Holz holen können. Dann frieren sie. Und weil die alte Frau auch so gefroren hat, hat sie auch einen kranken Fuß bekommen. Ich habe einem kleinen Mädchen, das keine Schuhe hatte, meine Schuhe geschenkt, und Mutti hat ihr noch ein Kleidchen gegeben.«
Es war dem Oberförster kaum möglich, Pucki zu beruhigen. Pucki machte ein gar finsteres Gesicht und sprudelte die Worte nur so heraus.
»Du meinst also, ich sollte allen Leuten, die frieren, Holz geben?«
»Ja, Onkel Oberförster, das sollst du.«
»Dann würde der Wald bald keine Bäume mehr haben.«
»Doch, der liebe Gott läßt immer wieder Bäume wachsen. Und Bäume wollen die Leute auch nicht haben, nur was von dem Holz, das der Wind 'runtergeworfen hat oder was der Vati abhacken läßt.«
»Kleine Pucki, das alles verstehst du nicht. Aber ich will nicht, daß du den Onkel Oberförster für einen geizigen Mann hältst. In den nächsten Tagen kann dir dein Vati erzählen, daß der Onkel Oberförster den armen Leuten, die frieren, eine ordentliche Portion Holz schenken wird.«
Pucki sah den Oberförster ein wenig mißtrauisch an, denn seine strengen Worte klangen ihr nach wie vor in den Ohren.
»Gibst du auch der Frau mit dem kranken Bein was?«
»Ja!«
»Und der Mutter von der Thusnelda?«
»Auch der. Ich will nicht, daß du mit mir böse bist. – Na, Pucki, wollen wir uns nun wieder vertragen?«
»Wenn du der alten Frau und der Thusnelda Holz schenkst, hab' ich dich wieder sehr lieb. – Ach, bitte, Onkel Oberförster, sei nicht mehr böse auf die alte Frau, sie hat sich so erschreckt.«
»Pucki, höre mal, wer schreit denn da so sehr?«
»O je – das ist die Waldi, die habe ich vergessen!«
Pucki machte kehrt, lief querfeldein durch den Wald der laut schreienden Kinderstimme nach und fand das Schwesterchen, das mehrfach über Wurzeln gefallen war und auch jetzt wieder am Boden lag.
Pucki erschrak. Sie hatte der Mutti versprochen, recht gut auf Waldi zu achten. Mit zärtlichen Worten tröstete sie die Kleine.
»Weine mal nicht, Waldi, der Onkel Oberförster schenkt der alten Frau viel Holz, dann freut sie sich. – Nu wollen wir uns beide auch freuen.«
Waltraut verstand zwar nicht, warum sie sich freuen sollte, doch ihre Tränen versiegten gar schnell. Dann kehrten beide Kinder zum Vater und zu den Holzfällern zurück.
»Vati«, sagte Pucki strahlend, »der Onkel Oberförster schenkt allen Leuten Holz. Ich war ganz böse mit ihm, weil er eine alte Frau ausgeschimpft hat.«
Förster Sandler war nicht gerade freudig überrascht, als er diese Worte hörte. Wahrscheinlich hatte Pucki wieder etwas angerichtet. Seine Sorge schwand allerdings bald wieder, denn schon eine Stunde später sprach der Oberförster ihn an.
»Aus Ihrer kleinen Tochter wird mal ein hilfreicher Mensch werden. Erst hilft sie einer alten Frau den Wagen mit Holz schieben, den sie mit voll gesammelt hat, dann zankt sie mich gründlich aus, weil ich ein Geizhals sei. Das habe ich mir hinter die Ohren geschrieben. Jetzt wollen wir mal eine größere Menge Armenholz verteilen lassen.«
Förster Sandler wollte das Verhalten seiner kleinen Tochter ein wenig entschuldigen, doch der Oberförster wehrte ab.
»Lassen Sie nur, lieber Sandler, Ihre Kleine hat das Herz auf dem rechten Fleck, von der wird noch mancher Erwachsene lernen können. Schelten Sie sie nicht, sie hat es gut gemeint.«
Ein Kuß und seine Folgen
Im Forsthausgarten saß Frau Niepel und unterhielt sich eifrig mit Frau Sandler.
