finden, weil das System alle Menschen, alle Strukturen, Institutionen, Organisationen erfasst. Überall ist diese Spaltung zu erkennen. In arm und reich, in oben und unten, in mächtig und ohnmächtig, in abhängig und unabhängig, in befehlen und gehorchen, in Natur und Mensch, in Ökonomie und Ökologie, in Mann und Frau... Durch den demographischen Wandel, in viele alte und weniger junge Menschen zeigt sich auch hier die Gefahr einer Spaltung, vor allem dann wenn die jungen Menschen feststellen müssen, dass ihre Zukunftschancen ungleich weniger rosig und fair sind.
Wenn wir auf Dauer unsere Demokratie erhalten wollen, vielmehr eine wirkliche Demokratie errichten wollen, dann muss sich die Ökonomie, wie Sponville auf-zeigt, in (unter) die demokratischen und sozialen Werte des Grundgesetzes einordnen. Der Kapitalismus muss ein moralisches Antlitz erhalten. Lässt er dies zu und wie soll das gehen? Kann es hier einen Ausweg geben?
Der Demokratie und ihren Institutionen in ihrer heutigen Form gelingt es immer weniger Chancengleichheit und Gerechtigkeit unter den Menschen herzustellen. Der Soziologe und Leiter des Institutes für interdisziplinäre Konfliktforschung an der Universität Bielefeld, Wilhelm Heitmeyer spricht von „schleichenden Prozes-sen“, die sich zu einer „Demokratie- Entleerung“, zu einer „Ökonomisierung des Sozialen“ und zu einer „spezifischen Orientierungslosigkeit“ entwickeln.
Das Fundament der Demokratie und unsere Existenz sehe ich aus folgenden Gründen gefährdet.
Die Macht der großen Konzerne, die zudem untereinander globalisierend vielfach vernetzt sind, sodass eine Kontrolle kaum noch möglich ist.
Die Verfilzung des Marktes durch Ökonomie und Politik, die sich vor allem in der Lobbyarbeit zeigt
Die unkontrollierte, pervertierte Finanzwelt, die sich vom realen Marktgeschehen nahezu abgekoppelt hat.
Das immer weiter auseinandertriften zwischen wenigen Reichen und immer mehr Armen. In Deutschland sind 9 Billionen an Vermögen vorhanden. Die reichsten 2 Prozent der Bevölkerung besitzen 50 Prozent dieses Vermögens.
Der Klimaerwärmung durch Treibhausgase (THG), der nicht erneuerbaren Energien: Öl, Gas, Kohle, Methan
Das Wachstum Prinzip, das die Ökosysteme, die Arten und die Land-schaftsvielfalt vor allem durch die Ausbeutung der Rohstoffe zunehmend zerstört.
Die Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch zunehmende Schadstoffe, Strahlen, Lärm.
Überbevölkerung
Staatsschulden: Allein Deutschland hat mehr als 2 Billionen Schulden. Auf jeden Bundesbürger kommen etwa 26 000 Euro Schulden. Wenn wir die versteckten Schulden durch zukünftige Renten und Pensionslasten hinzu-nehmen, kommen wir etwa auf 5 Billionen Euro Schulden.
1.3 Nach uns die Sintflut
Der Begriff stammt aus dem Alten Testament. Als Strafe für die Sünden der Menschen hat Gott das Leben auf der Erde durch die Sintflut vernichtet, indem er es wochenlang regnen ließ. Nur der gute Noah mit seiner Familie und je zwei Tiere von jeder Gattung, ein Männchen und ein Weibchen, sollten durch die Arche gerettet werden. Die Sintflut kann man also als ein Symbol für eine furchtbare Strafe durch: Gier, Neid, Zerstörung der Natur und alles das, was wir als Böses ansehen, bezeichnen. Allerdings mit dem Unterschied, dass wir uns durch Zerstörung und Gleichgültigkeit zur restlichen Natur die „Sintflut“ oder Strafe selbst bescheren.
Es ist schmerzhaft für mich mit nüchternen Zahlen Bilder entstehen zu lassen, die ich und offensichtlich nicht nur ich, lieber verdrängen würden. Möglichst in die Allerunterste Schublade des Gedächtnisses. Vor allem die jüngeren Men-schen, diejenigen, die mit diesem Schlamassel noch umgehen werden müssen. Sie haben dieses Schlamassel eigentlich auch nicht zu verantworten. Aber wer fühlt sich denn dafür verantwortlich? Die 60 %, die sich als Bürger ansehen und die alle auf Kosten ihrer Kinder gelebt haben? Die Banker, die Reichen, die Politiker? Wie gehen wir noch heute mit den Opfern in den „sogenannten Ent-wicklungsstaaten“ um? Den Staaten, die lange Kolonien von England, Frankreich, Spanien, Deutschland... waren? Die Afrikaner leiden heute an Hunger und auch an Krieg, weil wir durch unsere Wirtschaftskreisläufe ihre Ressourcen immer noch zerstören.
