kleine Freundin berichten.«
»Ich möchte gern noch einmal zur Schmanzbäuerin gehen.«
»Gewiß, Rose, das wollen wir tun. Dort hat man dich auch lieb gewonnen, dort sollst du Lebewohl sagen.«
»Tante, wie froh bin ich, daß ich der alten Schmanzbäuerin ein bißchen Freude bringen konnte. Ich habe es hier so gut gehabt, ich konnte dir gar nichts schenken, und wollte dir doch auch etwas Liebes antun.«
»Du hast mir oftmals Blümchen aus dem Walde gebracht, mein gutes Kind, warst immer artig und brav, gar oft habe ich mich über dich gefreut.«
»Das ist alles nicht genug, Tante, das ist nicht genug«, schluchzte Rose, »ich möchte dir zeigen, wie gut ich dir bin.«
»Du hast dich recht nützlich gemacht, mein liebes Mädchen, hast unsere kleine Waldi liebevoll betreut und geduldig mit ihr gespielt. Waltraut wird dich sehr vermissen. Doch nun trockne deine Tränen, wir alle müssen uns sagen, daß es im Leben nicht nur schöne Tage geben kann. Nach der Freude kommt wieder die Pflicht.«
Rose trocknete sich die Augen; sie wollte tapfer sein, wollte ihr großes Trennungsweh verbergen, aber jedesmal überkam sie aufs neue der Schmerz, wenn sie an das Scheiden dachte. Pucki tröstete sie, so gut es ging, und wiederholte unzählige Male:
»Rose, du kommst doch bald wieder. Wenn der Wald wieder grün ist, bist du wieder da.«
Zu der Schmanzbäuerin war Rose in der Ferienzeit öfters hingegangen. Die alte Frau hatte inständig darum gebeten, ihr kleiner, guter Engel möge sich recht oft bei ihr sehen lassen; jedesmal las Rose der alten Frau etwas vor; jedesmal bemerkte Rose, daß sie der fast Blinden dadurch eine große Freude bereitete.
Am heutigen Nachmittage sollte Rose sich von der Schmanzbäuerin verabschieden. Die Försterin gab den Kindern das Geleit.
Zum letzten Male sollte Rose den Wald in seiner ganzen Schönheit sehen, denn gerade um die Schmanz herum standen so herrliche Buchen und Birken wie nirgends sonst.
Und wieder hockte Rose neben der alten Frau. Zum letzten Male für lange Zeit las sie ihr die Geschichte von der Himmelfahrt Christi vor.
»Ich glaube«, murmelte die alte Frau, »daß auch ich nicht mehr lange auf der Erde bin.«
»Großmutter, ich darf im nächsten Jahr wiederkommen, dann lese ich dir noch viel mehr vor. In drei Tagen fahre ich ab.«
»Und kommst nicht mehr zu mir?«
»Ich muß heim, muß wieder in die Schule.«
»Dann wird es wieder dunkel um die alte Großmutter werden, denn dann ist niemand mehr da, der ihr ein wenig Licht in das Herz scheinen läßt.«
»Großmutter«, fragte Pucki, »hat die Rose das getan?«
»Ja, mein Kind, es ist die einzige Freude für mich alte Frau. Die anderen haben keine Zeit, sie müssen um das tägliche Brot arbeiten. Aber die liebe Kleine hier, die hat die alte Großmutter reich und glücklich gemacht.«
»Großmutter, ich kann noch nicht lesen, aber bald kann ich es auch. – Mach' ich dich dann auch reich und glücklich, wenn ich zu dir komme und dir was aus dem dicken Buch vorlese?«
»Das wäre sehr schön, Pucki. Die alte Großmutter hat nichts weiter als das liebe, heilige Buch.«
»Dann lerne ich ganz gewiß sehr schnell lesen, ich möchte dich auch reich und glücklich machen. – Hast du keinen, der dir sonst was vorliest?«
»Nein, mein Kind.«
»Sei mal nicht traurig«, sagte Pucki und strich zärtlich über die welken Hände der Alten, »dann will ich fleißig lernen. Dann komme ich her und lese dir immerfort was vor. – Freust du dich dann auch?«
»Du gutes, gutes Kind! Ja, darauf freut sich die alte Großmutter von ganzem Herzen.«
Wohl eine Stunde lang las Rose vor, dann mahnte Frau Sandler zum Heimgehen.
