ich, ich könnte sie mitnehmen, meine Heike«, flüsterte sie gequält.
Cornelia erschrak.
»Das dürfen Sie nicht denken, Frau Berger. Ein schönes gesundes Kind hat ein Recht auf sein Leben. Es findet sich immer ein Ausweg.«
Worte, dachte sie, als sie das Zimmer verließ, nachdem sie der Schwerkranken ihr Schlafmittel verabreicht hatte. Mehr als Worte konnten es nicht sein, und sie spendeten keinen Trost.
Am Sonntag, nach dem Besuch bei ihrer Mutter am frühen Nachmittag, fuhr Cornelia Heike nicht sofort wieder zu Frau Hoppe, sondern sie nahm sie mit zu sich nach Hause. In der stillen Wohnung bei der betagten Nachbarin war sie noch lange genug.
»Du sollst uns helfen, den Erdbeerkuchen aufzuessen, den unsere Frau Schwendtner heute für uns zum Kaffee gemacht hat«, sagte sie munter.
»Wer ist Frau Schwendtner?«, wollte Heike wissen.
Cornelia erzählte ein bisschen von dem guten Geist im Hause, von ihrem Vater, der Häuser baute und wie sie so lebten.
»Schön ist es hier«, rief Heike aus, als sie ausstiegen, und sie sah sich um, wo es viel Grün gab und hübsche Einfamilienhäuser. »Das ist lieb von dir, dass du mich mitgenommen hast und ich nicht gleich wieder zu Frau Hoppe muss. Oh, Verzeihung!« Sie legte ihr Händchen gegen den Mund, weil sie die Frau Doktor aus Versehen geduzt hatte.
»Bleib ruhig dabei, Heike.« Cornelia lächelte. »Wir kennen uns ja nun schon gut, da brauchst du mich nicht mehr zu siezen. Kannst auch Tante Cornelia zu mir sagen.«
Heike strahlte. »Cornelia, das ist ein schöner Name«, befand sie.
Das Kind wurde freundlich, ja herzlich empfangen, denn nicht nur der Hausherr, auch die Wirtschafterin wusste inzwischen um sein trauriges Schicksal. Zu viert saßen sie um den Tisch und ließen sich den frischen Kuchen munden. Bruno Meinhard fragte die Kleine nach der Schule, Frau Schwendtner erzählte von ihren Enkeln, die sie leider nur selten sah, weil sie weit weg wohnten. So waren sie bemüht, Heike abzulenken und sie Wärme und Zuwendung spüren zu lassen.
»Besuche uns nur einmal wieder«, sagte Cornelias Vater, als er merkte, dass dem Kind nach einer guten Stunde das Fortgehen schwer wurde. Das hübsche Gesichtchen schien förmlich kleiner zu werden. Heike bedankte sich artig und ging an Cornelias Hand davon, um zu Frau Hoppe zurückzukehren. Und die Mami blieb im Krankenhaus, und niemand sagte ihr, wann sie wieder heimkommen würde.
»Du hast ihr erlaubt, dich Tante zu nennen«, sprach Bruno Meinhard später mit ernster Miene zu seiner Tochter. »Wohin soll es führen, wenn sie sich zu sehr an dich anschließt, wie es jetzt schon den Anschein hat?«
Cornelia wusste keine Antwort darauf. »Du hast ja auch gesagt, sie solle wiederkommen«, hielt sie ihm entgegen.
Der Mann nickte gedankenvoll. »Sie ist so ein armes kleines Ding«, murmelte er, als erkläre das alles.
Um neunzehn Uhr war Cornelia mit Markus verabredet. Er hatte einen Tisch in ihrer beider Lieblingsrestaurant reservieren lassen, wo sie essen wollten. Sie hatten sich seit mehr als drei Wochen nicht gesehen, und Cornelia gestand es sich jetzt erst ein, dass sie ihn vermisst hatte. In seiner Gegenwart sah die Welt doch gleich ganz anders aus. Er erzählte von der Norwegenfahrt, bei der er die Reiseleitung hatte. Es war dieselbe Route wie jene, bei der sie sich kennengelernt hatten, und mancher Satz begann mit »Weißt du noch –?« Der Nordfjord, die reißenden Wasserfälle, die in den engen Talkessel stürzten – all das wurde wieder vor Cornelias geistigem Auge lebendig.
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