Gabriele Ketterl

Wenn die Träume laufen lernen 2: LANZAROTE


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ja richtig gut. Ob ich da mithalten kann?«

      »Aber sicher doch, du hast heute Nachmittag erst den Ablauf und die Schrittfolge erfahren, du hattest nur ein paar Stunden Zeit zum Üben. Dafür hast du eine sehr gute Leistung gezeigt«, beruhigte Roberta sie und wandte sich Esteban zu. »Und du hast das heute aber auch nicht zum ersten Mal gemacht, oder?«

      Esteban verneinte lächelnd. »Ich bin in einer sogenannten Flamencohöhle in Granada groß geworden. Das Tanzen liegt mir im Blut, ich liebe es. Da kommen die Bewegungen ganz von alleine.«

      Nun war ich erstaunt. »Du hättest die alte Crew doch so richtig aufmischen können. Warum hast du denen nicht gezeigt, wo es langgeht?«

      Der Rettungsschwimmer und neue Flamencotänzer schnaubte verächtlich. »Weil ich nicht mittanzen durfte. Nur die Stars aus der Truppe durften auf die Bühne. Ich bestenfalls als Kabelträger.«

      »Diese Penner.« Fernando brachte es auf den Punkt. »Aber jetzt gehörst du dazu und ich denke, du bist eine Bereicherung für uns.«

      »Danke, das freut mich richtig. Aber darf ich mal was fragen? Ähm, Caroline, ehe ich mich verplappere, bist du nicht sauer, wenn du so was siehst?«

      »Wenn du mir jetzt noch sagst was?« Wenn ich müde war, war ich leicht zu verwirren, und ich war verdammt müde.

      Esteban errötete ein wenig, es war ihm sichtlich unangenehm. »Nun, ich denke, vor allem nach der Show, dass du und Carlos ein Paar seid. Und jetzt knutscht er mit der Rothaarigen da drüben.«

      Ich lächelte ihn nachsichtig an. »Nein, Esteban, keine Sorge. Das heißt nur, dass auch unser Schwerenöter vor dem Herrn langsam richtig hier ankommt. Carlos und ich sind sehr gute und enge Freunde, doch wir sind kein Paar. Alle Klarheiten beseitigt?«

      »Ja, ich denke schon. Bitte entschuldige meine direkte Art, aber ich mag einfach gerne wissen, woran ich bin, ehe ich mich in die Nesseln setze.«

      »Ein Wesenszug, den wir alle zu schätzen wissen.« Ich hob mein Cocktailglas und hielt es ihm entgegen. »Salud! Und auf gute Zusammenarbeit.«

      Eine halbe Stunde später verabschiedete ich mich und zog mich, nun endgültig hundemüde, in mein Studio zurück. Bei Carlos brannte kein Licht, daher nahm ich an, er wäre mit der hübschen Lady verschwunden. Ich gönnte ihm den Spaß von ganzem Herzen. Ich duschte noch einmal kurz, schlüpfte in ein weißes Tank Top und eine etwas zu große Schlafanzughose, die ich am Bund zwei Mal umkrempeln musste, ehe sie vernünftig auf meiner Hüfte aufsaß. Carlos fand immer, das sähe süß aus. Wenn er denn meinte! Um runterzukommen, schnappte ich mir eine Flasche Kakao, setzte mich, ohne Licht anzumachen, auf den Balkon und zündete mir eine Zigarette an. Mit geschlossenen Augen genoss ich die Ruhe. So lange, bis sich ein mir wohlbekannter Geruch in diese Luft mischte.

      Coronas?

      Ich lugte neugierig über die Brüstung, doch da war niemand. Nur eine Blumenhecke und eine weiße Mauer trennten mich vom Meer. Und doch rauchte hier jemand, und zwar Coronas. Fernando rauchte Marlboro und Roberta wie ich Marlboro Light – und zwar meine, wann immer sie gerade Lust verspürte.

      Endlich gelang es mir, den Geruch zu lokalisieren. Er kam von Carlos‹ Balkon. Seltsam, er nahm nie Mädels mit in seine Wohnung. Sollte er neue Gewohnheiten an den Tag legen? Ich rauchte meine Zigarette fertig, trank den Kakao aus und wollte mich gerade zurückziehen, als ich von drüben ein seltsames Stöhnen vernahm. Sekunde einmal! Das klang ja nun gar nicht lustvoll. Verdammt, was sollte ich tun? Über den Balkon klettern und riskieren, dass ich unabsichtlich der Grund für einen Coitus interruptus war? Oder einfach ins Bett gehen?

