Thomas Werk

COMING OUT


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auch heute noch oft nach ihrem Coming out zu kämpfen.

      Begleitet werden solche Anfeindungen von Klischees wie: Schwule haben affektierte Stimmen, benehmen sich „weibisch“ oder haben nur Sex im Kopf. Dass Schwule aber durchaus liebenswerte, höfliche, hilfsbereite Menschen sein können und ganz Besonderes leisten, wie manche kreative Vorbilder (z. B. Elton John, Wolfgang Joop, George Michael, Hape Kerkeling, Guido Westerwelle oder Klaus Wowereit) beweisen, das wird kaum zur Kenntnis genommen.

      Transgender

      Populärer ist der Name Transvestit, der aber nicht ganz die Problematik abdeckt. Transvestiten sind meist Männer, die in Frauenkleider schlüpfen und sich als Frau wohler fühlen. So gibt es bekannte Transvestiten im Showbusiness, die prominente weibliche Pop-Ikonen wie Marilyn Monroe oder Madonna, Grace Jones oder Tina Turner erfolgreich nachahmen, teils auch etwas überziehen. Transgender sind hingegen Menschen, die sich in ihrem Körper als Mann oder Frau nicht wohlfühlen und danach streben, das auch durch Operation oder Hormonbehandlung zu verändern. Transgender können also Frauen sein, die Männer werden wollen oder geworden sind und umgekehrt. Oft ist das mit einer komplizierten, schwierigen Behandlung verbunden. Transgender nehmen insofern schon einiges auf sich, um sich in ihrer Haut wohl zu fühlen. Solche Operationen, in denen männliche Geschlechtsorgane entfernt und durch äußerlich zumindest neu geformte ersetzt werden, sind ebenso kompliziert wie das Wegoperieren weiblicher und die Formung neuer männlicher Geschlechtsteile.

      Bisexualität

      Bisexuelle Menschen finden Gefallen an beiderlei Geschlecht. Sie können sowohl heterosexuell sein und verschiedengeschlechtlich lieben als auch homosexuell sein und gleichgeschlechtlichen Spaß haben. Bisexuelle gibt es unter Frauen wie unter Männern. Man sagt zwar, bisexuelle Männer vor allem seien verkappte Homosexuelle, die sich nur nicht trauten, es im Coming out zuzugeben. „Ein bisschen bi schadet nie“ ist ein flotter Spruch, den mancher heranzieht, um dann doch in seinem vielleicht bevorzugten Metier zu wildern. Man kann sagen, Bisexuelle sind absolute Schleckermäuler und Rosinenpicker, die sich überall nur das Beste raussuchen. Man muss sich im Leben entscheiden: Stehe ich auf Männer oder Frauen. Wer sein Fähnchen nach dem Winde richtet, ist auf Dauer unglaubwürdig.

      Es gibt auch nur seltene Fälle von echt Bisexuellen. Es gibt aber in der Tat viele echt Homosexuelle, die nur zur Wahrung des äußeren Scheins auch mit Frauen schlafen. Aber es gibt durchaus junge Menschen, die in der Clique mit heterosexuellem Schein glänzen und diesen auch offen zur Schau tragen, obschon sie eigentlich dem eigenen Geschlecht zuneigen und dort ihr Doppelleben führen.

      Anders ist der Fall gelagert, wenn ein Schwuler zu einem gesellschaftlichen Ereignis, etwa der Weihnachtsfeier im Betrieb, eine Dame als seine Begleitung mitnimmt. Das hat man oft. Manchmal ist die Dame dann auch noch lesbisch. Man versteht sich gut und spielt der Umgebung ein Schein-Verhältnis vor, um nicht ins Gerede zu kommen oder den gesellschaftlichen Erwartungen zu genügen.

      Diskriminierung

      Auch in unserer heutigen liberalen Zeit gibt es noch genügend Fälle von Diskriminierung und auch von brutaler Reaktion. So manch schwules Pärchen wurde schon dermaßen verprügelt, dass es sich anschließend im Krankenhaus wiederfand. Warum gibt es denn in fast allen Großstädten oder den Metropolen mit einer großen schwul-lesbischen Community das schwule Überfalltelefon? Die Städte können noch so liberal und tolerant sein, Schwule sind und bleiben in Gefahr. Das muss man wissen, wenn man sich in sein öffentliches Coming out wagt und so auch lebt. Viele empfinden leider auch heute noch das lesbische Händchen haltende Pärchen in der Öffentlichkeit als Provokation – und meinen, dagegen aggressiv angehen zu müssen.

