Percy Renkins war höchst verwundert, als Bob Webster so rasch wieder bei ihm auftauchte und ihm vier Bündel Geldscheine überreichte.
Kopfschüttelnd zählte Percy das Geld nach. »Viertausend«, murmelt er, als könne er es noch nicht begreifen.
»Du siehst, deine Aufregung war unsinnig«, stellte Bob sarkastisch fest. »Ich scnmiere dich nicht aus. Aber du kannst noch mehr bekommen, Percy, wenn du deinen Kopf mal ein bißchen anstrengst. Du bist doch Juwelier.«
»Gewesen«, verbesserte Percy rasch. »Du weißt genau, warum ich es nicht mehr bin.«
»Reden wir nicht davon«, wehrte Bob gönnerhaft ab. »Ich will nur einige Informationen. Mein goldenes Täubchen hat sich da etwas in den Kopf gesetzt. Schau mal, gibt es solch ein Schmuckstück? Hast du schon mal was darüber gehört?« Er zeigte ihm das Buch.
Percy betrachtete es. »Das Amulett der Fatima«, sagte er dann erregt. »Natürlich kenne ich es.«
Bob Webster war verblüfft. »Dann gibt es dieses Ding also wirklich?« staunte er. »Hast du es schon gesehen? Wo? So rede doch endlich.«
»Thibaut hatte es einmal auf einer Ausstellung. Der berühmte französische Juwelier. Damals ging es mir noch nicht so dreckig wie jetzt«, setzte er seufzend hinzu.
»Dann sind diese Geschichten Wahrheit?« fragte Bob erregt weiter. »Was ist das Amulett wert? Wieviel müßte man bieten, Percy?«
»Was es wert ist?« überlegte Percy. »Der Wert ist unschätzbar. Außerdem ist es unverkäuflich. Wenn man Glück hat, bekommt man es geschenkt.«
»Nun rede doch nicht solchen Unsinn.«
»Lies es doch nach«, knurrte Percy. »Die Geschichte verhält sich genauso, wie es da drin steht. Ich kenne diese Begebenheiten. Jeder Juwelier war scharf auf das Amulett. Dieser Pieter van Houten hat alles wahrheitsgetreu aufgezeichnet. Aber du darfst nicht meinen, daß du nur hinzugehen brauchst und zu sagen: ›Schenken Sie es mir.‹ Dir würde es auch nicht viel nützen«, fügte er spöttisch hinzu. »Es bringt nur denen Glück, die keine materiellen Wünsche damit verknüpfen.«
»Du bist ein Spinner, mein lieber Percy. Überlaß das alles ruhig mir. Setz du dich mit diesem Thibaut in Verbindung und versuche in Erfahrung zu bringen, in wessen Besitz das Amulett derzeit ist. Alles andere besorge ich, und du wirst einen hübschen Anteil bekommen.«
»Ich habe dir doch gesagt, daß das zwecklos ist.«
»Ach was«, wehrte Bob ungeduldig ab. »Verlaß dich auf meinen erprobten Charme. Bei Annette Lorenzen hat er auch gewirkt, und sie hat ganz sicher Haare auf den Zähnen. Ich wittere Frühlingsluft. Es geht aufwärts mit uns, Percy. Wenn wir unsere Schäfchen im trocknen haben, hauen wir ab, und diesmal lassen wir uns nicht aufs Kreuz legen. Annette will das Amulett haben, und wenn wir das echte nicht bekommen können...« Er hielt inne, schlug sich an die Stirn und begann zu lachen. »Das ist doch überhaupt die Idee. Wozu bist du Juwelier? Ein geschickter dazu. Wieviel wurde eine Imitation kosten?«
Percy überlegte. »Du bist verrückt«, meinte er dann. »Das Amulett gibt es nur einmal. Nein«, fuhr er dann aufgeregt fort, »Thibaut hat es auch imitiert, für seine Frau.«
»Na also, du hast doch selbst immer gesagt, daß du nicht zu übertreffen bist, und ein paarmal hast du es doch schon bewiesen. Diesmal fliegst du nicht auf. Ich garantiere es dir, Percy. Eine halbe Million…« Er biß sich auf die Lippen, denn das hätte er lieber doch für sich behalten sollen. Aber Percy war recht hellhörig.
