Lars Burkart

Parasit


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ungläubig mit weit aufgerissenen Augen. Wahrscheinlich wäre er ewig so stehen geblieben, hätte das Wesen nicht seinen schlangenartigen Kopf gehoben und mit seinen scharfen Zähnen versucht ihn zu packen.

      Sein Atem war flach, unregelmäßig und keuchend, dennoch kreischte er laut. Seine linke Faust prügelte auf das Wesen ein, das sich bereits um seinen rechten Arm gewunden hatte. Panisch und kopflos rannte er durch das Badezimmer, rutschte fast auf dem Wannenvorleger aus und hämmerte schließlich seinen umschlungenen Arm heftig gegen die Wand. Die Verzweiflung und Angst verdeckte zuerst noch den eigenen Schmerz, aber der kam mit jedem Schlag mehr durch. Nach einem Dutzend dieser Schläge schrie er noch lauter. Dennoch machte er weiter. In seinem Kopf existierte nur ein Gedanke: Dieses Vieh muss runter von meinem Arm!

      Endlich platzte es unter seinen Schlägen auf und warme, schwarze Flüssigkeit spritzte ihm ins Gesicht. Die Eingeweide, ekelhaft und schwarz, hingen zuckend an den Fliesen. Steve kreischte und hämmerte den Arm unaufhörlich gegen die Wand.

      Nur schwer bekam er sich wieder unter Kontrolle. Er zitterte immer noch sehr stark. Endlich ließ er seinen rechten Arm sinken; der ein einziges Epizentrum des Schmerzes war. Blutunterlaufen war er, allerdings konnte er nicht wissen, ob es mehr von ihm oder mehr von diesem Vieh war. Es hatte sich miteinander vermischt und war eine dunkelbraune zähe Soße geworden. Außerdem war der Arm derartig angeschwollen, um mehr als das doppelte an Umfang. Und tat es noch.

      An die Ereignisse dieser und der kommenden fünf Minuten sollte er sich erst sehr viel später erinnern können. Irgendwann wurde ihm schwarz vor Augen und er stürzte in eine tiefe Ohnmacht.

      Der Körper des anderen Polizisten wehrte sich nicht gegen seinen Eindringling. Er wurde, wie seine Frau und auch die beiden gemeinsamen Kinder, Sklaven des Wesens.

      Richie lief durch den stillen nachtschwarzen Wald. Er war allein. Die Bäume, die aus der Dunkelheit heraus auftauchten, schienen zu krächzen und zu stöhnen und mit ihren vertrockneten, abgestorbenen Ästen nach ihm zu greifen. Er beschimpfte sich wegen seiner kindischen Furcht. Der Wind pfiff. Es regnete förmlich Bindfäden.

      Er verließ den Trampelpfad und bahnte sich, während Zweige und Äste ihm in sein Gesicht, an den Hals, an seine Brust, den Bauch und an die Beine schlugen, einen Weg durch das Dickicht. Seine Schlammverdreckte, von Dornen zerfetzte Hose hing nutzlos an seinen dürren Beinen.

      Er stürzte einen Abhang hinunter, rappelte sich wieder auf, lief eilig weiter.

      Die Füße trugen ihn zu seiner Behausung. Sie kannten den Weg ganz genau, obwohl er noch niemals in diesem Teil des Waldes war und auch keinen blassen Schimmer hatte, wo und was seine Behausung nun eigentlich war.

      Regenwasser lief ihm von der Stirn in die Augen und ließ seine Sicht verschwimmen.

      Er lief und lief, schließlich gelangte er an einen alten umgestürzten Baum. Wo einmal dessen Wurzeln gewesen waren, bevor ein lange zurückreichender Sturm ihn umgeworfen hatte, war jetzt ein dunkles Loch, aus dem ein bestialischer Gestank drang. Schon einmal hatte Richie ihn wahrgenommen. An seinem Meister.

      Mit einem beherzten Sprung war er unten. Dreckiges schimmeliges Wasser spritzte auf.

      An einer Wand des Wurzelloches versteckte sich, unter dicht wucherndem Moos und herabhängenden verrottenden Baumteilen, ein dunkler Eingang. Dort strömte der Gestank nach draußen; mit der Wucht eines Hammerschlages.

      Richie ging in die Knie, zog den Kopf ein und quetschte sich in den engen Durchgang.

      Nach ungefähr zwanzig Metern auf allen vieren glaubte er, ein schwaches, rotes Licht über sich zu bemerken. Er sah noch oben und stellte erstaunt fest, dass der Abstand zwischen Decke und Boden groß genug war um aufrecht zu gehen.

      Ohne Angst ging er tiefer in die jetzt schwach rot beleuchtete Höhle hinein. Seine Augen tasteten suchend die Umgebung ab. Er sah das stinkende, schwarze Wasser in ergiebigen Bächen von Decke und Wände fließen. Über Unmengen an Tierkadavern ergoss es sich. Ein Bein, welches zur Hälfte abgenagt war, lag neben dem Kopf eines Hundes. Durch ein faustgroßes Loch in der Schädeldecke sah er die letzten Reste des Hirns.