»Leb wohl, Großmutter«, sagte Rose bewegt, »bleibe gesund und – und Pucki wird kommen und dir vorlesen. Wenn ich im nächsten Jahr wieder hier bin, komme ich auch, dann kann ich viel besser lesen.«
»Gott segne dich, mein Kind! Sollte die alte Großmutter, wenn du im nächsten Jahre wiederkommst, nicht mehr am Leben sein, darfst du dir immer sagen, daß du sie an ihrem Lebensabend sehr glücklich gemacht hast. Das wird dir der liebe Gott in deinem künftigen Dasein reich vergelten.«
Dann kam der Abschied vom Schmanzbauer und dessen Frau. Der sonst mürrische Mann hatte das zarte Stadtkind, das seiner Mutter so viele schöne Stunden bereitete, langsam liebgewonnen. Er klopfte der Kleinen derb auf die Schulter und sagte:
»Bist uns immer willkommen, Mädel, kehre gesund im nächsten Jahre zurück und vergiß uns nicht.«
»Niemals!«
»Das nimmst du mit, und nun leb wohl.«
Der Schmanzbauer ging davon, nachdem er Rose ein großes Paket in den Arm gelegt hatte. Es waren zwei mächtige Dauerwürste, Würste von der besten Sorte, die im Schornstein hingen. Wenn der Schmanzbauer von diesen etwas hergab, stand es fest, daß er den Beschenkten gar gern hatte, sonst opferte er nichts von seiner Lieblingswurst.
Frau Sandler sorgte dafür, daß der Abschied von der alten Bäuerin nicht zu lange und zu schmerzlich wurde. Sie stimmte ein Wanderlied an, und im Marschschritt gingen die drei dem Forsthause wieder zu.
Dort wartete bereits Besuch.
»Ach, großer Claus!«
Mit ausgebreiteten Armen flog Pucki dem Primaner entgegen.
»Ich komme, um mich zu verabschieden. Die Ferien gehen zu Ende, die Schule beginnt.«
»Du willst fort?« Es war Pucki auf einmal, als stecke ihr ein Kloß im Halse.
»Ja, Pucki, wir alle müssen wieder an die Arbeit, wir alle. Bedenke doch, daß ich viel zu lernen habe, da ich Ostern das Abiturium mache.«
»Darum mußt du weg?«
»Ja, Pucki, wir alle müssen wieder lernen. Drücke den Daumen, daß ich es schaffe und daß ich das Examen gut bestehe.«
»Nutzt es dann? Willst du das Examen bestehen?«
»Selbstverständlich, ich würde sehr traurig sein, wenn es mißglückte.«
»Na, dann will ich immerfort meinen Daumen drücken. Großer Claus, welchen soll ich denn drücken?«
»Das ist einerlei, wenn du nur drückst!«
»Ist es so richtig?« Pucki preßte den kleinen Daumen mit den Fingern der anderen Hand.
»Freilich, jedesmal, wenn du an mich denkst, mußt du drücken«, lachte er.
»Ich denk' immerzu an dich, großer Claus! – Ich weiß, wenn ich schlafen gehe, lege ich mich immer auf den Daumen, dann wird er gedrückt, und der Mucki sage ich, sie kann ruhig den Daumen in den Mund stecken. Das soll sie sonst nicht, aber das macht sie. Wenn sie tüchtig auf dem Daumen herumbeißt, wirst du das Examen in der Stadt schon machen können.«
»Nein, Daumenlutschen nützt nichts, nur Daumendrücken. Und nun, kleine, liebe Pucki, habe ich dir zum Abschied auch etwas mitgebracht. Hier, das hänge dir um den Hals, dabei denkst du an den großen Claus.«
Er reichte ihr ein Kettchen, an der ein goldenes Herzchen hing.
»Ist das schön! Mach mir das doch gleich um. Hast du das gekauft?«
»Ja, Pucki, beim Kaufen habe ich daran gedacht, daß meine kleine liebe Pucki genau ein solches goldenes Herzchen hat wie das hier.«
Sie tippte auf das Herz. »Dann hängt mir also mein Herz jetzt um den Hals.«
»Ja, dabei sollst du denken, daß es sehr schön ist, wenn ein Mensch ein goldenes Herz hat. Tut er etwas Schlechtes, so wird das goldene Herz schwarz.«
»Dann