(1842–1910) untersuchte in seinem Buch »Die Vielfalt religiöser Erfahrung« religiöse Erlebnisse. Er war zwar kein Mystiker, betrachtete aber die Hinweise und schlussfolgerte, dass Mystik der Ursprung aller Religionen sei. Er definierte vier Eigenschaften mystischer Zustände:
1 Unbeschreiblichkeit, das heißt, nicht in Worte zu fassen. Die Erfahrung ist so ungewöhnlich, dass Worte nicht korrekt beschreiben können, wie tiefgreifend sie ist. Die Menschen versuchen vielleicht, ihre mystischen Erfahrungen zu beschreiben, aber Worte können das Ausmaß nicht wirklich vermitteln.
2 Die noetische Eigenschaft, das heißt, die Erfahrung wird durch die Suche nach Erkenntnis äußerst faszinierend. Sie ist mehr als eine logische Suche nach Erkenntnis und eher durch tiefe Gefühle motiviert.
3 Vergänglichkeit, das heißt, sie sind gewöhnlich kurz, aber bedeutungsvoll.
4 Passivität, das heißt, die Erfahrung vermittelt dem Betreffenden das überwältigende Gefühl, Teil einer höheren Macht zu sein. Dadurch kann es sein, dass er sich auf nichts anderes mehr konzentrieren kann.
Menschen, die Nahtoderfahrungen gemacht haben, beschreiben bei ihrem eigenen Erlebnis viele dieser Eigenschaften. Das taten auch diejenigen, die in der Geschichte religiöse Visionen hatten und Momente erlebten, in denen sie meinten, Gott spreche zu ihnen. Wie Sie auch immer zum Ursprung dieser kurzen Momente stehen, Menschen erleben sie, und sie führen zu massiven Veränderungen.
Zahllose historische Persönlichkeiten, von Harriet Tubman bis zu Jeanne d‘Arc, verliehen Offenbarungen aus dem Jenseits durch ihre weltverändernden Leistungen Glaubwürdigkeit. Es ist bekannt, dass der Maler Salvador Dalí regelmäßig seine Träume als Inspirationen für seine surreale Kunst verwendete. Oft nutzte er die Zeit zwischen Wachsein und Einschlafen, um Inspirationen für seine Gemälde zu bekommen. Es war bekannt, dass er stets einen Löffel in der Hand hielt, damit dieser in dem Moment, in dem er in den Halbschlaf, Hypnagogie genannt, glitt, zu Boden fiel und das Geräusch ihn aufweckte. Beim Aufwachen sammelte Dalí alle Visionen oder Bilder, die sich zu formen begannen, als er sich in diesem Zwischenstadium des Bewusstseins befand. Auch von Albert Einstein ist bekannt, dass er regelmäßig zwanzigminütige Nickerchen hielt, um sich mit dem Ziel, neue Ideen zu finden, nach innen zu wenden. Isaac Newton, der Vater der modernen Physik, interessierte sich sehr für die spirituelle Suche der Alchemie und hielt die Mystik für eine Erweiterung der Wissenschaft. Alle diese Personen veränderten die Welt, weil sie einfach das taten, wozu sie sich berufen fühlten. Das ist Intuition.
Der spirituelle Weg ist der Versuch, universelle Mysterien zu verstehen, die dennoch nicht ganz begriffen werden können. Betroffene haben häufig das Gefühl, nicht intelligent genug zu sein, um ihre Erfahrung in den Zusammenhang zu setzen, obwohl sie eindeutig real und sehr eindrucksvoll war. Mystische Aktivitäten sind sehr persönliche Praktiken, die das Ziel haben, einen tieferen Sinn im Leben zu finden. Von dem Weg, auf den sie uns häufig führen, profitiert die gesamte Menschheit. Mystik bietet eine direkte Verbindung zur Erkenntnis über die Natur des Daseins und die Wahrheit aller Dinge.
Manchmal wird die Mystik durch Interaktionen mit nicht-menschlichen Quellen der Einsicht oder einer höheren Macht motiviert. Harriet Tubman, die amerikanische Gegnerin der Sklaverei, führte Sklaven in die Freiheit, indem sie den Anweisungen ihrer Visionen folgte, von denen sie behauptete, sie seien ihr direkt von Gott gesandt worden. Sokrates bezog sich auf die Musen, unsichtbare Kräfte der Inspiration, die manchmal mit Menschen kommunizieren. Joseph Smith, der Gründer des Mormonentums, sah sich durch das, was er für eine Engelsbotschaft hielt, gezwungen, eine der erfolgreichsten modernen Religionen ins Leben zu rufen. Jack Parsons, der häufig nicht ausreichend gewürdigte Vater der modernen Raketentechnik, revolutionierte allein durch Intuition die Antriebstechnik. Er hatte keinen Universitätsabschluss, aber erfand die Brennstofftechnik, die den Menschen auf den Mond brachte.