      Noch tiefer in der Höhle wurde die Anzahl der Knochen größer. Fette Maden und Würmer stritten sich um die letzten übrig gebliebenen Fleischfetzen.

      Es machte ihm nichts aus. Er wusste, dass sein Meister Nahrung braucht und solange die Anzahl seiner Diener noch gering war, mussten es eben streunende, wilde Tiere sein.

      Er drang noch tiefer ein. Bis er schließlich vor einem hell erleuchteten, großen Raum stand. Ein brennender, übler Verwesungsgeruch stürzte sich ihm entgegen. Es stank zwar bestialisch, aber es lagen keine toten Tiere, oder abgerissene, angeknabberte Überreste von ihnen herum.

      „Pingelig sauber“, hörte er sich selbst sagen.

      Er trat ein und sah sich mit großen, glotzenden Augen ungläubig um.

      In der einen Ecke lag ein menschlicher Körper in einer riesigen Blutlache. Seine Haut war abgezogen. Sein freiliegendes Fleisch, die ebenso freiliegenden Muskeln glänzten feucht.

      Und in der Ecke gegenüber sah er ihn. Seinen Meister. In stiller Erwartung hatte er ihm den Rücken zugewandt.

      Sofort fiel Richie auf die Knie und ließ den Blick zu Boden sinken.

      Es drehte sich nicht um, doch er ließ seine Stimme ertönen: „Steh auf Richie! Du hast hervorragende Arbeit geleistet. Ich bin dir sehr zu Dank verpflichtet.“ Seine Stimme klang dumpf, mit einem Unterton, den Richie nicht ganz einordnen konnte. War es ein drohen? War es Gefahr? „Du warst mir bei der Erfüllung meiner Pläne sehr behilflich. Du hast es nicht nötig, im Drecke zu liegen. Du darfst mir auf andere Art den nötigen Respekt zollen. Steh jetzt auf!“

      Richie tat wie ihm geheißen.

      Endlich drehte sich das Wesen um und ließ bereitwillig zu, dass es aufmerksam gemustert wurde.

      Es hatte blaue Augen, das braune Haar war lang und verfilzt, sein Mund gaukelte ein Lächeln vor.

      Dann blickte Richie von seinem Meister zu dem menschlichen Kadaver in der Ecke.

      „Ja, es war einmal seine Haut gewesen. Er war ein Landstreicher und mein Körper, der jetzt ausgereift ist, brauchte eine neue Hülle. Eine mit der ich auch mal unter die Leute gehen kann.“

      „Ja, aber …“

      „Nichts aber! Unterbrich mich nie wieder, wenn du nicht augenblicklich getötet werden willst!“ Da schwang die Gefahr und die Drohung doch sehr viel deutlicher mit.

      „Ich brauchte seine Haut und er hat sie mir geliehen. Hahaha“, nach einer kleinen Pause, „ich glaube aber nicht, dass er jetzt noch Verwendung für sie hat. Du etwa, Richie?“

      Aber Richie schwieg lieber.

      „Als du mich das erste Mal gesehen hast, war ich noch im … ähm, wie sagt man bei euch? Säuglingsalter? Ja genau, im Säuglingsalter. Ich war nicht größer als ein Hühnerei und befand mich in seinem Gehirn. Ich rief diesen Unwürdigen, Jake, denn ich wusste, dass du ihn begleiten wirst. Ich habe euch zwei, aber ganz besonders dich, mein Freund, schon lange beobachtet. Ich wusste, ihr würdet mich gemeinsam befreien. Jake war nichts weiter als eine Nahrungsquelle für mich. Aber du Richie, du bist etwas Besonderes für mich. Du wirst mein getreuer Diener sein.“

      „Wer seid ihr? Was wollt ihr von mir?“ Richies Stimme zitterte wie Laub im Herbstwind. „Was ist das für ein abgefucktes Spiel?“ Er wollte nicht fluchen, doch es war schon über seine Lippen gehuscht, als es eigentlich noch ein Gedanke in seinem Kopf gewesen war.

      „Sachte, sachte, mein lieber Freund. Alles hübsch fein der Reihe nach. Am besten wird es wohl sein, wenn ich bei meiner Geburt beginne. Meine Mutter gebar mich in diesen ersten Körper. Wie hieß er doch gleich? Wilson? Nein, William? Ja, so hieß er. William Backer. Eigentlich eine miserable Wahl, aber sie hatte keine Zeit, mir etwas Besseres zu suchen. Während ich noch in ihm war, entwickelte ich mich weiter und gewann schon bald die Kontrolle über ihn.“ Seine Zähne wuchsen zur dreifachen