Rachel Amphlett

STILLER TOD


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warst.«

      Dan griff nach der Flasche und deutete damit auf den Mann. »Du kannst mich mal, Marco.«

      Sein Kommentar wurde mit rauem Gelächter und einem angedeuteten Salut beantwortet, bevor sich die Tür öffnete und ein Pärchen über die Schwelle trat, das schnurstracks auf die Take-away-Pizza-Menükarte an der gegenüberliegenden Wand zuging.

      Dan kicherte in sich hinein, trank noch einen Schluck Bier und sah sich dann in dem kleinen Restaurant um, während Marco die Neuankömmlinge begrüßte und ihre Bestellung aufnahm.

      Er hatte Marcos Gesellschaft immer sehr genossen. Der Mann war ein ehemaliges Mitglied der britischen Armee mit italienischen Wurzeln und hatte nach dem Tod seiner Eltern das Familienrestaurant übernommen. Sie hatten etliche lange Nächte damit verbracht, sich gegenseitig mit Geschichten über ihre Abenteuer zu unterhalten.

      Die, über die Dan sprechen konnte.

      Seit er vor drei Jahren das erste Mal hier gewesen war, hatte sich das Restaurant ganz schön verändert. Marco hatte unter anderem einen Take-away-Pizzaservice eingeführt, um auch in den Abendstunden Gäste anzulocken, wenn sich die Pendler, die das Mittagsgeschäft ausmachten, längst zu ihren Häusern in den Außenbezirken aufgemacht hatten.

      Dan gefiel die Atmosphäre und die Lage des Restaurants. Es war nach Dienstschluss gut für ihn zu erreichen, dabei aber abgelegen genug, dass es nie überlaufen war. Außerdem respektierten die Leute, die im Restaurant arbeiteten, seine Privatsphäre.

      Ganz abgesehen davon, dass sie hier, zumindest für Dans Geschmack, das beste italienische Essen in der ganzen Stadt servierten.

      Er blickte auf, als sich die Tür erneut öffnete, und dann stockte ihm der Atem.

      Es war über ein Jahr her, seit er Sarah das letzte Mal gesehen hatte, Monate, seit er mit ihr gesprochen hatte, und immer noch hatte sie die gleiche Wirkung auf ihn.

      Sarah war groß und schlank, sie trug ihr hellbraunes Haar inzwischen so, dass es noch knapp über ihre Schultern fiel und dabei ihr Gesicht umrahmte.

      Als sich die Tür hinter ihr schloss, schob sie ihre Tasche die Schulter hinauf und ließ ihr Handy hineinfallen.

      Nachdem sie mehrere Jahre als erfolgreiche Journalistin gearbeitet hatte, war sie inzwischen als freiberufliche Medienberaterin tätig. Dabei zog sie es allerdings vor, sich von den großen Firmen fernzuhalten und stattdessen kleine Hilfsorganisationen und Umweltgruppen zu unterstützen. Sie hatte Dan gegenüber zugegeben, dass sie wegen dieser beruflichen Veränderung ihr kleines Landhaus in Oxfordshire hatte vermieten müssen, während sie in der Stadt blieb. Doch die Arbeit war bereichernd, etwas, wofür sie sehr dankbar war.

      Er erhob sich, als sie sich ihm näherte, stellte die leere Bierflasche auf die Theke und nahm sie in seine Arme.

      »Hallo«, flüsterte sie.

      »Du riechst gut«, murmelte er in ihre Haare.

      Sie kicherte. »Du hast was getrunken.«

      »Nur ein Bier.«

      »Hungrig?«

      »Ja.«

      »Das bist du doch immer.«

      Dan machte einen kleinen Schritt zurück und grinste sie an. »Schön, dich zu sehen.«

      »Du bist trotzdem ein ausgewachsener Bastard, weil du nicht auf meine Anrufe reagiert hast.«

      Er ließ seine Hände an ihren Armen heruntergleiten und nickte dann mit reumütigem Gesicht. »Bin ich … und das weiß ich auch.«

      Sie runzelte die Stirn und beugte sich ihm entgegen, um sich die Kratzer und Prellungen in seinem Gesicht genauer ansehen zu können. »Geheimkram?«

      »Ganz genau.« Er sah zu Marco hinüber, deutete dabei auf einen Tisch im hinteren Teil des Restaurants und hob fragend seine Augenbraue. Nachdem ihm Marco kurz zugenickt hatte, ergriff er Sarahs Hand und führte sie quer durch das Restaurant, zog ihr einen Stuhl zurecht, der vor einem Wandgemälde stand, auf dem die Amalfi-Küste zu sehen war, und ließ sich dann in einen Stuhl sinken, von dem aus er das gesamte Restaurant im Blick hatte.

