Andreas von Arx

Heimweh Natur


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Stämme, die das Wasser bremsen. Schneemassen führen unweigerlich zu Lawinen, wenn kein Schutzwald sie zurückhält. Der Wald ist von Natur aus ein zentraler Bestandteil einer intakten Welt. Dies durfte ich als Kind mit all meinen Sinnen erleben und es hat mich tief geprägt.

      Reflexion zum Wald

      Wie bei einem Baum im Wald wird mir in der Kindheit ein Nährboden angeboten, in den ich meine Wurzeln schlagen darf. Ich bin umgeben von anderen, die mich versorgen und beschützen und meine Weitsicht bestimmen. Es wird mir vorgelebt, in welche Richtung ich wachsen und mich entfalten kann. Die Höhe und Weite meiner persönlichen Entwicklung fügt sich in den Rahmen meines Umfeldes ein. Im Gegensatz zu Bäumen habe ich jedoch Hände, um mein Leben nach eigenem Ermessen zu gestalten. Ich habe Beine, um den Nährboden zu suchen, der zu meinen Wünschen passt.

      In meinem Leben stelle ich mir laufend viele Fragen. Sie helfen mir, meine Wurzeln zu erkennen und meine Richtung des Wachstums zu bestimmen. Ich lade dich gerne ein, dir die folgenden Fragen zu stellen und mit Deinen Antworten neue Erkenntnisse zu gewinnen.

       In was für einem Umfeld bin ich aufgewachsen?

       Welcher Nährboden stand mir zur Verfügung?

       Wo fanden meine Wurzeln Halt und Kraft fürs neue Leben?

       Welche Entfaltungsmöglichkeiten wurden mir vorgelebt?

       Was und wer hat mich dabei inspiriert?

       Was verzaubert mich in einem Wald?

       In welchem Wald steht mein Lieblingsbaum?

       Wann laufe ich abseits vom Weg quer durch den Wald?

       Wo bin ich auf einen hohen Baum geklettert?

       Wann habe ich das letzte Mal einen Baum gepflanzt?

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      Stall nördlich vom Seebergsee

      KAPITEL 2:

      Meine Wünsche als Kind

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      «Die Natur hat nicht vorgesehen, unser Leben vorzubestimmen. Wir sind frei, es zu gestalten.»

      Träumen war für mich als Kind etwas Wunderschönes. Ich konnte mir die kühnsten Abenteuer ausmalen und in diesen Geschichten aufgehen. Es reichte für mich, die Augen zu schließen und das Gedankenspiel zu starten. Am wohlsten fühlte ich mich, wenn ich ganz für mich allein in der Natur war. Ich ließ mich irgendwo nieder und begann, die Wunschgeschichte in meinem Kopf zu gestalten. Wenn etwas nicht passte, spulte ich zurück und veränderte die Grundlagen. Es waren keine Helden- und auch keine großen Erfolgsgeschichten, sondern einfach ganz gewöhnliche Abenteuer eines Kindes, das die Welt entdecken will. Es gab aber auch Vorstellungen, über deren Ursprung ich auch heute noch rätsele. Eines war jedoch bei all diesen Träumen und Wünschen da: der Bezug zur Natur und vor allem zu den Bergen.

      Am Seil über Firne

      Ich vermute, dass bereits meine Großeltern einen wesentlichen Grundstein für meine Freude an den Bergen gelegt haben. Sie liebten es, als Stadtbewohner in der freien natürlichen Umgebung der Schweiz unterwegs zu sein und den Wald wie auch die Berge zu bewandern. Mir sind die legendären Frühlings- und Sommerwanderungen über Schneefelder am Seil und das Erklimmen von Alpen und Bergen noch gut in Erinnerung. Das Ziel war immer, draußen zu sein. Sogar bei wunderschönen Alphütten haben es meine Eltern vorgezogen, mit Windjacke und Wolldecke auf der Terrasse den bereits abgekühlten Tee zu trinken, als sich ins Innere der gemütlichen Stube zurückzuziehen.

