Marc Short

Auf dem Pfad der Götter


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      Marc Short

      Auf dem Pfad der Götter

      1. Teil: Das Drachenschiff

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       1. Der letzte Held

       2. Tibor

       3. Liftar Masir

       4. Die Norne

       5. Der Schiffsgeist

       6. Vidar

       7. Helheim

       8. Zwiegespräch

       9. Duell

       10. Am Abgrund

       11. Vali

       12. Balders Schiff

       13. Schicksalsspeer

       14. Schicksalsfaden

       Glossar

       Nachwort

       Weitere Veröffentlichungen

       Impressum neobooks

      1. Der letzte Held

       Zitat 1. Buch: „Im Hafen ist ein Schiff sicher, aber dafür wurde es nicht gebaut.“ Seneca

      Kyrijas bernsteinfarbene Augen blickten auf ihn, den letzten Helden, der noch verblieben war: Liftar Masir. Der einstige Wikinger bekam in diesem Moment die Chance, wieder auf Erden zu wandeln und damit die Möglichkeit, die Welt der Lebenden noch einmal zu betreten. Doch der Einsatz dafür würde hoch sein. Zu hoch für einen Menschen, zu hoch auch für einen Helden Walhalls?

      Die Walküre breitete die langen, schmalen Arme aus. Aufgerichtet zur vollen Größe von über zwei Metern und geschmückt wie an einem Festtag, stand sie vor dem toten Helden. Golden fließender Stoff umschmeichelte ihren Körper in Wickeloptik, gehalten von Perlmuttfibeln. Arm- und Beinschienen zeigten sich bei ihren Bewegungen in glanzvoller Form. Ihr Haar war zu Zöpfen geflochten, die sich nach oben türmten und in einem Dutt endeten. Spangen und Haarnadeln gaben dem Kunstwerk halt. Liftar Masir begegnete ihrem Blick und er ließ ihre hell funkelnden Augen selbst dann nicht los, als die seinen zu verbrennen drohten. Als sie mit volltönender Stimme zu sprechen begann, sah er die Bilder zu ihren Worten in ihren Augen. Ob Einbildung oder nicht, war egal. Was er darin erblickte, zählte.

      „Bei Ragnarök, der Götterdämmerung, kam es zum letzten Kampf der Unsterblichen. Die Götter und die Riesen kämpften, bis die Welten im Chaos untergingen. Im Weltenbrand, der den Weltenbaum bis auf eine letzte Wurzel vernichtete.

      Asgard, die Welt der Götter und Midgard, die Welt der Menschen verbrannten. Die Götter schlachteten sich in Zweikämpfen mit Lokis Kindern und den Riesen ab. Tod und Blut waren, was am Ende blieb. Der Abgrund, das Totenreich Hel, öffnete sich und verschlang die letzten Überreste der Toten.

      Asgard, das einstige Land der Götter, verschwand in den Urwassern und man dachte, damit sei es für ewig getan. Doch eine neue, unschuldige Welt erhob sich.

      Das Leben und die Lebenskraft, so sagt man, hatten den Kampf in Urds Brunnen unter dem Weltenbaum überlebt. Und sie wurden die Gründer der Neuen Welt, Vater und Mutter der Menschen. - Und du mein letzter aller Helden weißt, dass dies wahr ist.“

      Bei den letzten Worten riss sich Liftar Masir vom Blick der Walküre los. Der Mann, ein Hüne von Gestalt, der in seinem früheren Leben das Amt eines Stammesführers der Wikinger geführt hatte, nickte stumm und in sich versunken. Er wusste, warum sie ihm das erzählte, weswegen sie ihn zu sich gerufen hatte. Sie, eine Walküre aus der alten Zeit.

      „Ja, du ahnst, worauf es hinaus läuft. Was ich dich frage, wird dir eine große Bürde auferlegen. Doch es ist meine letzte Bitte.“

      „Meine oberste Schildjungfer, konnte ich dir je einen Wunsch abschlagen?“

      Er erinnerte sich an die Walküre und an die Überlieferung, die ihm sein Vater einst erzählt hatte: Nach einer großen Schlacht ritten die Walküren über das Kampffeld und wählten die tapfersten der Krieger aus, um sie nach Walhall zu geleiten. In dieser Zeit spiegelte sich das Licht des Mondes in ihren Rüstungen und schuf so das Polarlicht. Als Nordlicht hatte er seine Schildjungfer in der Nacht eines im nahen Norden tobenden Krieges gesehen und gewusst, dass die Geschichte seines Vaters wahr war. Er schickte ein Gebet zu Himmel, für den tapferen Krieger, der in dieser Schlacht gefallen war.

      Am Tag vor seinem Tode hatte er sie wieder gesehen – als Schatten war sie durch den Nebel geritten und hatte ihm zum ersten Mal ihren Namen geflüstert, der seine Kraft und seinen Mut stärken sollte. Liftar und die Seinen erweiterten in der kommenden Zeit ihre Siegeszüge. Über den Rhein waren sie bis nach Frankreich vorgedrungen und hatten wichtige Handelsplätze überfallen. Dann war die Zeit für ihn gekommen: Im Jahre 845 nach Christus war er in der großen Schlacht bei Paris im Westfrankenreich gefallen. Als das Schwert des Gegners sein Herz durchbohrte, hatte sie begonnen ihren Namen zu singen: Kyrija. Sie hatte seine Seele aufgefangen und nach Walhall geführt. Dank seinem und vieler anderer Opfer waren sie wiederholt siegreich gewesen. In Valhöll hatte ihm die Walküre dies erzählt und dass zum ersten Mal das Danegeld – in Höhe von 7.000 Pfund Silber - erhoben worden war. Damit hatte er seinen Teil zur Entstehung der Schutzgelderpressung beigetragen. Er wusste nicht, ob er darauf stolz sein sollte und seine Augen verengten sich, als die Erinnerung bildhaft wurde. Aus der Vogelperspektive sah er das Geschehen und kämpfte gegen die feuchte Regung in seinen Augen. Kyrija, dachte er. Sie musste fühlen, was er fühlte, sehen was er sah, doch sie sprach weiter, als wäre das nicht der Fall.

      „Dir allein obliegt die Entscheidung, ob du meiner Bitte nachkommst, um sie zu erfüllen, oder ablehnst“, sagte die Walküre. „Wisse dabei: Du bist der Einzige, den ich noch fragen kann. Der letzte Held. Alle anderen haben versagt und die, die verblieben sind, würden versagen. Es ist dein Blut, das die Entscheidung bringen wird. So haben die Nornen es mir geflüstert, so wird es sein. Nur, in diesem Fall können die Nornen die Geschichte nicht schreiben. Das ist das Besondere, das andere, ich würde sagen, das Unerklärliche und Gefährliche. Du musst sie also selbst schreiben, diese Geschichte auf Midgard, auf Erden.“

      "Warum sollte ich diese Aufgabe übernehmen, warum nicht eine deiner Schildmaide, die es auf Midgard gibt, die dort Wache halten?", fragte