      Nein, ganz sicher nicht. Ein erneutes Seufzen und etwas, das nach einem unterdrückten Schluchzen klang, ließen mich meine Bedenken vergessen. Leise schlich ich an die Mauer und schätzte die Entfernung zu seinem Balkon ab. Mir wurde ein wenig schwummrig, im Gegensatz zu Carlos litt ich sehr wohl unter Höhenangst. Aber das half mir jetzt nichts, ich musste rüber und dabei könnten mich, wenn ich die Tür nahm, alle sehen, die noch in der Anlage unterwegs waren. Egal! Ich überwand meine Furcht, kletterte auf die Brüstung, hielt mich so gut wie möglich an der Mauer fest und suchte mit dem linken Fuß nach Halt. Ich war erfolgreich und so konnte ich wenig später, nicht annähernd mit der Eleganz meines Freundes, auf seinen Balkon krabbeln. Er saß nur mit seiner Jeans bekleidet in einem der Stühle. Seine Ellbogen waren auf die Knie gestützt und sein Gesicht verbarg er in den Händen. Ich ging vor ihm in die Hocke. »Carlos?«

      Sein Kopf ruckte erschrocken hoch. »Cara, wo zum Teufel kommst du her?«

      Seine Begrüßungen waren auch schon einmal freundlicher gewesen.

      »Na rat doch mal, von nebenan natürlich.«

      »Über den Balkon?«

      Ich nickte. »Klar, wie denn sonst?«

      »Bist du wahnsinnig? Was, wenn du runtergefallen wärst?«

      Ich runzelte die Stirn. »Du darfst hier über Brüstungen hüpfen. Warum bitteschön ich nicht?«

      Er richtete sich auf und atmete tief durch. »Weil dir etwas zustoßen könnte.«

      »Und dir nicht, oder wie?«

      »Das ist etwas anderes.«

      »Ja dann.« Langsam wurde ich sauer. »Wenn du Scheißlaune hast, dann gehe ich eben wieder.«

      Schon erhob ich mich, doch er war schneller.

      »Nein, nein. Nicht böse sein. Ich stehe einfach etwas neben mir. Bitte entschuldige. Ich freue mich, dass du hier bist.« Er fasste mich um die Hüfte und zog mich auf seinen Schoß.

      Sofort war ich wieder besorgt. »Carlos, was hast du? Es lief heute doch alles sehr gut. Und es schien am Pool auch so, als sei dein Abend in trockenen Tüchern.«

      Seine Arme legten sich noch etwas fester um mich und ich schlang meine unter seinen langen Haaren hindurch und um seine breiten Schultern.

      »Ich war auch versucht, aber alles in mir sträubt sich.«

      »Huch! Was sind das denn für Töne?«

      Er zuckte die Schultern. »Ich mag nicht. Es fühlt sich einfach nicht richtig an.«

      »Hm, das klingt so gar nicht nach meinem Carlos. Ist es immer noch wegen Penny?«

      Er zog eine Grimasse. »Schon möglich. Ich weiß es nicht.«

      Trotz aller Bemühungen konnte ich ein Gähnen nicht unterdrücken.

      »Verzeih, aber ich schlafe gleich ein. Ich glaube, ich muss doch wieder zurück und eine Runde schlafen.«

      Er schob seinen rechten Arm unter meinen Beinen hindurch, stand auf und hob mich mit hoch.

      »Ja, schlafen täte mir sicher auch gut. Aber du musst dazu nicht wieder über den Balkon klettern, noch dazu, wenn du schon halb schläfst. Du bleibst hier.«

      Meine Arme lagen noch immer um seinen Hals. »Ach, das beschließt du einfach mal so?«

      Ein verhaltenes Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Ja, das beschließe ich einfach so.«

      Er trug mich hinein, ließ die Schiebetüre offen und legte mich auf sein Bett, wo ich kühle Satinbettwäsche spürte.

      »Ich hab aber noch keine Zähne geputzt.«

      Im Mondlicht konnte ich seine Züge deutlich erkennen. Nun lächelte er wirklich.

      »Dann verzichtest du heute darauf. Komm, sei wagemutig. Außerdem riechst du so köstlich nach Schokolade.«

      »Na gut, ich lass es ausfallen.«

      »Gangster!« Carlos glitt, elegant wie immer, zu mir unter die Decke. Er breitete die Arme aus und ich schmiegte mich an ihn.

      »Cara, darf ich dich küssen?«

      »Dumme Frage.« Ich hob meinen Kopf und wir küssten uns. Zart, vorsichtig und liebevoll. Ich spürte, dass er mehr wollte, doch ich löste mich von ihm, fuhr noch einmal zärtlich