und felsig ist der Wüstenboden, man muss den Spuren der I.P.C.-Dienstautos folgen. Oft geht der Weg weitab von der Telegraphenleitung, aber immer wieder kehrt er zu ihr zurück.

      Am Abend des 30. Mai tauchen aus dem Dunst der Steppe zwei schlanke Türme auf. Bald erkennen wir auch die Antenne, die sich zwischen ihnen spannt; Mauern und Häuser nehmen Gestalt an. Die erste Pumpstation, »H.5«, liegt vor uns. Ein stacheldrahtartiges, hohes Gitter, wohl einige hundert Meter im Quadrat, umschließt die weitläufige Anlage. Der Wachposten lässt uns passieren, weiße Männer sind keine Räuber, das weiß er.

      Trotz der abendlichen Stunde ist es noch drückend heiß. Mr. Meadows, der Leiter der H.5, sitzt in Hemdsärmeln in seinem Bungalow. Whisky-Soda wird aufgetragen und der kreisende Ventilator peitscht einen wohltuenden Luftstrom in die weit offenen Hemden.

      »Gute Fahrt gehabt?«, fragt der Manager und dann übergibt er uns ein Telegramm:

      »Hoffe Sie gut in H.5 angekommen, wünsche gute Weiterreise. MacPherson.«

      Einfach rührend und englisch sportlich ist die Fürsorge, mit der man uns umgibt. Das stellen wir fest, als wir wohlig in der Badewanne sitzen und den Wüstenstaub vom Körper spülen. Mit kristallklarem Wasser tun wir das, aus beträchtlicher Tiefe holen es Pumpen herauf. Man darf sich überhaupt unter diesen Stationen der Ölleitung nicht etwa ein einsames Häuschen in der Wüste vorstellen. Es sind fünf Wüstenstädte, die wie ein Ei dem anderen gleichen. Um die Maschinenhäuser, Kraftanlagen und Pumpen gruppieren sich die Reparaturwerkstätten, die Garagen für Transport-, Personen- und Panzerautos, die Hangars, die Funk- und Telegraphenstationen und die Zelte der eingeborenen Arbeiter. Eine einigermaßen grün aussehende Gartenfläche mit ein paar kümmerlichen Bäumchen ist auch vorhanden. Sie trennt die technischen Anlagen der Stationen von den Bungalows der Ingenieure, dem gemeinsamen Speise- und Aufenthaltsbungalow und dem Gästehaus. Die Bungalows sind flach geduckt in die Breite gebaut, um den Wüstenstürmen möglichst wenig Angriffsflächen zu bieten. Doppelfenster sind in Stahlrahmen verpasst und sorgfältig mit Filzleisten gedichtet. Ein engmaschiges Drahtnetz soll vor Moskitos schützen. Wie diese den Weg in die einsame Station gefunden haben, erscheint rätselhaft. Mit Karawanen und an windgeschützten Stellen der Autos machen sie offenbar als blinde Passagiere die Reise durch die Wüste. Nachts hat man die Wahl, entweder unter dem kreisenden Ventilator zu schlafen und sich dabei ein Rheuma zu holen oder aber sich zerstechen zu lassen. Die Wahl zwischen beiden Übeln schafft wenigstens Abwechslung.

      Bald hätte ich über Kleinigkeiten die Hauptsache der Pumpstation vergessen, das Fort! Es liegt inmitten der Wüstenstadt und sein massiger Turm ist