Karl May

Weihnacht von Karl May


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keine

       Kanonenkugel durch! Kennt dieser Mann seine Frau noch nicht! Sollte man das für möglich

       halten? Bin ich etwa eine Geizkatze, he? Sehe ich dir auf die Finger, wenn du Geld ausgiebst?

       Ist nicht alles, was wir verdienen, ebenso gut dein wie mein? Aber es ist mir nicht

       gleichgültig, wer in meinem Hause wohnt, und wenn du eine Christbescherung machst und

       meine Kleidungsstücke verschenkst, so will ich auch dabei sein und vorher erst gefragt

       werden! Den Kuchen, den du verschenkt hast, habe ich gebacken, und die Wurst habe ich mir

       langsam und mit saurer Mühe, weil das Schwein partout nicht fett werden wollte, heranfüttern

       müssen; da will ichs wenigstens wissen, wenn du etwas davon verschenkst! Also so etwas

       nicht wieder hinter meinem Rücken machen! Verstanden? Man muß nicht nur geben, sondern

       auch sparsam sein können! Und nun komm her, du alter überguter, offenhändiger Studente

       du! Da will ich dir nun auch etwas schenken, wenn es auch keine Speckwurst ist. Hier! Und

       damit gute Nacht!«

       Sie nahm ihn beim Kopfe und gab ihm einen Kuß von solcher Resonanz, daß er eigentlich

       eine volkstümlichere Bezeichnung verdiente. Dann ging sie wieder fort und machte die Thür

       nun wirklich hinter sich zu. Franzl sah ihr schmunzelnd nach, wischte sich den Mund mit dem

       Ärmel ab, schlug dann mit der Faust auf den Tisch und rief:

       »Hab ich's nicht immer gesagt, was für eine kreuzbrave Frau ich hab'? Wer eine andere

       Meinung von ihr hat, der mag nur herkommen; ich haue ihn zusammen, daß er sich selber

       nicht mehr finden kann! Das ist eine Frau, die sich gewaschen hat! Verstanden? Es giebt

       ihresgleichen nicht im ganzen, weiten Böhmerland! Wie hat sie mich geheißen? Du alter,

       überguter Studente du! Ja, die weiß, was für einen Mann sie an mir hat! Nicht so einen, der

       den Schnitt eines Buches nicht vom Rücken unterscheiden kann, sondern einen

       hochgebildeten und studierten Mann, der sein Latein versteht. Qui tangit picem,

       contaminabitur; so ist die Sache. Was sagen Sie dazu, meine lieben, hochgeehrten, jungen

       Freunde?«

       Ehe einer von uns beiden antworten konnte, stand Frau Wagner von ihrem Stuhle auf und

       sagte, indem sie sich mit der Hand über das schmerzlich verzogene Gesicht strich:

       »Auch ich habe gehört, was für eine brave Frau Sie haben und es thut mir leid, daß Sie sich

       meinetwegen beinahe mit ihr überworfen hätten. Müßte ich nicht Rücksicht auf meinen armen

       Vater nehmen, so würde ich noch diese Nacht, gleich jetzt, Ihr Haus verlassen; aber er muß

       und muß heut schlafen, wenn er morgen nicht im Schnee liegenbleiben und erfrieren soll.

       Dann werden wir Sie keinen Augenblick länger belästigen. Nehmen Sie meinen herzlichsten

       Dank, und leben Sie wohl, meine Herren!«

       »Aber, was fällt Ihnen ein?« versuchte Franzl, sie zu halten. »Sie haben ja gehört, daß meine

       Frau gar nichts dagegen hat, daß Sie hier bei uns bleiben. Sie dürfen sich den Kuchen und die

       Wurst nicht so zu Herzen nehmen; das hat sie nicht so schlimm gemeint, wie Sie es nehmen,

       und – – Da ist sie fort, hinaus mit ihrem Knaben! Klang das, was sie sagte, nicht etwas

       stolzer, als so ein nicht bezahlender Gast eigentlich sein darf, meine Herren?«

       »Sie thut mir leid, außerordentlich leid« antwortete ich.

