Klaus-Dieter Thill

100 Best Practice-Tipps für eine noch bessere Praxisorganisation


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Zentral-Abläufen kollidieren. Mit fortschreitender Sprechstunden-Dauer gerät die gesamte Praxisorganisation immer mehr in ein Defizit, das in unzufriedenen Patienten, Stress, kleinen Streitigkeiten, zunehmender Gereiztheit und Überstunden seinen Ausdruck findet. Doch das muss nicht sein! Best Practice-Organisation ist immer eine Symbiose aus strukturiertem ärztlichem Zeit- bzw. Selbstmanagement und den grundlegenden Arbeitsprozessen. Gut funktionierende Praxisbetriebe leben vor allem von koordiniert handelnden Team-Playern. Dazu zählen auch die Ärzte.

      Tipp 8: Überwindung der persönlichen Optimierungs-Abstinenz

      Neben einem zu wenig mit den Praxisabläufen koordinierten ärztlichen Zeitmanagement ist unter Praxisinhabern auch immer wieder eine grundsätzliche Zurückhaltung bei der Beschäftigung mit organisatorischen Problemen zu beobachten. Zehn Hauptgründe führen - isoliert oder kombiniert - hierzu . Aber erst ihre Überwindung ermöglicht eine unbefangene und offene Beschäftigung mit dem Thema:

      (1) Externe Beeinflussung: Organisations-Defizite werden als Probleme angesehen, die hauptsächlich durch Patienten und Administrations-Vorschriften verursacht werden. Praxisteams halten ihre Abläufe für richtig, sie greifen nur nicht - so die Meinung -, weil die Patienten sich nicht an die Organisations-Leitlinien der Praxen halten und die formalen Anforderungen, z. B. Dokumentationen, stetig zunehmen.

      (2) Zwei-Welten-Phänomen: Ärzte und Medizinische Fachangestellte haben aufgrund ihrer Arbeitsgebiete unterschiedliche Sichtweisen der Organisation. Solange Patienten sich nicht beschweren, sehen Praxisinhaber keinen Anlass für ein Überdenken des organisatorischen Gefüges.

      (3) Bereits erwähnt: die Suche nach der "großen Lösung“. Wird die Praxisorganisation als verbesserungsbedürftig erkannt, suchen Praxisteams oft nach besonders auffälligen Aspekten, die die Abläufe in größerem Umfang beeinträchtigen. Doch die existieren häufig nicht. Vielmehr führt die Summe einer Vielzahl kleinerer Fehler zu den Problemen. Schon die Neuorganisation des Empfangsprozederes für Patienten, mit der z. B. pro Stunde zehn Minuten eingespart werden, erbringt bei einem Acht-Stunden-Tag eine Gesamteinsparung von über einer Stunde.

      (4) Denkfalle Qualitätsmanagement: die Analyse und Dokumentation von Prozessen sowie die Erstellung von zugehörigen Checklisten bilden ein Kernstück des Qualitätsmanagements. Manche Praxisteams gehen davon aus, dass hierdurch bereits eine Optimierung erzielt wird. Doch häufig weichen Dokumentation und Umsetzung deutlich voneinander ab.

      (5) Angst vor Veränderungen und den Konsequenzen: einer der häufigsten Organisationsfehler ist das "Einschieben" unangemeldeter Patienten, die kein Notfall sind, in ein Termin-Bestellsystem. Diese Praktik beruht auf der Angst, Patienten bei Nichtannahme zu verlieren. Dass mit jedem eingeschobenen Patienten Terminpatienten durch die verlängerten Wartezeiten verärgert werden, wird dabei nicht gesehen. Hinzu kommt die Angst, etablierte und überschaubare Routinen aufgeben zu müssen.

      (6) Fehlende Methodenkenntnis: leiden Praxisteams aktiv unter organisatorisch bedingten Problemen, wird oft nichts unternommen, da Ärzte und Mitarbeiterinnen nicht wissen, wie sie die Problemursachen detailliert untersuchen und beseitigen sollen. Gleichzeitig möchten Ärzte keine externe Hilfe in Anspruch nehmen, da sie Kosten verursacht.

      (7) Trugschlüsse: Prozesse zur Organisations-Optimierung haben bei Ärzten ein schlechtes Image, da mit ihnen häufig der "Hamsterrad-Effekt" assoziiert wird. Man wehrt sich gegen die Vorstellung, möglichst jede Minute produktiv nutzen zu müssen. Der Blick dafür, dass es initial darum geht, das bestehende Arbeitsvolumen mit geringerem Aufwand und weniger Belastung zu erledigen, ist ihnen verstellt.

      (8) Bequemlichkeit: Mit Hilfe der Behauptung, dass die Organisation in anderen Praxen auch nicht besser sei, werden Veränderungen gar nicht erst in Angriff genommen.