Als ich zum Medium wurde, bemühte ich mich, so viele Hellseher und Medien zu besuchen, wie ich nur konnte. Ich saß mit mehr als zweihundert spirituellen Praktikern zusammen, was zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führte. Besonders fasziniert war ich, woher diese Menschen meinten, ihre hellseherischen Informationen zu erhalten, und ich war über die Vielzahl der Antworten erstaunt. Die meisten meinten, geistige Führer zu haben, andere behaupteten, den Geist, mit dem sie sprachen, direkt im Raum zu sehen. Manche erklärten, ihre Informationen aus anderen Welten zu erhalten, manche vom christlichen Gott, andere sagten, sie stünden mit alten Gottheiten in Kontakt. Man könnte über diese Idee und die scheinbaren Widersprüche bei alldem leicht spötteln, aber ich stellte fest, dass diese die Auslegungsweise spiritueller Verbindungen widerspiegelte. Menschen projizieren ihre vorgefassten Überzeugungen auf etwas, was jeden Glauben übersteigt.
Bei allen diesen Beispielen geht es um die Kommunikation mit höheren Mächten, auch wenn niemand wirklich sagen kann, wer der Ursprung all dieser mystischen Momente ist. Ein Christ könnte eine mystische Erfahrung als von Jesus stammend wahrnehmen, während ein Spiritist sie einem Geist zuschreiben könnte. Das repräsentiert die unfassbare Natur mystischer Erfahrungen: Sie sind nicht in Worte zu fassen, und wir werden den wahren Ursprung nie begreifen können. Vielleicht ist es auch nicht unsere Aufgabe, den Versender der Botschaft zu verstehen, sondern vielmehr, die Botschaft in die Tat umzusetzen.
Die Mystik ermuntert zur bewussten Erkundung aller Realitätskonzepte, die man sich nur vorstellen kann. Selbst die zynischsten Wissenschaftler tun sich schwer, eine materialistische Sicht der Realität beizubehalten, nachdem sie die Präsenz des großen Unbekannten wahrgenommen haben. Der Neurochirurg Eben Alexander musste nach seiner Nahtoderfahrung, die er in seinem Buch »Blick in die Ewigkeit« (Heyne Verlag, München 2016) wortgewandt beschrieb, mit einem massiven Perspektivwechsel erst einmal zurande kommen. Wie zu erwarten, werden mystische Erfahrungen von der wissenschaftlichen Welt nicht in Betracht gezogen, einfach weil sie mit wissenschaftlichen Methoden nicht nachweisbar sind. Aufgrund ihrer metaphysischen Natur übersteigen mystische Erfahrungen typischerweise Worte, Vernunft und rationale Erklärungen. Sie sind unbeschreiblich und ohne die Hilfe höherer Mächte unmöglich herbeizuführen. Mit diesem intimen Wissen aus erster Hand nähert sich der Mystiker einer spirituellen Vereinigung mit einer höheren Macht und einer inneren Wirkung auf das Selbst. Menschen sind für immer verändert, wenn sie einen Blick ins große Jenseits geworfen haben. Uns wird klar, dass wir ein kleines Teilchen in einem größeren Puzzle sind, und das führt zu irreversiblen Wahrnehmungsverschiebungen, die unsere Definition von Realität verändern.
Mein eigener kurzer Blick auf diese Wahrheit hat dazu geführt, dass ich mein Leben änderte. Er hat meine Prioritäten drastisch beeinflusst und auch, wofür ich keine Zeit mehr vergeude. Menschen mit Nahtoderfahrungen berichten häufig, durch die Erkenntnis eines größeren Zusammenhangs für immer verändert zu sein. Oft erklären sie auch, sich motiviert zu fühlen, ihr Wissen anderen Menschen mitzuteilen. Irgendwie erhalte ich durch jeden Geist, mit dem ich kommuniziere, Einblicke, wie der Todesprozess das Bewusstsein verändert. Das hat dazu geführt, dass ich meinen eigenen anders sehe, und was ich mit der Zeit, die ich auf diesem Planeten habe, anfangen möchte.
Wenn man ein auf das Universum ausgerichtetes Leben führt, streift man alles ab, was nicht real ist und uns nicht weiterbringt, weil wir einen Blick in unsere ewigwährende Natur werfen. Spirituell zu leben, ist ein individueller Weg, und nur Sie selbst können den Pfad erkennen, auf dem Sie unterwegs sind. Ob Sie die mystische Natur der Realität erkennen oder nicht, sie existiert seit Urzeiten und für immer. Weder der wissenschaftliche Fortschritt noch die physikalischen Erklärungen der Wissenschaft haben die Menschen davon abgehalten, mystische Erfahrungen zu machen. Mystiker wurden geboren, werden geboren und werden auch in Zukunft geboren. Daran ändert sich nichts. Deshalb können wir genauso gut einen Blick auf die Mechanismen hinter dem Spirituellen werfen und uns bemühen, diese besser zu verstehen. Mit dieser Erkenntnis lernen wir uns auch selbst besser kennen. Wenn Sie die Realität des Ganzen erkennen können, beginnt sich das Leben zu verändern. Das ist der Weg zur Selbstwerdung.
Manche Menschen fühlen sich mit der unsichtbaren Welt stärker verbunden als andere. Als Medium werde ich oft gefragt, ob meine Fähigkeit in meiner Familie liegt. Soweit ich weiß, bin ich der Einzige. Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass spirituelle Neigungen auf Anlage und Umwelt zurückzuführen sind. Unsere Umwelt formt unsere Empfänglichkeit