       »Ich wollte, ich wäre reich, wenigstens wohlhabend genug, ihr helfen zu können. Sie wird

       früh, wenn wir aufstehen, mit ihrem Vater und mit ihrem Kinde verschwunden sein.«

       »Verschwunden? Fällt ihr nicht ein!«

       »O doch!«

       »Nein. Sie wird ausschlafen und dann Kaffee trinken; hernach werden wir sehen, ob der Alte

       fortkann oder nicht.«

       »Haben Sie nicht gehört, daß sie Lebewohl und nicht Gutenacht gesagt hat?«

       »Das ist nicht so wörtlich zu nehmen, wie Sie denken.

       Aber, Herr Capp – Carp – Carpio, was ist denn mit Ihnen? Was machen Sie für ein Gesicht?«

       Mein Busenfreund hatte die Ellbogen auf den Tisch gestemmt und das Gesicht in die Hände

       vergraben. Als er auf die Frage des Wirtes die Hände entfernte, sahen wir, daß seine Wangen

       bleifarben und seine Augen matt geworden waren. Die Unterlippe hing ihm weit herab.

       »Ihre – – Ihre – – Frau – – Frau!« seufzte er.

       »Was ist mit meiner Frau?«

       »Die ist schuld!«

       »Woran?«

       »Mir ist, als – – als – – als ob ich – – sterben müßte!«

       »Unsinn! Da ist die Cigarre schuld; die Virginias sind für Sie zu schwer gewesen.«

       »Nein – nein – – nein! Über Ihre Frau bin ich – – – so sehr erschrocken – – – aber nicht über

       die Virginias.«

       »Erschrocken? Warum denn eigentlich?«

       »Sie kam – – herein wie eine – – eine Furie!«

       »Ach was Furie! Meine Frau ist eine Seele von einer Frau und keine Furie. Da, nehmen Sie

       ein volles Glas, und trinken Sie es aus! Das ist das beste Mittel, wenn einen der Cigarrenteufel

       in den Magen beißt.«

       »Nein, nicht beißt, sondern hebt – hebt – – hebt und sogar um – – um – – umwenden will!«

       »Trinken Sie nur! Es hilft; ich weiß es genau.«

       Ich wußte nicht, ob das empfohlene Mittel wirklich anzuraten sei, denn meine Bekanntschaft

       mit dem Weine und seinen Wirkungen war damals genau so tief und umfassend, wie die

       Kenntnisse eines Eskimo über Datteln und Bananen; aber weil Franzl mit solcher

       Überzeugung zuredete, unterstützte ich seinen Rat, worauf mein Busenfreund das Glas leerte

       und dann wie ein Seekranker nach dem Kanapee wankte, um sich auf demselben

       auszustrecken. Ich bat den Wirt, uns schlafen gehen zu lassen; er aber erklärte lachend:

       »Fällt mir gar nicht ein! Wir bleiben noch recht hübsch beisammen. Ich muß die Gelegenheit

       ausnützen, denn an Ihr Wiederkommen darf ich doch nicht glauben, denn das mit dem

       Paschen war doch bloß Phantasie?«

       »Ja; es versteht sich doch ganz von selbst, daß wir keine Schmuggler sind. Wir haben pro

       Person zwei Cigarren in die Stiefel gesteckt, obwohl ich wußte, daß man mehr mitnehmen

       darf. Ich wollte Carpio nicht um das Vergnügen bringen, sich für einen staatsgefährlichen

       Menschen zu halten.«

       Da richtete sich der Genannte kerzengerade vom Kanapee auf und sprach mich mit hohler,

       drohender Grabesstimme an:

       »Ich staatsgefährlich? Ja! Wenn es mir so bleibt, wie es mir jetzt ist, so – – so – – kann es

       schrecklich werden,