Norbert Wibben

Raban und Röiven Rückkehr dunkler Zauberer


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geht es auch gar nicht speziell um euch. – Im letzten Sommer sollten alle Fithich vernichtet werden. – Möglicherweise gibt es einen Hinweis in der Zeitung.«

      »Ja. Einverstanden. Ich prüfe vorher noch einmal, ob dort oben, wo das Nest war, nicht doch ein Hinweis, oder eine Nachricht von Zoe zu finden ist. Bisher hatte ich nicht so genau nachgesehen, da ich meinte, hier nicht am richtigen Ort zu sein. Und es war noch nicht so hell wie jetzt.«

      »Gut. Das solltest du unbedingt machen. Aber lass mich deine Sinne nutzen, damit wir gemeinsam nach Hinweisen suchen können. Vier Augen sehen mehr als zwei, obwohl ich dann deine mitbenutze.«

      Raban liegt bereits auf dem Boden, entspannt sich und schließt die Augen. Er konzentriert sich auf seinen Freund und sendet seine Gedanken aus.

      »Röiven, mein Freund. Lass mich deine Sinne nutzen.«

      Sofort antwortet dieser:

      »Was soll denn diese unnötige Anrede. Ich weiß doch, was du willst. Hey, das kribbelt. Was machst du? Oh, ich sehe nichts mehr. Wieso? W... was machst du mit mir? – Puh, jetzt kann ich wieder sehen. Ich hatte vergessen, wie sich das anfühlt und abläuft. Dann werde ich jetzt nach oben fliegen.«

      »Einen Moment, ich muss mich erst wieder an den anderen Blickwinkel gewöhnen. Es ist etwas verwirrend, gleichzeitig in zwei fast entgegengesetzte Richtungen sehen zu können. Kannst du dich mal umschauen und dabei ein Auge schließen? Danach machst du das Gleiche, wenn beide Augen offen sind. So gewöhne ich mich dann sicher einfacher daran.«

      »Aber das sieht doch vollkommen blöd aus, wenn ich ein Auge geschlossen habe.«

      »Komm, mach schon. Hier ist außer uns doch keiner!«

      Nachdem der Rabe so verfahren ist, fordert der Junge ihn auf, nach oben zu fliegen.

      Nach kurzer Zeit ergänzt er: »Fliege bitte vorsichtig und ändere nicht so oft die Richtung. Mir wird etwas komisch.«

      »Ich muss doch den Ästen ausweichen, anders geht das nicht«, knarzt es in Rabans Kopf.

      » – Oh, gut. Du bist gelandet«, antwortet der Junge sofort erleichtert. »Jetzt schau dich um.«

      Langsam ändern sich die Eindrücke, die von den Augen des Kolkraben an den Jungen übertragen werden.

      »Ich finde nichts Außergewöhnliches«, meldet sich der Vogel, als er den Rundumblick beendet.

      »Mir ist auch nichts aufgefallen. Schau doch auch noch auf die Zweige der Astgabel, in der das Nest fixiert war. Anschließend untersuche auch die Zweige, die sich direkt über dem Nest befunden haben.«

      Erneut ändern sich die Bilder, aber es gibt wieder nichts Besonderes.

      »Halt. Bitte schau noch einmal etwas zurück. – Gut, und jetzt gehe bitte etwas näher an den dicken Ast heran. Ob das etwas zu bedeuten hat?« Raban ist aufgeregt. Das Detail muss doch etwas bedeuten, aber was?

      »Also, mir sagt diese Spur in der Rinde nichts«, meldet sich der Rabe.

      »Auf den ersten Blick weiß ich auch keine Erklärung. Komm doch jetzt zu mir. Einen Moment, ich verlasse deine Sinne, bevor mir bei deinem Sturzflug schlecht wird. So, jetzt kannst du kommen.«

      Röiven landet neben dem Jungen auf dem Boden und schaut diesen mit schräg gelegtem Kopf an.

      »Du findest, diese Beschädigung des Astes ist wichtig?«

      »Ich glaube schon, dass sie das ist. Euer Nest befand sich in größerem Abstand darunter. Seid ihr jemals darauf gelandet und habt eure Krallen hineingegraben?«

      »Nein. Wir landen direkt auf dem Rand des Nestes. Es kann natürlich sein, dass wir darauf gesessen haben, bevor wir das Nest fertig gebaut hatten. Danach aber sicher nicht mehr.«

      »Das habe ich mir gedacht. Die Spuren in der Rinde sind aber frisch. Sie sind zwar den Abdrücken eurer Krallen ähnlich, trotzdem sind die Abstände zwischen den einzelnen Kratzern größer, als sie es bei euren Krallen sind. Hm. Ich muss herausfinden, was das gewesen sein könnte.«

      Doch nach einiger Zeit schüttelt Raban den Kopf.

