Ina Kramer

DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband


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fragte sie.

      »Nein, geh nur, Susa«, erwiderte die Angesprochene, »und laß dir von Titina eine Erfrischung bereiten. Und sag Damilla, sie soll Tee und Gebäck bringen.«

      Fuxfell verharrte beim Anblick der Familie kurz in gespielter Anbetung und preßte die Linke an die Brust. »Welch ergreifendes Bild, man sollte es malen«, hauchte er. Dann näherte er sich mit federnden Schritten seiner Nichte und verneigte sich tief. »Schönstes Fräulein, nehmt mein Herz, das ich Euch zu Füßen lege.«

      Das Kind hatte, als Fuxfell das Zimmer betrat, ihrem Vater, der, als es klopfte, rasch seine Züge geordnet und ihnen einen verbindlichen Ausdruck verliehen hatte, keinerlei Aufmerksamkeit mehr geschenkt, sondern beobachtete vielmehr jede Bewegung des Gastes mit großen wachsamen Augen. Nun richtete Fuxfell sich auf und lächelte seine Nichte an.

      Thalionmel erwiderte den Blick des einen schwarzen Auges ernst und unerschrocken. »Fürwahr, ein schönes Kind, liebe Schwester«, wandte sich Fuxfell an Kusmine. »Wie heißt sie noch gleich?«

      »Thalionmel.«

      »Ein ungewöhnlicher Name, aber man wird sich daran gewöhnen – man wird sich daran gewöhnen müssen, nicht wahr, kleine Thalionmel? Denn in ein paar Jahren wirst du nicht nur sämtliche Männerherzen brechen, du wirst auch deine Widersacher das Fürchten lehren, so grimmig, wie du schaust. Ja, eine glänzende Karriere liegt vor dir, meine Teure, um die ich dich beneiden könnte, wäre ich nicht dein Onkel und getreuer Beschützer. Darf ich dir nun zum Zeichen meiner onkelhaften Zuneigung einen Kuß auf die Stirn drücken?«

      Als Fuxfell sich mit gespitzten Lippen dem kleinen Blondschopf näherte, wich das Kind zurück und versuchte den Kopf am Busen der Mutter zu verbergen.

      »Oh, man ziert sich?« Fuxfell konnte einen winzigen Anflug von Ärger in Stimme und Miene nicht unterdrücken.

      »Es wird die Augenbinde sein, die ihr Angst macht, lieber Schwager«, sagte Durenald lachend. »Einäugige sind ihr bisher noch nicht begegnet.«

      »Nun, wenn ich ihr nicht gefalle, so finden doch vielleicht meine Gaben Gnade vor ihren Augen.« Fuxfell holte ein Bündel aus seiner Tasche, in dem es leise klapperte und das er nun behutsam öffnete. Es enthielt buntbemalte Holzfigürchen – Pferde, Reiter und Soldaten.

      Thalionmel hatte beim Klappern der Holzpüppchen den Kopf gewandt und beobachtete gebannt, wie Fuxfell eine winzige Soldatin (nach dem verschwenderischen Gebrauch von Silber- und Goldlack auf Helm und Panzer zu urteilen, wohl eine Rittfrau oder Obristin) aus dem Bündel klaubte und ihr zögernd reichte. Mit hellem Jauchzen griff sie danach. Fest schlossen sich die kleinen Finger um das blinkende Ding, und dann begann sie wie wild zu fuchteln und zu hopsen.

      »Ja, das ist ein Spielzeug nach deinem Geschmack, kleine Kriegerin!« lachte Kusmine. »Und wenn du erst etwas größer bist, wirst du auch richtig damit spielen können. Danke, Zordan«, wandte sie sich an ihren Bruder, »du siehst ja selbst, welche Freude du ihr gemacht hast.« Wie, um die mütterlichen Worte zu bekräftigen, streckte der Säugling fordernd die leere Linke aus, und die Fingerchen griffen und streckten sich nach etwas Unsichtbarem.

      »Nun, dann laß mich einmal schauen, was ich für das andere Händchen habe«, sagte Fuxfell, während er in dem linnenen Beutel kramte. »Wie wäre es mit diesem verwegenen Söldner?« Er reichte Thalionmel das bunte Figürchen. Gierig griff sie danach, doch plötzlich schleuderte sie mit einer gleichzeitigen heftigen Bewegung beider Arme Obristin und Söldner weit von sich, wobei sie ihren Onkel nur um Spannbreite verfehlte. »Wie kann man nur so ungezogen und undankbar sein?« fragte Fuxfell leise. Einen Wimpernschlag lang funkelte Zorn in seinem Auge. Dann bückte er sich, um die Figürchen aufzuheben. »Für heute ist es wohl genug«, meinte er, während er sie zurück in den Beutel legte.