»Eine halbe Million?« staunte er. »Soviel will sie dafür ausgeben? Gut, ich werde nach Paris fliegen und mich bei Thibaut umhorchen.«
»Okay«, meinte Bob erleichtert. »Und ich werde eine Anzahlung von Annette herauslocken. Percy, diesmal klappt es.«
*
Nachdem Annette das Hotel verlassen hatte, war sie nicht gleich nach Hause gefahren. Sie bummelte durch die elegante Geschäftsstraße, doch diesmal beachtete sie die Auslagen kaum. Widersprüchliche Gedanken gingen ihr durch den Kopf.
War es richtig gewesen, Bob Webster einzuschalten? Eine innere Stimme warnte sie, aber sie wollte nicht darauf hören.
Annette schob ihre Zweifel beiseite. Natürlich war er in sie verliebt, und da war er nicht der einzige. Aber er blieb stets Gentleman und bedrängte sie nicht. Er überschritt die Grenzen nicht, wie es manch anderer versucht hatte.
Jäh wurde Annette aus diesen Gedanken gerissen, als ihr Blick wie von ungefähr zur anderen Straßenseite wanderte. Unwillkürlich verhielt sie den Schritt.
Das war doch Magnus von Thalau, unverkennbar, und an seiner Hand ging ein entzückendes kleines Mädchen von etwa fünf Jahren. Dann erst bemerkte Annette die schlanke blonde Frau mit der dunklen Brille an seiner anderen Seite.
Der Himmel schien sich plötzlich verdunkelt zu haben. Und als sie endlich ihre Fassung wiedergewonnen hatte, waren die drei im Menschengewühl verschwunden.
Mechanisch lenkte Annette ihre Schritte zu dem Parkplatz, wo sie ihren Wagen abgestellt hatte. Wünsche, Träume, war nicht jetzt schon alles sinnlos geworden?
Mit heißem Erschrecken stellte sie fest, daß sie nicht nur enttäuscht, sondern zutiefst unglücklich war.
Daheim empfing Felicia sie auch noch mit der Frage nach dem Buch.
»Könnte ich es bitte zurückhaben, Annette?«
»Was?« fragte diese gedankenlos.
»Mein Buch.«
»Ich habe es verliehen«, erwiderte sie.
»Verliehen? Du hast mein Buch verliehen?« fuhr Felicia auf.
»Du wirst es ja wiederbekommen. Stell dich doch nicht so an«, meinte Annette ungeduldig.
»Das Buch ist mein Eigentum. Ich würde niemals auf den Gedanken kommen, über deine Sachen zu verfügen.«
Annette senkte den Kopf. »Es tut mir leid, Fee. Es war nicht richtig von mir.«
Der kleinlaute Ton stimmte Felicia nachdenklich und zugleich auch versöhnlich.
»Fehlt dir etwas?« erkundigte sie sich besorgt.
»Nein, es tut mir nur leid, daß ich dich verärgert habe. Ich werde das Buch schnellstens besorgen.«
»Es eilt nicht«, meinte Felicia. »Ich habe heute sowieso etwas vor.«
Es wunderte sie, daß Annette nicht fragte, was sie denn vorhätte. Irgendwie war sie völlig verändert. Irgend etwas schien sie zu bedrücken. Wieso können wir eigentlich nicht vernünftig miteinander sprechen, überlegte sie bekümmert. Jetzt bin ich doch auch kein Kind mehr.
Regelmäßig einmal in der Woche ging Felicia aus dem Haus, ohne daß Annette dies bisher zur Kenntnis genommen hätte. Zu diesem Gang kleidete sie sich auch stets etwas sorgfältiger an, wenn man auch nicht sagen konnte, daß man in ihr eine reiche Erbin erkennen konnte.
Das schmale dunkelblaue Kleid ließ sie wie ein junges Schulmädchen erscheinen, und der schlichte graue Sportmantel vervollständigte diesen Eindruck noch.
Annette wäre wohl sehr erstaunt gewesen, wenn sie ihre Schwester hätte beobachten können. Aber sie war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um Felicias Abfahrt zur Kenntnis zu nehmen.
Das junge Mädchen suchte einige Geschäfte aus und kam jedes Mal schwer bepackt heraus. Darüber verging eine Stunde. Danach fuhr sie stadtauswärts und hielt schließlich vor einem alten, nicht gerade einladend aussehenden Haus an.
Eine Schwester mit weißem Häubchen kam ihr entgegen, als sie aus dem Wagen stieg.
»Das gnädige Fräulein, pünktlich auf die Minute«, sagte sie erfreut.
»Sie sollen nicht immer gnädiges Fräulein sagen, Thilde«, bemerkte Felicia verlegen. »Helfen Sie mir bitte?«
»Die