selbst. ”Einfach fantastisch! Berthaaaa!“
Nun konnte er seinen großen Garten überblicken. Er sah die Wiese, auf der er gestern erst ein Stückchen gemäht hatte; nun lehnte die Sense, als sei sie erschöpft von der Arbeit, schräg an der roten Ziegelsteinwand seiner Werkstatt. Die unter dem Kirschbaum grasenden Schafe blickten gleichmütig kauend zu ihm hinauf, während die Hühner sich angstvoll unter dem Treppenaufgang duckten. Onkel Kohlrabis Haus war von allen Seiten bewachsen mit Weintraubenranken. Hier oben neben der Regenrinne summten bereits die Bienen an den reifenden Weintrauben. Er wollte eine Traube abpflücken, aber noch bevor er seine Hand ausgestreckt hatte, war der Baum wieder einige Meter in die Höhe geschossen. Unter sich sah der Onkel jetzt das rote Dach seines Hauses in der Sonne leuchten. Allmählich wurde es ihm unbehaglich auf seinem Ast.
„Hilfe!“, brüllte er aus Leibeskräften. „Hiiiiilfe!“
Aus schwindelerregender Höhe ging sein ängstlicher Blick über die Dächer von Plunderland hinaus. Er sah das Rathaus mit dem Steinbrunnen davor, die Kirche, den Kindergarten und die Schule, aus deren Tor die Jungen und Mädchen gerade dem Mittagessen entgegeneilten. Auf den umliegenden Feldern brachten die Bauern das Korn ein. Oben am weiten Himmel blinkte ein silbernes Flugzeug und verschwand hinter einer weißen Wolke.
„Zu Hilfeee!“
„Georg!“, tönte die Stimme seiner Frau herauf, die am Fuße des Baumes stand und den Kopf in den Nacken legte, um ihren Mann besser sehen zu können.
„Hier oben sitze ich!“, jammerte Onkel Kohlrabi verzweifelt.
„Das darf doch nicht wahr sein!“, sagte Tante Bertha mit deutlichem Vorwurf in der Stimme.
„Doch“, sagte der Onkel kleinlaut, „es ist wahr. - Tu irgendwas, damit ich hier herunterkomme!“
„Was denn?“
„Hol die Leiter.“
In ihrer Aufregung lief Tante Bertha ins Haus und kam wenig später mit einer kurzen Holzleiter zurück.
„Doch nicht die kurze Küchenleiter!“ rief Onkel Kohlrabi vom Baum herunter.
„Welche denn?“
„Die lange Obstleiter hinter dem Haus natürlich.“
In diesem Augenblick kletterte ich über die Steinmauer und kam Tante Bertha zu Hilfe. Ich war sofort im Bilde. Gemeinsam schleppten wir die hölzerne Leiter zum machtvoll aufragenden Birnbaum, dessen schwere Birnen bedenklich hin und her baumelten, denn noch immer schienen die Äste zu wachsen. Aber auch die lange Leiter erwies sich als zu kurz: sie reichte nicht einmal bis zur Hälfte des massigen Stammes.
„Georg!“, tönte Tante Bertha, wobei sie ihre Hände wie einen Trichter vor den Mund legte. „Georg, hörst du mich?“
„Was?“
„Ob du mich hörst?“
„Nein, äh, ja. Natürlich höre ich dich.“
„Was soll ich jetzt machen?“
„Ich habe eine Lösung, Onkel Kohlrabi!“, ließ ich mich lautstark vernehmen.
„Picknick, mein Junge, was soll ich deiner Meinung nach tun, um möglichst schnell von hier oben herunterzukommen?“, hörte ich den Onkel rufen.
„Du musst auf den untersten Ast des Baumes klettern, um von dort den Schornstein des Hauses zu erreichen!“
„Ich traue mich nicht“, sagte Onkel Kohlrabi mit kummervoller Stimme.
„Dann musst du dort oben hocken, bis du schwarz wirst!“, schimpfte Tante Bertha mit berechtigter Empörung.
„Also gut“, sagte Onkel Kohlrabi, „ich will es versuchen.“
Schritt für Schritt bewegte er sich durch das Astwerk des Baumes, bog die großen Blätter und Birnen beiseite und arbeitete sich bis zur Spitze des untersten Astes vor, der nun, durch seine Kletterbewegungen, einige Meter über dem Schornstein des Hauses auf und ab wippte.
„Was jetzt?“, fragte er mit einem hilflosen Blick nach unten.
„Was wohl! Du musst springen!“, bellte Tante Bertha.
„In den Schornstein?“
„Na, wohin denn sonst?!“
Tante Bertha eilte mit wehender Schürze ins Haus.
Onkel Kohlrabi blickte in die viereckige gähnende Öffnung des Schornsteines und musste schlucken.
„Also schön“, sagte er schließlich. „Ich werde springen. Es gibt im Moment keine andere Lösung.“ Er zog seinen Hut tief ins Gesicht. Dann machte er es wie die Kinder im Schwimmbad, wenn sie vom Beckenrand ins Wasser hüpfen: er hielt sich die Nase zu und sprang in die Tiefe ...
„Berthaaaaaaaaaa!“, hörte ich ihn noch rufen, dann war er in dem Schornstein verschwunden und sauste hinunter ins Wohnzimmer seines Hauses.
„Georg, mein lieber Georg!“ Mit diesen Worten zerrte Tante Bertha den kohlrabenschwarzen Onkel aus der Kaminöffnung heraus. ”Ist alles heilgeblieben?“, fragte sie fürsorglich.
„Fast alles“, antwortete der Onkel mit schmerzgequältem Gesicht. „Ich muss sofort eine neue Flasche von dem Schnelltreibmittel anrühren.“
„Kommt nicht in Frage!“, bestimmte Tante Bertha streng. „Erst einmal wirst du in der Badewanne gründlich saubergeschrubbelt!“
Eine ganze Stunde lang bearbeitete die Tante ihren verwirrten Mann mit Seife, Bürste und heißem Wasser. Dann packte sie ihn ins Bett. ”Hier bleibst du solange, bis du mir versprichst, nie wieder dieses Mittel anzurühren.“
„Bertha, ich - „
„Ruhig. Jetzt wird geschlafen!“
Tante Bertha verschloss die Schlafzimmertür, zog den Schlüssel ab und steckte ihn in ihre Schürzentasche. ”Hier ist er sicher“, sagte sie und fragte mich: „Hast du Hunger?“
„Ja, und wie!“, antwortete ich.
„Komm, mein Junge. In der Küche steht der Eintopf noch auf dem Herd. Der wird dir schmecken!“
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