      Wo immer wir ein Stückchen Schnee entdeckten, haben wir es betreten. Im Rucksack hatte mein Vater oft kleine Firngleiter dabei. Dies sind sehr kurze Ski, die mit Wanderschuhen genutzt werden können. Oben am Schneefeld angekommen wurden die Wanderschuhe mit Riemen am Ski festgezurrt und schon konnte ich auf dem Schneefeld heruntersausen. Elegant sah es natürlich nicht aus. Es war ein Abenteuer: keine Stöcke, Skier ohne Kanten, noch dazu vereister Schnee und keine Ahnung, wie ich bremsen sollte. Die Schneefelder lagen oft in einer steilen Nordflanke mit minimaler Sonneneinstrahlung, sonst wäre der Schnee schon lange weggeschmolzen. Dieser Segen war auch ein Fluch. Die erreichbare Geschwindigkeit war sehr hoch und das Ende abrupt: Meistens waren dort Felsen oder große Steinbrocken, die frei von Schnee waren. Die schnelle Suche nach Auswegen wurde zur Überlebensfrage. Waren die Skier nicht dabei, so haben wir uns einfach auf die Regenjacken gesetzt und sind auf dem Po hinuntergesaust. In der Ferienzeit war es üblich, dass wir mehrere Tage unterwegs waren und in SAC-Hütten oder bei Bauern im Stroh übernachtet haben. Damals war das Klohäuschen einer unserer beliebtesten Berghütten noch 20 Meter vom Haupthaus entfernt. Das Sitzbrett mit Loch stand über einer kleinen Felswand. Wenn dann eine Windböe zum falschen Zeitpunkt nach oben stieg, konnte man das Geschehen hautnah mitfühlen.

      Aussicht bis ans Ende der Welt

      Ich bin mir heute sicher, dass in meiner Kindheit der Heidi-Film aus dem Jahr 1978 mit den idyllischen Szenen von der Alp seinen Beitrag zu meiner Begeisterung für die Berge geleistet hat. Es gab für mich nichts Schöneres, als auf eine Anhöhe zu steigen und die Weitsicht zu genießen. Als Kind hatte ich dank dieser Aussicht die Möglichkeit, meine kleine Welt aus der Vogelperspektive zu betrachten und neue Horizonte zu entdecken. Ebenso half es mir, eine Karte im Kopf zu gestalten und mich damit im Gelände zu orientieren. Noch heute bin ich dieser Fähigkeit sehr dankbar. Bei noch so dichtem Nebel oder Schneegestöber fand ich bisher immer den richtigen Weg ins Tal zurück.

      Was mich in dieser Höhe mit Aussicht neben den Bergen noch mehr begeisterte, war die Sicht in den Himmel. Je mehr Himmel, desto besser. Das war für mein Träumen ein wichtiger Schlüssel. Er bot die grenzenlose Weite meiner Vorstellungskraft und Möglichkeiten, die doch im Rahmen meiner kindlichen Vorstellung blieben. Wo andere von ihrem Beruf oder ihrer Familie träumten, schwebte mir ein Leben in dieser urchigen, unberührten Natur vor. Im Alter von 10 Jahren schrieb ich diesen Traum in Bezug auf die Berge sogar in Form einer Geschichte in ein kleines blaues Heft. Mit der geschwungenen Handschrift eines Primarschülers beschrieb ich darin das Schicksal meines Lebens. «Ich erblinde in meinem jungen Leben in der Schule und ziehe als 19-Jähriger in ein Bergdorf mit Alpwirtschaft auf 1230 m ü. M. Dort lebe ich mit meiner Freundin und einem Bernhardiner als Holzverarbeiter in den Bergen.» Bis auf das Bergdorf und die Höhenmeter hat die Geschichte nichts mit meiner jetzigen Realität zu tun. Ich musste erst etwas älter werden, um in die Berge zu ziehen. Meinen Beruf habe ich dann doch nicht der Schreinerei gewidmet und einen Hund besitze ich bis heute nicht. Ganz besonders freut es mich, dass ich noch heute den Ausblick auf die Bergwelt mit beiden Augen genießen darf, farbig und klar. Trotzdem war dieser Wunsch nach den Bergen tief in mir verankert. Wenn ich mich in dieser Geschichte nur auf das Zutreffende fokussiere, so liege ich mit meinem heutigen Wohnsitz auf der Grimmialp mit 1230 m ü. M. gar nicht mal daneben.

      Gewitter vom Feinsten

      Gerade in den Bergen zeigte sich die Naturgewalt von ihrer kräftigsten Seite. Ein spezielles Highlight waren dabei Gewitter, die mich als Kind richtig aufgeladen haben. Während andere Familien sich bei einem Gewitter ins Haus zurückzogen, haben meine Eltern Stühle genommen und das Schauspiel am Himmel mit uns Kindern draußen bestaunt. Das Zählen der Sekunden zwischen Blitz und Donner zur Bestimmung der Entfernung des Gewitters wurde zum Familienspiel. Diese Helligkeit des Lichtes und die Wucht des Knalls elektrisierten jede Zelle meines Körpers. So heftig, dass ich mich noch heute an mehrere dieser Erlebnisse aus meiner Kindheit gut erinnern kann.

      Entstand während des Wanderns ein Gewitter, verging der Spaß. Eispickel weglegen und nicht unter einem Baum stehen ergab ja Sinn – doch konnte ich mir nicht vorstellen, dass man dem unkontrollierten Einschlag eines Blitzes irgendwie bewusst ausweichen konnte. Nicht nur wegen des Wetters lag Spannung in der Luft; in der Familie gab es bei diesem Wetter manchmal Unklarheit wegen