Erleichtert nahm er daher bald das Angebot des toskanischen Großherzogs Ferdinand II. an und wurde Professor für Theoretische Medizin im wesentlich liberaleren Pisa. Hier fand er Aufnahme in die fortschrittliche Accademia del Cimento. Im Beisein des Großherzogs pflegten die Mitglieder der Akademie die Kunst physikalischer Experimente und Messungen. Hier begegnete er dem Mathematiker Giovanni Alfonso Borelli (1608–1679), einem Verehrer der Lehren Galileis, der mit seinen Arbeiten großen Einfluss auf den deutlich jüngeren Malpighi haben würde. Vor allem aber erhielt er hier sein erstes Mikroskop und begann, leidenschaftlich zwar aber zunächst recht wahllos, zu mikroskopieren.
Im Frühsommer 1659 kehrte er notgedrungen in die geistige Enge Bolognas zurück, hielt Vorlesungen und beschäftigte sich mit dem Feinbau der Lunge. Als erste Entdeckung notierte er, dass die gesamte Lunge aus sehr kleinen, kugelförmigen Lungenbläschen aufgebaut sei. Anschließend verfolgte er den Weg des Blutes durch die Lunge und entdeckte mit seinem Mikroskop die feinen Haargefäße (Kapillaren), durch die das Blut von den Arterien in die Venen und zurück zum Herzen strömt. Damit war die Hypothese des Engländers William Harvey bewiesen, dass das Blut im Körper zirkuliere. Zudem konnte Malpighi detailliert darlegen, welchen Weg es dabei nimmt.
Im Oktober 1662 konnte er erneut seiner ungeliebten Stadt den Rücken kehren. Diesmal führte ihn der Weg nach Sizilien. Auf Vermittlung seines väterlichen Freundes Borelli wurde er vom Senat der Stadt Messina zum Professor für Praktische Medizin berufen. Es begann eine Zeit zahlreicher neuer Entdeckungen, die ihm mit Hilfe seines Mikroskops gelangen. Malpighi untersuchte den Feinbau der Haut, entdeckte die Geschmackspapillen auf der Zunge, beschrieb die Tastsinnesorgane an den Händen, Füßen und Lippen und konnte die in diesen Sinnesorganen endenden feinen Nervenfasern über das Rückenmark bis zum Gehirn zurückverfolgen. Bei einer Reihe von Tieren beschrieb er zudem die Lage und den Verlauf des Sehnervs vom Auge zum Gehirn. Dann wandte er sich wieder dem Blutkreislauf zu. Er entdeckte die roten Blutkörperchen und fand Wasser, Salze und eine eiweißartige Substanz als Bestandteile des farblosen Blutserums.
Vier Jahre später arbeitete er wieder in Bologna. Er beschrieb den Aufbau des Knochens, klärte die Herkunft der Gallenflüssigkeit als Sekret der Leber und befasste sich dann mit den Strukturen in der Niere, wo er die später nach ihm benannten Malpighi-Körperchen entdeckte.
Längst war man auch im Ausland auf seine bahnbrechenden Arbeiten am Mikroskop aufmerksam geworden. Man nahm ihn im Jahr 1668 als Ehrenmitglied in die berühmte wissenschaftliche Royal Society of London auf, eine besondere Ehre und wichtige Bestätigung für ihn. Zugleich wurde er gebeten, auch am Seidenspinner und an dessen Larvenstadium, der Seidenraupe, sowie an Pflanzen seine mikroskopischen Untersuchungen vorzunehmen. Neue Erkenntnisse lassen nicht lange auf sich warten: er beschreibt erstmals die Tracheen, die Luftröhren der Insekten, das Herz, die Ausscheidungsorgane, die als Malpighi’sche Gefäße in die Wissenschaft Eingang gefunden haben, und zahlreiche weitere Details über den Feinbau der Spinndrüsen, des Nervensystems und der Fortpflanzungsorgane dieser Schmetterlingsart.
Im Laufe seiner pflanzenanatomischen Studien beschrieb er anhand von Längs- und Querschnitten recht genau und umfassend den Aufbau eines Pflanzenstängels und begründete damit die Pflanzenanatomie.
Die Vielseitigkeit dieses Mannes zeigt sich darin, dass er sich einerseits mit so unterschiedlichen Organismen wie Säugetieren, Insekten und Pflanzen gleichermaßen erfolgreich beschäftigte, andererseits neben der sorgfältigen Beschreibung morphologischer Details auch deren Bedeutung und Funktionsweise durch physiologische Experimente meist absolut richtig erkannte. Sogar auf die Embryonalentwicklung lenkte er seinen forschenden Blick durch das Mikroskop. Er fand einen Weg, die Entwicklung des Hühnerembryos im Ei von Beginn an zu verfolgen. Die anfänglichen Zellstadien liegen in Form einer sogenannten Keimscheibe auf dem Dotter. Malpighi öffnete die Eischale, löste die Keimscheibe verschieden lang bebrüteter Eier vorsichtig heraus und konnte nun unter dem Mikroskop erkennen, wie sich allmählich die einzelnen Organe herausbildeten. Er beschrieb die Ausbildung von Herz und Kreislauf, die Entstehung der Augen und des Gehirns und entdeckte den embryonalen Harnsack, die Allantois.
