Marina Linnik

Wahre Geschichten eines Abends


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Für eine recht gute Gage versprach er mir, so ein Haus zu errichten, welches es in Moskau noch nie gegeben hatte. Ich scheute dafür kein Geld: Geschirr, Möbel, Ausstattung – alles kam aus fremden Ländern. Nach einem Jahr entstanden anstelle einer Hütte die prachtvollen Gemächer, die man nur mit der Zarenresidenz vergleichen könnte. Dem Haus fehlte nichts: schöner Aufgang, dicke Wände, Türmchen und Arabesken. Innen war es noch schöner: Die ganze Ausstattung aus dem Ausland, alles handgeschnitzt und beschlagen. Der Baumeister gab sich viel Mühe: Jeder Saal hatte seinen eigenen Stil. Ein Saal im Ritterstil, der andere – als Zarengemach ausgeschmückt und dann noch einer – ganz wie das Gemach eines überseeischen Königssohnes… alles überirdisch schön! Aber nur ich dachte so, den Moskauern aber kam mein Haus unbehaglich vor. Die ganze goldkuppelige Hauptstadt verhöhnte mich. Mich, der ich Wassili Nikolajewitsch heiße. Da geriet ich wegen meines Baumeisters in Wut und zahlte ihm seinen Lohn nicht. «Bedenk dich, Wassili Nikolajewitsch, – rief er im Eifer aus, – Siehst du selber etwa nicht, wie herrlich dein Haus ist! Die Neider haben mich angeschwärzt! Lass mal diese Lügen: Man zerrt mich doch wegen des Neides in Staub!» Doch ich wollte niemandem außer mir selbst zuhören. Ich sagte nur: «Hässlich ist alles, was du da errichtet hast. Und Schluss damit,» und schmiss ihn heraus. Da erzürnte er sich, sprang vom Stuhl und rief: «Ich schwöre bei Gott, dass es in diesem Haus niemandem wohl gehen wird! Ich verwünsche es!» Sobald er diese Worte fallen ließ, lief er aus dem Haus und niemand sah ihn wieder. Es kursierte aber einmal ein Geruch, er sei ertrunken oder habe sich erhängt… Ich hielt von diesen Worten nicht besonders viel. Was man von einem wütenden Menschen nicht alles hört! Inzwischen lernte ich eine Jungfrau kennen. Sie war märchenhaft schön und vollblütig! Auf diese und jene Weise bemühte

