Margarete Hachenberg

Die steinernen Türme


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      Die Lebensmittel waren sehr teuer geworden und so konnten sie sich nichts kaufen, nicht einmal das Notwendigste. So ging es vielen anderen Thierdorffern auch.

      „Dieses Weib hat sich die Schürze gefüllt. Was sie mit in die Hütte nimmt, kann ich nicht sehen. Sicher hat sie da einen Vorrat.“

      Direkt gegenüber Huprechts Haus lag das von Agathe und Thönges. Greth und Huprecht grüßten herüber. Agathe winkte sie arglos zu sich.

      „Tach, wie geht es Euch?“ Gerade war Agathe im Begriff, ihre Hütte zu betreten. Im Stall nebenan quiekten Schweine und Kühe, die Hühner liefen über die lehmige Erde im Wohnraum der Küche.

      Greth schielte in den Wohnraum. Kleine Töpfchen aus Holz standen fein aufgereiht mit Gewürzen auf einem Regal und vorne hingen Kräutersträuße kopfüber nach unten. Aus dem eisernen Kessel über dem Feuer duftete es köstlich. Darüber hing ein Stück Schinken an der Decke, um es zu räuchern.

      „Kommt herein“, lud Agathe die Nachbarn ein. Agathe schritt beschwingt zum hölzernen Tisch und nahm sich ein Messer, schnitt die Schalen der Zwiebel ab und dann die Zwiebel in kleine Stückchen und warf die Pilze hinterher in den Topf. Kleine Laibe Brot lagen bereits im Feuer. Sie brauchten etwas mehr Zeit. „Heute seid ihr meine Gäste. Gleich ist das Essen so weit.“ Agathe lächelte zu Greth und Huprecht hinüber.

      Greth sah sich weiter um. Neben einem Holzfass lehnte ein Reisigbesen. Grob gezimmerte Stühle standen um den dunklen Eichentisch, an den sie sich setzten. Auf der anderen Seite des Fasses lehnte eine lange Leiter, die hoch zum Heuboden führte. In der Mitte des Raumes lagen Holzscheite übereinander gehäuft, die lichterloh brannten und die Hitze unter den eisernen Topf brachte, der an einer rasselnden Eisenkette an der Decke hing. Hühner pickten die Körner vom Boden.

      Dann schaute Greth zur Öffnung der Hütte hinaus. Vor zwei nebeneinander stehenden Hütten gegenüber wuchsen Bäume, vor denen Gänse und Hühner schnatterten und gackerten. Schweine schnüffelten mit ihren rosa Rüsseln, die Rücken bewegten sich schaukelnd, um Eicheln und Bucheckern aufzuspüren.

      „Nichts an dieser Hütte hat einen Schaden genommen. Unsere jedoch muss wieder ganz neu aufgebaut werden. Wie machen die das bloß? Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu“, überlegte Greth. „Steht Agathe etwa mit dem Teufel im Bunde?“ Tief war die Frau in ihre Gedanken versunken. Mager war sie geworden, denn sie litt Hunger wie auch ihr Mann. Heute würden sie sich ihre Bäuche einmal füllen. Darauf freute sie sich bereits.

      Thönges sah von seiner Arbeit auf. Er saß auf einem Baumstumpf vor dem Viehstall und sah seine hübsche Frau mit den Nachbarn plaudern. Mit einem Messer schnitzte er an einem Stück Holz.

      „Schön, Euch hier zu sehen“, rief er ins Haus hinein. Er war gerade dabei, für den eigenen Haushalt, aber auch für die Soldaten Becher und Schalen zu schnitzen. Nur so würde seine kleine Familie den Krieg vielleicht überleben. Bis jetzt hatten sie es auf diesem Weg geschafft.

      Wieder neigte er seinen Kopf nach vorne über seine Arbeit. Wutentbrannt hatten die Soldaten die Hütten der Leute zerschlagen, Geschirr und alle Nahrungsmittel geraubt, alles Vieh mit sich in ihr Lager genommen, die nicht freiwillig gegeben hatten. So sputete er sich und sah zu, dass er weiterkam mit seinem Vorhaben. Von dem Gespräch in der Wohnstube ließ er sich nicht stören.

      Johann Henrici, der Türmer, wohnte hoch über dem Treiben des Städtchens. Von hier oben gleich unter dem Glockengeläut des Mittelturmes sah alles so klein und unbedeutend aus. Der Rauch brennender Katen stieg zu ihm empor. Wo sich vor dem Krieg noch Krähen und Raben niederließen, war die Spitze des Turmes nun leer. Der Türmer sah vom Fenster seiner Wohnung auf die Schänke, die links des Mittelturmes stand. Dort stand der Wirt an manchen Tagen mit seiner weißen Zipfelmütze. War Johann mal in der Stadt und kehrte wieder nach Hause zurück, stieg er die Steinstufen hinauf bis zur Glocke. Bei schönem Wetter schien die Sonne durch die winzigen Fenster des Gemäuers und fegte der Sturm, pfiff er um die Spitze des Turmes.

      In der engen Wohnung des Wärters, dem Hüter der Stadt, standen ein kleiner Holztisch und ein grobgehauener Klotz, auf den er sich setzen konnte. Er besaß auch ein Horn, in das er bei Gefahr blasen konnte.

      Nachdem Johann Henrici auf das ankommende Heer aufmerksam gemacht hatte, verzog er sich schnell in seine Wohnung hoch über den Gassen und Hütten. Es pochte an die hölzerne Türe, in die noch kein Soldat eingedrungen war.

      „Wer steht vor der Tür?“ rief er nach draußen. Damit hatte er nicht gerechnet.

      „Ich bin es, Thönges Rothback. Macht mir auf!“ Laut polternd bewegte sich der Türmer in Richtung Türe mit seinen hohen Stulpenstiefeln und öffnete.

      „Was treibt Euch denn hierher, Rothback? Zu so später Stunde schaut Ihr noch vorbei?“ Der Magen des Türmers knurrte. Thönges reichte ihm ein großes Stück Speck und einen Laib Brot hin. In einer Schale hielt Thönges den Rest Bohnenbrei von diesem Abend. „Ich bedanke mich für Eure Warnung, Türmer. Das habt Ihr Euch verdient.“

      „Das ist doch meine Aufgabe. Vielen Dank für dieses Mahl.“ Der Türmer war nicht verheiratet und schon mittleren Alters. Da er keine Frau hatte, die ihm kochte, freute er sich sehr über diese Mahlzeit. „Vergelts Gott, lieber Rothback und wie geht es Eurem kleinen Jungen?“

      „Dank Eures Glockenschlages konnten wir uns darauf einrichten und haben das Heer Soldaten nicht abgewiesen, sondern mit Lebensmitteln versorgt. Bisher war das unser Glück.“ Thönges atmete tief durch.

      Seit Tagen hatte der Türmer keinen Bissen mehr zu sich genommen. „Kommt, vertreibt mir etwas die Zeit. Die Bretter aus Holz knarrten, als Johann Henrici mit großen Schritten durch den Raum ging, um sich an den Tisch zu setzen. Er brach sich ein Stück Brot ab, tunkte es in den noch heißen Gemüsebrei und aß es mit Genuss.

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