      Jüngere sind selbstbewusster

      So manch ein älterer Schwuler sagt heutzutage: „Ich beneide die jungen Menschen, die unbefangen mit ihrer sexuellen Orientierung umgehen können und schon früh ein offenes, unbedrücktes Leben führen können.“ – Wohl wahr!

      Die Zeiten haben sich geändert – Gott sei Dank. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften gehören immer mehr zu unserem Alltag und sind inzwischen auch in der gesellschaftlichen Akzeptanz angekommen. Das Coming out ist selbst bei der Polizei so weit, dass es offen schwule Polizisten und lesbische Polizistinnen gibt. Man kann heutzutage bei Überfällen und Angriffen in jede Polizeistation gehen, ohne auf Probleme zu stoßen.

      So mancher Prominente aus Politik und Showbusiness hat mit dazu beigetragen. Doch ihnen fällt es natürlich leichter als einem normal Sterblichen. Noch immer wird hinter vorgehaltener Hand gelästert, vor allem dann, wenn auch noch der Altersunterschied erkennbar groß ist. Dann kommt leicht das Gerede vom „Kinderschänder“ oder „Knabenficker“ auf.

      Deutliches Stadt-Land-Gefälle

      Zudem gibt es ein deutliches Stadt-Land-Gefälle. In Dörfern und Kleinstädten ist es ungleich schwieriger, als Schwuler, Lesbe oder Bisexueller zu leben als in einer anonymen Großstadt. Städte bieten zudem Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen an, die es auf dem Land fast überhaupt nicht gibt. Da kann man allenfalls die Hilfe übers Internet in Anspruch nehmen. Aber im alltäglichen realen Leben ist man auf dem Land auf sich allein gestellt. Das fängt schon bei der Wohnungssuche an und hört am Arbeitsplatz auf. Wer gibt denn auf dem Land, wo sowieso alles neugierig beäugt wird, einem lesbischen oder schwulen Paar eine gemeinsame Wohnung? Wer lässt einen Schwulen als Praktikanten im Kindergarten arbeiten? Welche lesbische Lehrerin kann an einer Dorfschule ohne Repression unterrichten? Das sind real existierende Nachteile, die es auch heute noch gibt. Ganz abgesehen vom Mobbing am Arbeitsplatz oder in der Schule. Vor allem müssen ja die Ablehnungsgründe nicht offen genannt werden, es reicht ja schon, wenn sie nur unterschwellig eine Rolle spielen.

      Diese Beispiele zeigen schon auf, dass trotz Anti-Diskriminierungs-Gesetz und Europäischer Menschenrechtscharta immer noch die Realität eine andere Sprache spricht.

      Kulturelle Barrieren

      Es gibt allerdings auch starke kulturelle Unterschiede, die bis nach Deutschland und Europa hineinreichen. Islamisch geprägte Familien zum Beispiel lehnen fast immer Homosexuelle rundweg ab. Mit ihrer Kultur und ihrem Glauben ist Homosexualität angeblich nicht vereinbar. Tradition und Familienschande bestimmen hier noch immer das Denken. Südeuropäische Länder wie Griechenland oder Portugal, das katholische Italien oder Irland haben in ihren Gesellschaften deutliche Vorbehalte gegenüber Schwulen und Lesben. So versucht insbesondere die katholische Kirche in solchen Ländern, gegen Gesetzgebungsverfah-ren anzugehen, die gleichgeschlechtliche Beziehungen legalisieren. Das reicht bis hin zur Exkommunikation, also dem Ausschluss von der Teilnahme an kirchlichen Sakramenten, von Parlamentariern die solchen Gesetzen zugestimmt haben.

      Das Coming Out befreit

      Dabei lebt es sich wesentlich befreiter, wenn man das Coming out hinter sich hat. Man bleibt zeitlebens der Sohn oder die Tochter. Das muss einem erst mal klar werden. Und man findet zahlreiche prominente Beispiele. Der Homosexuelle ist gar nicht so alleine. Heute dürfen schon Schwule und Lesben Kinder adoptieren. Durch die eingetragene Partnerschaft sind sie in der Gesellschaft fast voll angekommen. Im Steuer- und Rentenrecht sowie im Beamtenrecht werden sie immer mehr verheirateten Paaren gleichgestellt. So mancher Standesbeamter freut sich gar, wenn er ein schwules oder lesbisches Paar „verheiraten“ darf. So sagte kürzlich eine Standesbeamtin in einer norddeutschen Kleinstadt, als ein schwules Paar sich anmeldete, ganz erfreut: „Das letzte Paar war vor vier Jahren hier. Ich freue mich, wieder mal eine eingetragene Partnerschaft vornehmen zu dürfen. Das ist mal etwas anderes.“ Es ist gut, wenn auch von offizieller Amtseite solche Äußerungen kommen.

      Vollkommen frei