      »Ach, Schwager, nehmt es ihr nicht krumm, sie weiß doch gar nicht, was sie tut.« Durenald lächelte freundlich. »Aber zeigt mir einmal die Püppchen – sie scheinen ja ganz allerliebst zu sein.« Vorsichtig leerte er den Beutel auf den Wickeltisch und stellte den Inhalt auf. Er enthielt eine winzige Streitmacht, bestehend aus Rittern und Rittfrauen samt ihren Streitrössern, Knappen, Pikenieren und Bogenschützen. Aber auch die Gegenspieler der tapferen Soldaten kamen nun zum Vorschein: ein Oger, zwei Trolle, eine Handvoll Orks und eine Schar abenteuerlich bewaffneter Räuber, zu denen auch der Söldner gehörte.

      »Wirklich ganz reizend«, sagte Kusmine, die ihren Gatten bei seinem Tun beobachtete. »Das wird bestimmt ihr liebstes Spielzeug werden, wenn sie alt genug dafür ist. Und bis dahin werde ich es gut verwahren – und vielleicht hin und wieder selbst damit spielen«, fügte sie lachend hinzu. »Da fällt mir ein«, sagte sie, als ihr Blick auf die hölzerne Räuberbande fiel, »daß ich dir« – sie schaute ihren Halbbruder an – »noch gar nicht erzählt habe, daß ich gestern mit meinen besten Leuten das Waldstück durchkämmt habe, wo du überfallen worden bist. Denn, so sagte ich mir: Wo zwei sind, kann auch leicht ein Nest sein. Aber wir haben keine Spuren eines Lagers entdeckt. Wahrscheinlich waren es wirklich nur die beiden, und sie haben so schnell wie möglich das Weite gesucht. Ich vermute, daß sie dir schon seit der Reichsstraße gefolgt sind. Du bist doch sicherlich …« Plötzlich hielt sie inne. »Wo ist dein Ring?« fragte sie überrascht. »Du trägst den Ring deiner Mutter nicht mehr?«

      »Mein Ring, oh …« Fuxfell war bei Kusmines Worten fast unmerklich zusammengezuckt. Nun betrachtete er seine Hand und knetete den ringlosen Finger. »Der Ring meiner Mutter …«

      »Waren das etwa auch die Räuber?« unterbrach ihn Kusmine.

      »Ja, gewiß, die Räuber«, antwortete Fuxfell erleichtert. Dann straffte er sich und legte so viel gerechten Zorn und heilige Empörung in Blick und Stimme, wie ihm möglich war und angemessen erschien. »Da du selbst das Gespräch auf den Verlust meines Ringes bringst, liebe Schwester«, begann er, »so muß ich dir leider sagen, und auch Euch, Schwager, daß ich in euren Wäldern nicht nur der teuersten Erinnerung an meine geliebte verstorbene Mutter beraubt wurde, sondern daß eure Räuber mir auch mein gesamtes Vermögen genommen haben, welches ich am Gürtel trug, so daß ich nun gleichsam als Nackter vor euch stehe.« Er seufzte tief.

      »Euer ganzes Geld?!« entfuhr es Durenald.

      »So ist es, Schwager. Die Strauchdiebe in Euren Wäldern haben mich ausgeraubt bis auf den letzten Heller.«

      »Gemach, Bruder!« Kusmine hob die Brauen, und ein leichter Anflug von Röte färbte ihre Wangen. »Du redest gerade so, als ob wir Schuld an deinem Unglück hätten, fast so, als wären wir verantwortlich für jeden Strolch, der die hiesigen Wälder unsicher macht. Doch hör mir zu: Erstens ist der Wald, in dem du überfallen worden bist, nicht der unsere. Er gehört dem Grafen, aber Durenald ist es gegen ein Entgelt an seinen Lehnsherrn gestattet, dort firungefällig zu jagen. Zweitens« – ihre Stimme wurde ein wenig schärfer – »halte ich mit meiner Bürgerwehr seit nunmehr fast zehn Jahren Durenalds Lehen weitgehend frei von Gesindel und Räuberpack, und drittens kann ich kaum glauben, daß sich in dem Beutel an deinem Gürtel dein gesamtes Vermögen befunden haben soll. Ich hab ihn ja gesehen – mehr als fünfzig Dukaten paßten gewiß nicht hinein.«

      »Vierunddreißig Dukaten, zwei Silbertaler und fünf Heller«, korrigierte Fuxfell finster, »dazu …«

      »So wenig?« rief Kusmine empört. »Was hast du mit dem Geld unseres Vaters angestellt?«

      »Unterbrich mich nicht, Schwester!« Auch Fuxfell hob nun die Stimme, »… das Geld also und dazu drei Schuldscheine über dreißig, neunzig und hundert Dukaten, so daß mein Vermögen, das die Räuber eurer Gegend mir genommen haben, sich auf insgesamt zweihundertvierundvierzig Dukaten, zwei Silberstücke und fünf Heller beläuft und ich somit das Geld unseres Vaters um mehr als vierzig Goldstücke vermehrt habe.«

      »Schuldscheine?« fragte Durenald. »Wie kommt Ihr an Schuldscheine in dieser Höhe? Verleiht Ihr Geld gegen Zinsen?«

      »Das nicht, werter Schwager, aber vielleicht wißt Ihr, daß ich gern und gut Boltan spiele, und das ist nun einmal ein Spiel, bei dem man nicht nur ein Vermögen verlieren, sondern auch gewinnen kann.«

      »Spielen …«, brummte Durenald,