»Haben Sie schon an die Volkswohlfahrt geschrieben wegen der Ferienkinder, die wir aufnehmen wollen?«
»Ich bin leider noch nicht dazu gekommen, Frau Niepel, will es aber heute noch tun. – Wollen Sie auch ein Mädchen während der großen Ferien aufnehmen?«
»Für uns wäre es wohl besser, wenn ein Knabe käme, aber mein Mann möchte durchaus ein Ferienmädel.«
»Ich nehme auch ein Mädchen.«
»Hat sich sonst in der Umgegend oder in Rahnsburg noch jemand gemeldet, der ein Großstadtkind aufnehmen möchte?«
Die Förstersfrau wurde ein wenig verlegen. »Ich hatte in letzter Zeit sehr viel zu tun und bin selten in die Stadt gekommen. Die Kollegenfrauen habe ich seit längerer Zeit nicht gesehen; vielleicht hätte man noch manches bedürftige Kind unterbringen können. Ich habe wohl etwas versäumt, doch heute will ich wegen der beiden Kinder schreiben, die wir aufnehmen wollen, denn der erste Juli steht vor der Tür, und die Volkswohlfahrt wird längst auf meine Antwort warten.«
»Ich will mich auch noch erkundigen; es wäre doch nett, wenn wir mehreren Kindern die Wohltat des Landaufenthaltes angedeihen lassen könnten.«
»Wie geht es Ihrem Walter?«
»Es war eine tüchtige Erkältung. Nun ist er wieder aus dem Bett; es verlohnt sich kaum, ihn noch zur Schule zu schicken, denn in acht Tagen beginnen die Sommerferien.«
»Ich hoffe, daß die Ferienkinder recht gekräftigt in die Großstadt zurückkehren werden. Die Kleine, die wir bekommen, wird hoffentlich kein allzu wildes und unartiges Kind sein. Unsere Pucki nimmt gar zu gern Unarten an.«
Die beiden Frauen trennten sich. Frau Sandler, die den Brief an die Volkswohlfahrt nicht länger aufschieben wollte, ging sogleich in ihr Zimmer, um zu schreiben. Gar mancher andere Brief wartete auch noch auf Beantwortung; vor allen Dingen hatte die Großmutter schon zweimal angefragt, wie es im Forsthause stände. Heute mußte sie unbedingt auch an Frau Blake schreiben, damit sie sich nicht ängstigte.
Aber auch jetzt kam wieder etwas dazwischen, und erst am Nachmittag saß die Förstersfrau in der weinumrankten Veranda ihres Hauses und füllte Seite um Seite. Erst kam der Brief an die Mutter, dann folgte eine Bestellung nach der Stadt, und schließlich die Mitteilung an die Volkswohlfahrt, daß sie zwei Mädchen schicken möge, Mädchen im Alter von sechs bis acht Jahren, die die Sommerferien auf dem Lande oder in einer Försterei verbringen sollten.
Noch war Frau Sandler beim Schreiben, als Pucki und Waldi in die Veranda kamen.
»Mutti, wir möchten bei dir bleiben und spielen.«
»Ihr müßt euch aber ruhig verhalten, denn Mutti hat Briefe zu schreiben.«
»Was schreibst du denn, Mutti?«
»An die gute Großmama. Du kannst ihr nachher auch ein Küßchen schicken.«
»Au ja, Mutti!«
Fast in jeden Brief, der an die Großmutter abging, zeichnete die Kleine ein Küßchen ein. Es war eine sorgsam gezirkelte Null oder ein Osterei, wie Fräulein Caspari sagte. Auf den Kreis wurden dann die Lippen gedrückt. So konnte die Großmutter sich das Küßchen wieder aus dem Briefe herausholen.
»Mutti, kann ich gleich ein Küßchen schreiben?«
»Nein, erst wenn die Mutti fertig ist.«
Die beiden Kinder spielten miteinander, es dauerte jedoch nicht lange, da ging es wieder recht lebhaft zu. Waltraut stampfte mit den Füßen und Pucki schalt.
»Nein, das kriegst du nicht!«
Frau Sandler schaute vorwurfsvoll zu den Kindern hinüber.
»Streitet ihr euch schon wieder? Ihr braucht euch doch nicht immer zu zanken.«
»Wir zanken uns doch gar nicht!«
»Warum schiltst du denn?«
»Weil