      (9) Unzureichende Arzt-Mitarbeiterinnen-Kommunikation: Medizinische Fachangestellte sind aufgrund ihrer Aufgaben nah am Geschehen und haben dadurch den besten Einblick, welche Abläufe gut funktionieren und wo es zu Problemen kommt. Doch ein intensiver Informationsaustausch zwischen Praxisinhabern und ihren Mitarbeiterinnen, bei dem regelmäßig auch über die Funktionalität der Praxisorganisation gesprochen wird, existiert nur selten. So bleiben viele Optimierungsansätze unerwähnt und werden nicht umgesetzt.

      (10) Fehler des Personals: Nicht zuletzt besteht auch bei manchen Ärzten die Überzeugung, dass die Medizinischen Fachangestellten für Organisationsprobleme verantwortlich sind, z. B. aufgrund von Gleichgültigkeit oder fehlender Übersicht.

      Tipp 9: Stopp dem Tresen-Tourismus

      Viele niedergelassenen Ärzte sind Theken-Touristen. Sie verlassen durchschnittlich 46 Mal pro Tag ihr Konsultationszimmer und gehen an den Empfang, um dort Anweisungen zu übermitteln, Organisatorisches zu erledigen oder Unterlagen abzugeben. Bei einer mittleren Aufenthaltsdauer von 52 Sekunden ergibt sich hieraus ein täglicher Verlust an patientenbezogener Arbeitszeit von knapp 40 Minuten. Hierbei vergeuden die Praxisinhaber Zeit durch die Übernahme von Aufgaben, die originär in den Arbeitsbereich der Mitarbeiterinnen gehören. Auf das Jahr hochgerechnet und aggregiert ergeben sich dadurch gut 18 Arbeitstage, die ausschließlich mit Botengängen verbracht werden. Hinzu kommen weitere Negativ-Effekte:

      - durch die administrative Tätigkeit verkürzt sich die Vorbereitungsmöglichkeit auf das jeweilige Folgegespräch, das dementsprechend nicht mit einer sofortiger Konzentration auf den Patienten, sondern mit organisatorischer Vorarbeit beginnt,

      - in der Zeit am Empfang werden immer wieder schnelle Zwischendurch-Entscheidungen verlangt, die Entscheidungsqualität sinkt dadurch,

      - es ist keine Sekunden-Entspannung möglich (“Durchatmen”), so dass die Energie des Arztes im Tagesablauf schneller verbraucht wird,

      - Patienten erhalten das Signal, dass der Arzt sich nicht mehr mit dem vorhergehenden Praxisbesucher im Gespräch befindet und hoffen auf einen baldigen Aufruf, die Ungeduld wächst dadurch,

      - die Medizinischen Fachangestellten ergreifen die Möglichkeit, kleinere Probleme oder Fragen zu klären, die sie andernfalls selbst lösen müssten, selbständiges Handeln, das auch ärztliche Entlastung bedeutet, wird folglich nicht gefördert.

      Fazit: Arbeiten differenzieren und delegieren ist effizienter und patientenorientierter als transportieren.

      Tipp 10: Sorgfalt spart Zeit

      Es ist unumstritten: bei der ärztlichen Tätigkeit muss die Beschäftigung mit dem Patienten im Vordergrund stehen, alles andere ist Beiwerk und wird oft auch nebenbei erledigt. Doch dieses Verhalten kann die internen Abläufe und auch die Patientenbetreuung der Ärzte erheblich negativ beeinflussen. Die folgenden Äußerungen aus der Mitarbeiterbefragung einer Benchmarking-Praxisanalyse demonstrieren das Schädigungspotential und zeigen die Verbesserungsmöglichkeiten:

      - „…die Ärzte sollte deutlicher schreiben, z. B. bei handgeschriebenen Notfallzetteln und internen Formularen. Vor allem sollten die Papiere komplett ausgefüllt werden, das erspart beim späteren Eintragen viel Nachfragen und doppelte Zeit…“

      - „ …bei Hausbesuchen irgendwie dokumentieren, was besprochen wurde (Zettel, Tonband etc.), oftmals Änderungen der Medikamentengabe usw., später wieder Anrufe von Angehörigen, Altenheimen und Nachfragen, wir haben ja im PC nichts stehen, müssen also wieder nachfragen, bei so vielen Patienten geht so viel Zeit für eigentlich nicht notwendiges Nachfragen drauf.“ Die Beschreibungen verdeutlichen das - nicht nur bei Ärzten - weitgehend unberücksichtigte Zeitmanagement-Prinzip, dass sinnvoll eingesetzter Zeit-Mehraufwand zu einer sogar überproportionalen Zeitersparnis führt.

      Tipp 11: Produktivitätsfaktor Pünktlichkeit

      Die Klage von Arzthelferinnen über Praxisinhaber, die morgens regelmäßig zu spät, d. h. erst nach Sprechstunden-Beginn in die Praxis kommen, ist ebenfalls nicht selten. Dieses Verhalten führt dazu, dass jeder Arbeitstag bereits initial mit unnötiger Wartezeit startet