Uwe Morchutt

Das Baustellenhandbuch Abnahme


Скачать книгу

Abnahme.

      Die förmliche Abnahme soll in erster Linie Beweiszwecken dienen. Damit führt die Nichtbeachtung der Form nicht zur Unwirksamkeit einer anders erfolgten Abnahme. Beruft sich also für eine längere Zeit nach der Beendigung der Bauarbeiten keine Partei auf die vereinbarte förmliche Abnahme, so ist anzunehmen, dass stillschweigend auf die förmliche Abnahme verzichtet wurde. Mit diesem stillschweigenden Verzicht findet gleichzeitig eine konkludente Abnahme der Bauleistungen des Auftragnehmers statt. Anhaltspunkte für einen solchen Verzicht bieten die Erstellung der Schlussrechnung auf Anforderung des Bauherrn oder die vorbehaltlose und vollständige Bezahlung der Schlussrechnung.

Praxistipp
Für den stillschweigenden Verzicht auf die förmliche Abnahme reicht ein kurzer Zeitraum von wenigen Tagen (z. B. 6 oder 12 Werktage nach § 12 Abs. 5 VOB/B) noch nicht aus. Vielmehr muss eine Frist von „mehreren Wochen“ bis „mehreren Monaten“ verstrichen sein, wie die Rechtsprechung, am Einzelfall ausgerichtet, besagt. Übersendet der Auftragnehmer dem Bauherrn die Schlussrechnung, ohne dass vorher eine vertraglich vereinbarte förmliche Abnahme stattgefunden hat, gilt dies für den VOB-Bauvertrag als Fertigstellungsmitteilung, und es kommt nach Ablauf von 12 Werktagen zu einer fiktiven Abnahme.

      

2.4.2 Fiktive Abnahme

      In § 12 Abs. 5 regelt die VOB/B zwei fiktive Abnahmearten, die im BGB nicht vorgesehen sind: die Abnahme durch Fertigstellungsmitteilung (Nr. 1) und die Abnahme durch rügelose Benutzung der Bauleistungen (Nr. 2). Ziel der fiktiven Abnahme ist es, die Abnahmewirkungen möglichst rasch herbeizuführen und Verzögerungsmöglichkeiten des Auftraggebers auszuschalten.

      Fertigstellungsmitteilung {Fertigstellungsmitteilung}

      Die fiktive Abnahme durch Fertigstellungsmitteilung setzt voraus:

schriftliche Fertigstellungsmitteilung an den Auftraggeber; der Zugang beim Architekten oder Bauleiter genügt nicht; eine mündliche Mitteilung reicht nicht aus
Fertigstellung der Bauleistungen des Auftragnehmers; fehlende unwesentliche Restarbeiten schaden nicht
keine wesentlichen Mängel an den Bauleistungen des Auftragnehmers
keine ausdrückliche Abnahmeverweigerung durch den Auftraggeber, gleich, ob die Abnahmeverweigerung nach § 12 Abs. 3 VOB/B berechtigt oder unberechtigt ist
keine Kündigung des Bauvertrags nach § 6 Abs. 7, § 8 oder § 9 VOB/B
kein Abnahmeverlangen, weder ausdrücklich (§ 12 Abs. 1 VOB/B) noch förmlich (§ 12 Abs. 4 VOB/B), auch nicht im Bauvertrag; die ausdrückliche bzw. förmliche Abnahme und die fiktive Abnahme durch Fertigstellungsmitteilung schließen sich gegenseitig aus
Praxistipp
Die Fertigstellungsmitteilung muss nicht immer genau so heißen. Ist keine ausdrücklich als solche bezeichnete Fertigstellungsmitteilung erfolgt, genügt auch eine andere Art der schriftlichen Mitteilung, welche die Fertigstellung der Bauleistungen dokumentiert (z. B. die Übersendung der Schlussrechnung oder die Mitteilung über die Räumung der Baustelle nach Abschluss der Arbeiten).