      ich mich, sie anzulocken. Doch sie wollte auf mich so gut wie keinen Blick richten und von mir so gut wie kein Bescheid wissen. Dann habe ich ihr mein Haus geschenkt. Sie nahm das Geschenk gnädig an und begann sogar, mir gegenüber freundliches Entgegenkommen zu zeigen. Und dann… was habe ich meiner Königin nicht alles geschenkt: Schmucksteine, Zobelpelzmäntel, allerlei hochwertige Seidenstoffe – ich war bereit, die ganze Welt für sie zu gewinnen. Über kurz oder lang wurde das Herz meiner lieben Freundin nachgiebig. Nur eines betrübte mich damals: Wir sahen uns zu selten. Gewöhnlich war mein Diener Stjopka auch mein Bote: Er pflegte zu ihr vor mir zu kommen und Bescheid zu sagen, dass ich schon zu ihr unterwegs bin. Aber an dem Tag kam ich unangemeldet, denn ich brannte darauf, meiner Schönen ein Mitbringsel zu reichen. Und da erlebte ich mein blaues Wunder! Sie kam zwar in ihrer Kitschka aus, war aber ganz fusselig, und ihre Kleidung war über die Schultern geworfen. Ich stürzte in die Swetlitza und sah dort ihren Liebhaber. Ich erzürnte mich so, dass der Zorn mein Blut in Wallung brachte. Daran, was ich da tat, kann ich mich jetzt nicht einmal erinnern… Ich schmiss den halbnackt in den grimmigen Frost heraus, und was sie angeht…Ich packte sie am hellblonden Zorn und zog in den Keller hin. Ich ließ das Gesinde kommen und einen Ziegelstein bringen… Aus Geistesverwirrung ließ ich jene unanständige Dirne binden und – möge mir Herr Gott all die Sünden verzeihen – … sie bei lebendigem Leibe in die steinerne Hauswand einmauern. Bis auf den heutigen Tag höre ich ab und zu nachts ihr Klagegeschrei und Weinen, und die haben mir meine Ruhe geraubt – ich kann weder schlafen, noch essen. Egal, ob ich schlafe oder wach bin – steht mir nur eines vor den Augen: das Gesicht meiner Freundin, nass vor Tränen und dunkel vor Entsetzen. Aber damals bereute ich das, was getan wurde, nicht. Das ganze Gesinde schickte ich aus dem Haus in den Pferdestahl, damit niemandem einfallen könnte, ihren Herrn an der Nase herumzuführen, und zog selber aus dem Haus… Nach einiger Zeit kam ich auf den Gedanken, ein Gastmahl zu geben… aber auf eine neue Weise… es sollte nämlich ein Ball sein. Wegen meines Reichtums war ich ehrgeizig und wollte mich, den Wohltäter und Beschützer Wassili Nikolajewitsch, allen ins Gedächtnis einprägen. An dem Abend floßen überseeische spritzige Weine in Strömen, die Tafeln bogen sich unter den erlesensten Speisen. Tausende von Kerzen beleuchteten die Säle meines Hauses. Aber nicht nur darüber wunderten sich meine Gäste: Den Boden des Ballsaales hatte ich mit goldenen Tscherwonzen bestreuen lassen. Wer noch wusste es, sich über andere durch solche Großzügigkeit zu erheben?… Na ja, so was hatten die Moskauer Großtuer bisher nicht gesehen. Wie ein Pfau stolzierte ich von Saal zu Saal herein… Möge Herr Gott mir meinen Hochmut verzeihen. Der Ball erreichte seinen Höhepunkt, als DAS geschah. Es wehte zuerst eine leblose Kälte, und der ganze Saal schien vom Nebel gehüllt zu werden. Den Gästen fiel das nicht sofort auf, denn sie waren durch Tanz und Wein erhitzt. Mich aber überfiel eine große Aufregung. Ich sah mich beunruhigt um… In der Mitte des Saales, wo eben die Gäste auf den goldenen Tscherwonzen tanzten, entstand eine weiße Wolke. Die Gäste traten auseinander, und die Wolke begann, die menschliche Gestalt anzunehmen. Alles Lebendige, was es im Saal gab, wurde vor Entsetzen atemlos. Niemand wagte sich zu bewegen, die Angst fuhr allen in die Glieder. Von dem, was ich sah, stand ich wie gelähmt daher: In der Mitte des Saales stand … meine Schöne, weißgekleidet und ohne ihre weitgeöffneten Augen von mir abzuwenden. Dann schwebte sie langsam auf und näherte mich an. Es wurde mir bange. Ich wollte weglaufen, doch meine Füße schienen dem Boden anzuwachsen. In voller Stille stand das Mädel da und starrte mich an. Dann streckte sie sich und berührte meine Wange mit ihrer durchsichtigen Hand. Brennende Kälte hüllte mich dabei um. Ich trat rückwärts und fiel beinahe. Ein verächtliches Lächeln spielte auf ihren Lippen. Sie nahm ihre Hände von mir weg und begann, jedem meiner Gäste heranzufliegen und jedem in die Augen zu schauen. Ehrlich gesagt habe ich weder zuvor noch danach solche Furcht erlebt. Mittlerweile kehrte das Gespenst zu mir zurück und starrte mich wieder an. Meine Gefühle wurden zu der Zeit schon klärer. Ich schlug Kreuz und begann, ein Gebet zu sprechen. Als sie es hörte, stieß sie einen erbitterten Schrei aus, und ich spürte unsichtbare und baumstarke Hände meinen Hals packen. Ich konnte kaum den Atem holen. Alles drehte sich vor meinen Augen, und da fiel ich auf den Boden, auf die goldenen Tscherwonzen. Als ich zu sich kam, war es schon Tag geworden. Stjopka saß an meinem Bett und rieb die Nase mit dem Ärmel. Als ich aufstehen wollte, fuchtelte er mit den Händen: Der Arzt habe angeordnet, dass ich liegen sollte. Plötzlich hörten wir einen Lärm von draußen. Geleitet vom Rottmeister kamen die Soldaten, um dem Befehl unseres gnädigen Zaren nachzugehen und mich zu verhaften… Meine lieben Gäste hatten schon mich angezeigt und alles sowohl vom Mädel als auch von den goldenen Tscherwonzen mit der Abbildung unseres Imperators erzählt. Wehe ist dem, der unseren Zaren im Zorn sieht. Er ließ mich zuerst auspeitschen, und dann in die Verbannung schicken… Am Morgen soll ich mich also auf den Weg machen. Und was mich in der Fremde erwartet, weiß ich nicht… Damit schließe ich meine Beichte, meine lieben Kinder. Für die Sünden und den Hochmut muss ich in voller Höhe zahlen. Und nie wird meine Seele Ruhe finden, bis die Seele jenes Mädels in Ruhe kommt. Ich vermache euch, meine lieben Kinder, den Willen eures sündhaften Vorfahrens zu erfüllen und seine Seele durch Gebete zu retten…»

      Fürst Besborodski schwieg. Erdrückende Stille lag in der Luft. Und niemand von den Gästen wollte sie brechen. Alle waren durch die Erzählung des Fürsten zwar beeindruckt, aber sie rief widersprüchliche Gefühle hervor. Schließlich stand Graf Lunin vom Sessel auf und ging ans Fenster. In seine Gedanken vertieft stand er dort eine Weile, dann drehte er sich zum Fürsten um und fragte:

      – Haben Sie von diesem Dokument die Polizei benachrichtigt?

      – Ja, aber dort wies man auf den Verjährungsablauf hin und wollte mir nicht einmal zuhören.

      – Ist es Ihnen nicht egal, was da passiert ist, meine Herrschaften? – sagte Natalja Andrejewna und zuckte ihre Schultern.

      Die Erzählung von sich hinterließ in ihrer Seele einen unangenehmen Nachgeschmack und rief ein zwiespältiges Gefühl hervor. Einerseits tat ihr das Mädel leid, das dem eifersüchtigen Libidinisten zu Opfer gefallen war und einen Märtyrertod gefunden hatte, andererseits meinte sie, das Mädchen habe für ihre Sünde gebüßt, und zwar für den Ehebruch. Der unbekannte Kaufmann war für eine noch größere Sünde bestraft, er hatte Gottes fünftes Gebot gebrochen: Du sollst nicht töten. Das Leben ist ein wertvolles Gottesgeschenk und kein sterblicher Mensch ist berechtigt, darüber zu verfügen.

      – Kaum möglich, dass dieser Mann noch am Leben ist, – setzte die Gräfin das Gespräch fort, sich ein wenig zusammenkrümmend. – Das Streben nach der Wahrheit wird jetzt sowieso in nichts resultieren. Seine Seele wird kaum irgendwann ihre Ruhe finden.

      – Die