      Sarah lächelte, als sie ihre Tasche unter den Tisch stellte. »Manche Dinge ändern sich wohl nie.«

      »Es ist nur zu deinem Besten«, sagte er. »Ich würde sonst die ganze Nacht herumzappeln, wenn ich mit dem Rücken zum Eingang sitzen müsste.«

      »Ich weiß.« Sie sah auf, als Marco mit den Speisekarten näherkam, wählte routiniert eine Flasche Rotwein für sie aus und schenkte dann, nachdem der Besitzer außer Hörweite war, Dan erneut ihre Aufmerksamkeit. »Als ich dich nicht mehr erreichen konnte, habe ich versucht, David oder Mitch anzurufen, aber die sind auch nicht ans Telefon gegangen oder haben mich zurückgerufen, also habe ich mir zusammengereimt, dass ihr drei gemeinsam an einem Auftrag dran seid.«

      Dan schüttelte den Kopf. »Ich war nicht mit ihnen unterwegs«, antwortete er. Warnend hielt er einen Finger in die Höhe, als Marco den Wein brachte und ihre Bestellung entgegennahm.

      Nachdem sich der Restaurantbesitzer auf den Weg in die Küche gemacht hatte, wandte sich Dan wieder Sarah zu.

      »Wie auch immer, genug über mich geredet. Was hast du denn in der Zwischenzeit so getrieben?«

      »Ich arbeite momentan mit einer neuen Umweltschutzgruppe zusammen«, antwortete sie. »Die sind wahnsinnig engagiert, haben aber noch keine richtige Ahnung, wo sie hinwollen«, fügte sie hinzu. »Die meiste Zeit habe ich bisher darauf verwendet, sie davon zu überzeugen, dass es besser ist, sich erst einmal nur auf eine einzige Kampagne zu konzentrieren und nicht alles auf einen Schlag in Ordnung bringen zu wollen, was ihrer Meinung nach in der Welt so falsch läuft.«

      »Und … funktioniert es?«

      »Ziemlich schleppend.« Sarah nippte an ihrem Wein. »Einige von ihnen waren nur schwer zu überzeugen, bis sie die Auswirkungen der von uns durchgeführten Medienkampagnen zu erkennen begannen.«

      Sarah wartete, bis Marco die Vorspeisen vor ihnen hingestellt hatte und beugte sich dann vor, wobei sie die Ellbogen neben ihrem Teller aufstützte. »Wie viel weißt du über die Öl- und Gasindustrie?«

      »Ein bisschen. Warum?«

      Sarah zuckte mit den Schultern. »Es ist schon ziemlich seltsam. Im Büro meines Kunden ist heute Nachmittag ein Paket eingegangen, das an mich adressiert war.« Sie verstummte und steckte eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. »In dem Paket befanden sich jede Menge Unterlagen über ein Schiefergasabbau-Projekt in Northumberland«, fuhr sie fort. »Es scheint streng geheim zu sein, damit die Leute, die dort leben, nicht auf die Barrikaden gehen. Die Öffentlichkeit sorgt sich sowieso schon wegen möglicher Erdbeben, die durch das Fracking verursacht werden könnten. Dazu kommen noch die Gesundheitsrisiken, denen man durch die dabei verwendeten Chemikalien ständig ausgesetzt wird.«

      Dan, der gerade mit der Gabel mehrere Oliven und ein Stück Prosciutto auf einmal aufspießen wollte, hielt inne und blickte zu ihr auf. »Aber …?«

      »Weißt du, ich hab ja inzwischen kaum noch mit solchen Sachen zu tun«, erklärte sie. »Aber bei den Berichten geht es um einen Zwischenfall bei einer der Probebohrungen.«

      »Was für einen … ein Leck oder etwas in der Richtung?«

      Sarah schüttelte ihren Kopf. »Nein.« Leiser fuhr sie fort: »Auf den Projektmanager und zwei Ingenieure wurde geschossen. Die drei sind tot.«

      Dan runzelte die Stirn. »Hast du mehr Einzelheiten?«

      »Nicht viele.« Sie nahm einen Bissen, bevor sie weitersprach. »Es heißt lediglich, dass drei Männer bei einem tragischen Vorfall getötet wurden. Ich schätze mal, die ganze Geheimniskrämerei hat damit zu tun, dass es sich dabei um ein Vorzeigeprojekt der Regierung handelt … eine Möglichkeit, der Öffentlichkeit zu beweisen, dass Fracking eine sichere Abbaumethode ist. Nachdem ich das über die Morde herausgefunden hatte, habe ich natürlich sofort im Projekthauptquartier angerufen und dort war man extrem zugeknöpft.