Friedrich Ruckert

Rostam und Sohrab


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die sich am Boden wies;

      Bis die in Schilf und Rohr am Flusse sich verlor;

      Da ließ er sie und ging grad auf Samangans Tor.

      Nun in Samangan ward dem König angesagt:

      Held Rostam kommt, er hat im Türkenforst gejagt.

      Zu Fuße geht einher die lichte Kronenzier,

      Weil ihm entlaufen ist der Rachs im Jagdrevier.

      Der König, wie er dies vernahm, war er geschürzt,

      Dass nicht ein solcher Gast an Ehren sei verkürzt.

      Da zogen aufs Gebot des Königs alle Degen,

      Die Edlen all des Hofs dem Edelsten entgegen.

      Entgegen zog ihm, wer aufs Haupt nur einen Helm

      Zu setzen hatt’, und wer zurückblieb, war ein Schelm.

      Sie reihten feierlich sich um den Heldenglanz,

      Wie um der Sonne Haupt der Abendwolke Kranz.

      So führten sie zur Stadt das Licht der Ehren ein,

      Als eben über ihr erlosch des Tages Schein.

      5.

      Der König trat zu Fuß hervor aus dem Palast,

      Der Hofstaat um ihn her, entgegen seinem Gast.

      Er grüßt’ und neigte sich: Woher durch Wald und Feld,

      Und kein Begleiter ist mit dir, o Kampfesheld?

      Hast du den Tag vollbracht mit Jagd im Jagdrevier,

      Und suchest nun zur Nacht bei Freunden Nachtquartier?

      Wir alle sind hier nur auf deinen Wunsch bedacht,

      Und zu Befehle steht Samangan deiner Macht.

      Die Leben stehen dir und Güter zu Befehle;

      Die Edlen, Edelster, sind dein mit Leib und Seele.

      Was wünschest du? Es soll geschehen, o Pahlavan!

      Gebiet, was wir dir tun, und denk’, es sei getan!

      Held Rostam hörte gern die Rede sanft und zahm,

      Wohl merkt’ er, ihnen sei die Hand zum Bösen lahm.

      Er sprach: Abhanden kam der Rachs mir auf der Flur,

      Und hier bis an die Stadt geht seiner Tritte Spur.

      Wenn du mir diese Nacht ihn wieder schaffen kannst,

      So wisse, dass du Dank von mir und Preis gewannst.

      Doch wenn ihr mir den Rachs nicht werdet wieder schaffen,

      So sollen durch mein Schwert hier breite Wunden klaffen.

      Der König sprach erschreckt: Held ohne Furcht und Zagen,

      Wer dürfte wohl den Rachs dir zu entwenden wagen?

      Sei du mein Gast, lass dir den Ehrenbecher spenden

      In Frieden, und nach Wunsch wird sich die Sache wenden.

      Von Rostams Rosse bleibt die Fährte nicht verborgen;

      Wir schaffen dir den Rachs; gedulde dich bis morgen!

      Mit ungestümer Hast gelangt man nicht zum Fange;

      Mit sanften Worten lockt man aus dem Loch die Schlange.

      Drum sänfte deinen Zorn, kehr’ ein, und lass beim Wein

      Mit Herzen sorgenfrei die Nacht uns fröhlich sein!

      Wir bringen dir den Rachs, o tapfrer Kampfgesell,

      Wir bringen ihn, bevor der Morgen tagt, zur Stell;

      Uns sei die Hall’ indes vom Licht des Weines hell!

      6.

      Der Löwenmutige ward dieser Rede froh,

      Davon aus seiner Brust so Groll als Unmut floh.

      Es dünkt’ ihm gut, dass er zum Königshause ginge,

      Als wohlgemuter Gast zu Fest und Schmause ginge.

      Ihm gab den Ehrensitz der König im Palast,

      Auf Füßen dienstbereit stand er vor seinem Gast.

      Die Häupter aus der Stadt, die Häupter aus dem Heer

      Berief und pflanzt’ er beim Gelag um Rostam her.

      Den Köchen er befahl, von allen guten Dingen

      Gerichte zu der Wahl des Helden herzubringen.

      Da ward hereingebracht ein ausgesuchtes Mal,

      Der Silberschüsseln Pracht und goldner Schalen Zahl;

      Aus China war beim Fest chinesischer Pokal.

      In diesem ward kredenzt Wein unter Lautentönen

      Von rosenwangigen gazellenaugigen Schönen.

      Sie mengten Saitenspiel und Wein mit Schmeichelei,

      Damit nicht ungemut der Hochgemute sei.

      Er hörte seine Lust und schaute sein Vergnügen

      Und trank den frohen Mut dazu in langen Zügen.

      Mit allen Sinnen so schöpft’ er des Festes Wonne,

      Ihm strahlte sein Gesicht bei Nacht wie eine Sonne.

      Und allen, welche da das helle Angesicht

      Des Helden leuchten sahn, ward’s in der Seele licht.

      Die Becher ließ er nicht die ungetrunknen säumen;

      Und als er trunken war, dacht’ er den Sitz zu räumen.

      Da war bereit für ihn, gewölbet kühl und luftig,

      Ein Schlafgemach, von Musk und Rosenwasser duftig.

      Im kühlen Schlafgemach verschlief auf seidnen Decken

      So Müdigkeit als Rausch Rostam, der Feinde Schrecken.

      7.

      Um Mitternacht, wenn sich des Poles Wagen drehn,

      Ward leises Wort gesagt bei leiser Tritte Gehn.

      Geräuschlos aufgetan ward Rostams Ruhgemach,

      Mit Staunen ward der Held beim Glanz von Fackeln wach.

      Tahmine stand vor ihm, bestrahlt von Stein und Gold,

      Die Königstochter von Samangan wunderhold.

      Ihr standen beiderseits mit Fackeln Dienerinnen;

      Sie strahlte hell vom Glanz der Fackeln und der Minnen.

      Der Reiz der Jugend war in den der Scham getaucht,

      Der Wangen Lilien von Rosen überhaucht.

      Doch im Rubinenschloss des Mundes lag bewahrt

      Geheimnis liebliches, für diese Nacht gespart.

      Er richtete sich auf und staunte lang und tief,

      Indem er Preis ob ihr und ihrem Schöpfer rief.

      Er fragte sie und sprach: Wie, Holde, nennst du dich?

      Und was in finstrer Nacht zu suchen kommst du, sprich!

      Zur Antwort gab sie ihm: Tahmine ist mein Name,

      Gespalten ist mein Herz von einem tiefen Grame.

      Ich bin des Schahes von Samangan einzig Kind,

      Von Kindheit auf im Lauf der Neid von Hirsch und Hind;

      Sie holen mich nicht ein, mich holt nicht ein der Wind.