Dieser von Malpighi skizzierte Verlauf der Hühnchenentwicklung war in seiner Zeit keinesfalls akzeptierte Lehrmeinung, das sollte erst drei Jahrhunderte später kommen. Er widersprach vielmehr der im 17. Jahrhundert gängigen Vorstellung, nach der die spätere Gestalt bereits im Samen des Mannes angelegt sei. Nicht einmal das Naheliegende geschah, nämlich mit eigenen Augen die Richtigkeit des Beschriebenen nachzuprüfen. Die Methode des Mikroskopierens wurde als Spielerei abgetan, jeder Nutzen für die Heilkunst verneint. So musste der seiner Zeit vorauseilende Malpighi immer wieder erfahren, dass die alten Dogmen hochgehalten wurden. Er wurde schikaniert, in Streitschriften und öffentlichen Diskussionen lächerlich gemacht und sogar des Diebstahls bezichtigt, weil er seine bezahlte Arbeitszeit auf solch sinnlose Beschäftigungen verwendete. Sogar davor, seine Manuskripte zu verbrennen und seine Mikroskope zu zerstören, schreckte man nicht zurück.
Malpighi, der als gütig, freundlich und bescheiden beschrieben wurde, versuchte sich zu verteidigen, zog sich aber schließlich verbittert zurück. Er wurde Leibarzt bei Papst Innozenz XII. und verbrachte seine letzten drei Lebensjahre in Rom. Sein Grab befindet sich in Bologna.
Werke
Malpighi, M., 1669: Dissertatio epistolica de Bombyce, societati regiae. London, 100 S.
Malpighi, M., 1675: Anatome Plantarum idea. London, 159 S.
Malpighi, M., 1687: Marcelli Malpighii Opera omnia: seu, Thesaurus locupletissimus botanico-medico-anatomicus, viginti quatuor tractatus complectens et in duos tomos distributus. London, 2 Bde., ca. 370 S.
Antonio van Leeuwenhoek
(24.10.1632–27.8.1723)
Mit Hilfe selbst geschliffener Linsen baute er Mikroskope, die in ihrer Leistung seiner Zeit weit voraus waren. Damit machte Leeuwenhoek sich zum Pionier der Mikroskopie. Er beobachtete die unterschiedlichsten Mikroorganismen, entdeckte und beschrieb Bakterien im Zahnbelag. Er verfolgte, wie sich Tierarten aus einem Ei entwickeln und gelangte dadurch zu der Überzeugung, dass die damals herrschende Meinung der spontanen Entstehung von Lebewesen nicht richtig sein konnte. Seine vielfältigen Entdeckungen erregten großes Aufsehen, so dass nicht weniger als 12 Regenten bei ihm vorsprachen und durch seine Mikroskope blickten.
Der Sohn eines Delfter Korbmachers wurde am 24. Oktober 1632 als Thonis Philipszoon geboren. Trotz des frühen Todes seines Vaters im Jahr 1638 konnte er das Gymnasium in der Nähe von Leiden besuchen. Die Grundlagen in Physik und Mathematik brachte ihm sein Onkel bei. Mit 16 verließ er die Schule und ging nach Amsterdam, wo er eine Anstellung bei einem schottischen Tuchhändler fand. 1654 kehrte er nach Delft zurück und ließ sich dort dauerhaft als Tuchhändler und Kammerherr des städtischen Gerichtshofs nieder. Er wurde zudem Eichmeister für alkoholische Getränke und erhielt die Zulassung als Landvermesser. So brachte er es zu bescheidenem Wohlstand und konnte sich ein für die damalige Zeit exklusives Hobby leisten.
Die Anregung dazu erhielt er wahrscheinlich durch ein Buch des Engländers Robert Hooke (1635–1703), das 1664 unter dem Titel Micrographia erschien. Es beschreibt mikroskopische Untersuchungen. Van Leeuwenhoek, wie er sich später nach der Lage seines Geburtshauses in Delft nannte, wollte wie Hooke mit dem Mikroskop in die unsichtbare Welt der Mikroorganismen vordringen. Er ließ sich zum Glasschleifer ausbilden und begann, mit selbst geschliffenen Linsen zu experimentieren. Es gelang ihm, zwar sehr kleine aber auch sehr reine Linsen herzustellen, mit denen er die Vergrößerung und vor allem die Auflösung der ersten frei verfügbaren Mikroskope deutlich übertraf.
Leeuwenhoek hat sicher nicht das Mikroskop erfunden, wohl aber die Mikroskopie, denn vor ihm war noch keiner so weit in die Welt des mit bloßem Auge unsichtbaren Kleinen vorgedrungen. Mikroskope wurden in jener Zeit allenfalls eingesetzt, um Feinstrukturen an Insekten, Pflanzen oder Mineralien zu beschreiben. Auch Leeuwenhoek begann seine ersten mikroskopischen Untersuchungen an großen Objekten. Im Ohr des Kaninchens und in der Haut des Frosches sah er das Blut durch kleinste Kapillaren strömen. Die vom italienischen Anatomen Malpighi (1628–1694) aufgestellte Behauptung, das Blut zirkuliere im Körper, fand auf diese Weise 1668 seine Bestätigung. Leeuwenhoek lieferte in der Folgezeit