      »Es fällt mir nichts ein. Wir sollten jetzt in mein Zimmer wechseln. Nachdem ich, will sagen: wir, gefrühstückt haben, schau ich mir die Zeitung an. Danach werde ich erneut überlegen, was die Spuren bedeuten könnten. Manchmal ist es gut, eine Pause in den Überlegungen zu machen. Die Lösung fällt anschließend oft um so leichter.«

      Der Junge nimmt seinen Haselstab, erhebt sich und der Rabe lässt sich auf seinem Arm nieder.

      Im selben Moment flirrt die Luft und der Platz ist verlassen.

      »Ich könnte Onkel Glen fragen, wer aus unserer Familie lebt und über Zauberkräfte verfügt. Dafür müsste ich aber seinen Aufenthaltsort kennen.«

      Der Kolkrabe hält den Kopf schräg und klappert mit seinen Augendeckeln. Er sitzt auf der Rückenlehne einer Bank, auf der Raban die warmen Strahlen der Frühjahrssonne genießt und in einer Zeitung liest. Sein Vater ist bereits zur Arbeit gefahren. Seine Mutter konnte von keinen Auffälligkeiten der letzten Zeit berichten. In der Politik gibt es zwar heftige Wortgefechte zwischen den Parteien, aber das ist normal. Andere Vorkommnisse bewegen sich ebenfalls nicht außerhalb des üblichen Rahmens. Die Anzahl von Unfällen oder Berichte über ungewöhnliche Vorfälle mit Tieren, insbesondere mit Vögeln, sind nicht besonders groß. Und auch das Wetter verläuft wie stets im Frühjahr. Trotzdem hofft der Junge, einen Hinweis in der Zeitung zu finden.

      Raban hebt den Kopf und blickt den Raben an.

      »Was ist? Du hast einen Onkel, weißt aber nicht, wo er zu finden ist?«

      »Ja, so ist es. Es ist der Vater von Grimur. Seit den unrühmlichen Taten seines Sohnes und nach dem Familientreffen, hat er sich völlig zurückgezogen. Ich weiß nicht einmal, ob er noch lebt.«

      »Dann überlege, wer es wissen könnte. Ich habe noch nicht alle Seiten und Artikel der Zeitung überprüft. Lass mich noch einige Zeit lesen. Einverstanden?«

      »Muss ich ja wohl«, brummelt der Rabe. »Aber versuche etwas schneller zu lesen. Vielleicht sind Zoe und unsere Kinder in Gefahr, und es zählt jeder Augenblick.« Der schwarze Vogel hockt zwar auf der Rückenlehne, kann aber vor Ungeduld und Sorge nicht still sitzen. Er wackelt mit dem Kopf, hält ihn schräg und dann wieder gerade, wandert ein paar Schritte zur Mitte und dann wieder zum Rand. Die Geräusche die er dabei von sich gibt, klingen überhaupt nicht nach einem Raben: »Pfff … hhhh … achhh … zzz …« Die Töne kommen gepresst heraus, so sehr steht das Tier unter Anspannung.

      »Ha. Jetzt weiß ich es«, jubiliert er plötzlich laut.

      Erschrocken blickt Raban ihn an:

      »Was ist? Was weißt du?«

      »Was mich an unseren Überlegungen stört. Warum sollte ein Fithich aus meiner Familie so eine schändliche Tat durchführen. NEIN. Das muss ein Mitglied einer anderen Familie getan haben, wenn überhaupt!«

      »Ich weiß nicht, wie sehr der Zusammenhalt in euren Familien ist. Bei uns Menschen kommt es gelegentlich schon vor, dass sie sich auch innerhalb einer Familie schlimme Dinge antun. Wenn du aber überzeugt bist, dass es so ist, wie du sagst, können wir diese Möglichkeit ausschließen. Dann ist es auch nicht wichtig, mit deinem Onkel Glen zu sprechen. – Ich bin gleich mit der Zeitung fertig. Gedulde dich noch wenige Augenblicke.«

      Erneut vertieft sich Raban in die Lektüre, während Röiven ungeduldig hin und her wandert.

      Einen Augenblick lang stutzt der Junge, als er einen kurzen Bericht liest, der eher eine kleine Randnotiz ist:

      »Rückkehr der Raben