1.3.1 Macht der Konzerne
Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme weltweit, stand der Markt, vor allem der spekulative Finanzmarkt über den legitimierten demokra-tischen Systemen. Die Märkte versprachen durch ihre Globalisierung: Wohlstand, Wohlfahrt, bessere Lebensqualität, neue Arbeitsplätze und die demo-kratisch legitimierten Politiker unterstützten sie, wo immer sie konnten. Was ist aus diesen Sprüchen geworden? Stattdessen leben wir in einer immer mehr ver-unsicherten und gespaltenen Gesellschaft. Millionen können sich ihres Arbeits-platzes nicht mehr sicher sein. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Seit 2008 stecken wir in einer Krise, deren Ende nicht zu erkennen ist. Sie begann als Immobilien und Finanzmarktkrise. Es folgten die Bankenkrise, die Konjunkturkrise, die Schuldenkrise und jetzt wieder die Ban-kenkrise. Ganz nebenbei hat sie ganze Länder ergriffen, die vor dem Bankrott stehen: Griechenland, Portugal, Spanien, Italien, Belgien, selbst Frankreich wackelt.
Die traditionellen Wirtschaftswissenschaften haben nicht zu dem allgemeinen Wohlstand geführt, den uns die Herren Locke und Smith versprochen haben. Weder haben sich die Armut und der Hunger in der Welt entscheidend verringert, noch ist die Verteilungsungerechtigkeit beseitigt worden. Aber es gelingt den wirtschaftlich Mächtigen uns immer wieder einzureden, dass das Paradies für alle auf Erden durch diese Art der Ökonomie noch kommen wird. Wir bräuchten nur Geduld...
Aristoteles von dem der Begriff „oikonomia“ stammt, verurteilte noch das Streben nach Reichtum und Profit, da es dem Glück des Menschen im Wege steht. Die oikonomia sollte eine dienende Rolle haben und dem Staat und dem Gemeinwesen dienen. Auch Thomas von Aquin hat im 13. Jahrhundert die Ökonomie eng mit Moral, Tugend und Gerechtigkeit verbunden, weil sie sonst den Frieden in der Gemeinschaft stört. Adam Smith forderte dagegen im 18. Jahrhundert ein Wirtschaftssystem, das sich vollkommen frei von staatlichen Eingriffen entwickeln soll. Der Mensch soll nach seinem Eigennutz leben und nach Profit und Wohlstand streben. Er glaubte, dass aus diesem Egoismus alle Menschen profitieren würden. Seither leben wir nach dem Menschenbild der klassischen Ökonomie, dem „homo oeconomicus.“ Es ist der Mensch mit den unbegrenzten Bedürfnissen. Er denkt nur an sich und deshalb ist diese Ent-scheidung nicht nur für den Markt sondern auch für die Allgemeinheit optimal. Die Tauschakte des Marktes führen immer zum Optimum für alle Partner, weil alle Partner gleichberechtigt sind und streng rational entscheiden. Hieraus entstand die Konsumentensouveränität. Das heißt kein Staat darf in diese Souveränität eingreifen. Der Markt besteht aus lauter Einzelinteressen. Jenseits dieser Einzelinteressen gibt es keine Gesellschaft. Adam Smith hat diese Normen aufgestellt und die Bürger haben mit Freuden diese Vorstellungen umgesetzt. Für neoliberale Ökonomen oder Denker gilt dies mit Abstrichen bis heute. Hier begann der Siegeszug des Individuums, das Selbstinteresse und der Niedergang des Gemeinschaftssinns. Smith war auch Moralphilosoph, hatte auch ethische Vorstellungen und stellte den Gemeinsinn und den Wohlstand für alle über das Einzelinteresse. Einerseits werden diese Ideen von Smith wie Fahnen von den Großkonzernen vorhergetragen, aber die Moral oder der Gemeinschaftssinn ist dabei verloren gegangen. Soziale, gemeinschaftliche, demokratische Werte werden von einigen mächtigen Konzernen und ihrer starken Lobby gemindert oder bekämpft. Raubtierkapitalismus, das heißt eine Marktwirtschaft, die fern von einer allgemeinen Moral, fern von Ethik ist, ist spätestens seit der Globa-lisierung, etwa mit dem Untergang des östlichen Kommunismus, entstanden. Man könnte es auch umdrehen und sagen, es gibt schon eine Moral, nämlich die des Raubtiers. Selbst dieser Vergleich hinkt. Wenn ein Raubtier satt ist, jagt es nicht. Konzerne sind nie satt, ihnen reicht es nie. Sie sind immer auf der Jagd. Demokratie und Raubtierkapitalismus gehen immer weniger zusammen. Der Kapitalismus treibt die Demokratie durch die Macht der Reichen und Techno-kraten immer mehr aus unserem Gesellschaftssystem hinaus. Nicht umsonst ist das Wachstum des Marktes in China am höchsten. Wir kommen immer schneller an einen Punkt,