      Die Bauleistungen des Auftragnehmers gelten 12 Werktage nach dem Zugang der Fertigstellungsmitteilung beim Auftraggeber als abgenommen. Wird die Fertigstellungsmitteilung (oder die Schlussrechnung) dem Architekten oder Bauleiter zugeleitet, dann beginnt die Frist erst zu laufen, wenn der Auftraggeber die Mitteilung vom Architekten oder Bauleiter erhält. Leitet der Architekt oder Bauleiter die Fertigstellungsmitteilung nicht an den Auftraggeber weiter, so trägt dieses Übermittlungsrisiko der Auftragnehmer. In den allermeisten Fällen sind für den Unternehmer dann der Zugang und das Zugangsdatum beim Auftraggeber nicht mehr beweisbar.

      Der Auftraggeber muss innerhalb der 12-werktägigen Frist entweder die Abnahme ausdrücklich gegenüber dem Auftragnehmer verweigern oder zumindest Vorbehalte wegen ihm bekannter Mängel bzw. den Vertragsstrafenvorbehalt erklären. Nur so entgeht er der ansonsten eintretenden Abnahmewirkung, d. h. einem Rechtsverlust (§ 12 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B).

Praxistipps
• Um die 12-werktägige Frist einzuhalten, sollte der Auftraggeber unbedingt darauf achten, dass die Abnahmeverweigerung bzw. die Vorbehalte schriftlich erklärt werden und dieses Schriftstück dem Auftragnehmer innerhalb der Frist auch zugeht, d. h. dem Auftragnehmer übergeben wird. Dieser Zugang ist zu dokumentieren, damit spätere Nachweisprobleme beseitigt werden. • Vorbehalte des Auftraggebers wegen bekannter Mängel vor Beginn der Frist aus § 12 Abs. 5 VOB/B sind unzureichend und müssen innerhalb der Frist wiederholt werden.

      Ingebrauchnahme {Ingebrauchnahme}

      § 12 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B sieht eine Abnahme des Bauherrn durch Benutzung der Bauleistungen des Unternehmers vor. Die Voraussetzungen dieser zweiten fiktiven Abnahmeart der VOB/B entsprechen der fiktiven Abnahme durch Fertigstellungsmitteilung.

      Die Abnahmewirkung tritt also 6 Werktage nach rügeloser Benutzung durch den Bauherrn ein. Eine Erprobung der Bauleistungen des Auftragnehmers (z. B. Test der Heizung) ist keine Ingebrauchnahme im Sinne von § 12 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B. Zur Abnahmeverweigerung sowie zu den Vorbehalten des Auftraggebers nach § 12 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B gelten die Darstellungen zur Abnahme durch Fertigstellungsmitteilung entsprechend mit der Maßgabe, dass die Frist für den Auftraggeber nur 6 Werktage beträgt.

      Die Unterschiede zur schlüssigen Abnahme durch Benutzung beim BGB-Werkvertrag sind denkbar gering; die dortigen Ausführungen gelten auch hier (vgl.

Kapitel 2.2). Die Abnahmefiktionswirkung des § 12 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B beschränkt sich darauf, die Prüfungsfrist für den Bauherrn nach der Benutzung auf starre 6 Werktage festzulegen. § 12 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 VOB/B stellt ausdrücklich klar, dass die Weiterarbeit von Nachfolgegewerken auf den Bauleistungen des Auftragnehmers (z. B. Weiterführung des Rohbaus durch den Innenausbau) keine fiktive Abnahme des Auftraggebers darstellt.

Praxistipp
Im Verhältnis vom Generalunternehmer zum Subunternehmer erfolgt die Benutzung der Bauleistungen des Subunternehmers dadurch, dass der Generalunternehmer dem Bauherrn die Nutzung ermöglicht (z. B. Übergabe an den Bauherrn, Eröffnung einer Einkaufspassage).

      

2.5 Abgrenzungen zu anderen Feststellungen

      Die Zustandsfeststellung nach § 650g BGB n. F., die technische Abnahme (in der Praxis häufig ebenfalls Zustandsfeststellung genannt) und die behördliche Bauabnahme stellen allesamt keine Abnahme im Rechtssinn dar. Das heißt, die rechtlichen Abnahmewirkungen treten durch diese Abnahme nicht ein. Worum handelt es sich nun bei diesen Feststellungen/Abnahmen?