Jörg Winter

Der Kunde ist Gast


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Preise für austauschbare Produkte des täglichen Bedarfs einerseits, unkritisches Ausgabeverhalten für Produkte, die das Lebensgefühl bestimmen, andererseits.

      Wie kann in dem skizzierten, chaotisch anmutenden Rahmen überhaupt Kundenbindung erzielt werden? Wie schafft man es, mit seinen in der Regel vollständig austauschbaren Dienstleistungen und Produkten nachhaltig in das Bewusstsein der Kunden zu rücken? Ausgangspunkt für alle weiteren Überlegungen ist die Überzeugung, dass die meisten Kunden unverändert nur Eines wollen: Unternehmen sollen ihren Job machen, und zwar ›ordentlich‹. Vom Bäcker werden gleichbleibend gute Brötchen erwartet, vom Friseur eine gleichbleibende Qualität des Haarschnitts, von der Autowerkstatt eine lückenlose Ausführung des Serviceplans, im Hotel- und Gaststättengewerbe eine verlässliche Qualität der zubereiteten Speisen usw. Durch die wachsende Neigung zahlreicher Dienstleister, ihr Angebotsspektrum artfremd zu erweitern (Nebensortimente, die das Kerngeschäft nicht stärken), oder durch einen überzogenen aufgefächerten Servicekatalog läuft ein Unternehmen Gefahr, die eigentlichen Kernkompetenzen nicht hinreichend zu pflegen und an Basisqualität einzubüßen. Denn vor allem anderen sichert die Perfektionierung der Basisleistungen dem Kunden Premium-Qualität.

      Perfektionieren Sie Ihre Basisleistungen.

      »Back to the roots« oder ein Ausbau der handelsspezifischen Stärken – in der Marketingterminologie heißt das »Die Stärken stärken« – ist das Erfolgsmuster, nach dem auch in traditionellen Branchen Kunden zufriedengestellt und hinzugewonnen werden können. Welche Basisleistungen werden aber vom Einzelhandel mit Büchern und Medien erwartet?

       Ein verkäufliches hochaktuelles Angebot

      Ladenhüter langweilen das Publikum und sind, ganz zu schweigen von den betriebswirtschaftlichen Konsequenzen, für jedwede Form der Kundenbindung ungeeignet. Ein schnell drehendes Sortiment, in kurzen Bedarfszyklen bestückt, stellt den Idealfall für den Kunden dar. Die Basisleistung verkäufliches Sortiment ist die Eintrittskarte für jeden Einzelhändler.

      Was so einfach klingt, stellt sich in der Praxis als schwierig dar. Denn nach allgemeiner Branchengepflogenheit ist das Vollsortiment immer noch erklärtes Ziel vieler Unternehmen. Attraktiv wird eine Buchhandlung aber erst, wenn sich das Angebot flexibel an die wechselnden Kundenbedürfnisse anpasst. Dabei sollte erreicht werden, dass Kunden die vorgenommenen saisonalen Veränderungen spüren und wahrnehmen können. Nehmen wir als Beispiel einen Fachhändler für Sportartikel. Wie absurd wäre eine Angebotspolitik, die nahezu ohne Schwerpunktbildung mitten im Winter gleichberechtigt Wintersportequipment als auch Sommersportartikel bereit hielte. Durch die Rücksichtnahme auf saisonale Zyklen vermittelt die wechselnde Angebotsstruktur Aktualität und gleichzeitig Kompetenz.

      Übertragen wir es auf die Buchbranche. Hier geht es zunehmend um das Erkennen so genannter Minitrends. Waren vor Jahren Bastelbücher und das Thema Hobby auf dem absteigenden Ast, ist seit einiger Zeit ein Wiedererstarken dieser Segmente zu erkennen. Oder vergegenwärtigen wir uns den wachsenden Bedarf an Büchern im Buchsegment Lebenshilfe. In den mitunter schwer abgrenzbaren Bereichen Philosophie, Religion und Esoterik lassen sich einige Spitzenautoren erkennen, die im Gesamtangebot nicht untergehen dürfen, sondern prominente Plätze einnehmen müssen. Zum elementaren Handwerkszeug im Handel gehört ferner, dass beispielsweise im Herbst das Kochbuchregal mit Titeln zur Kürbiszubereitung bestückt wird und weniger durch eine Spargelrezeptsammlung irritiert.

      Schließlich gilt es ein zunehmendes Hauptmotiv der Stammkundschaft konsequent zu bedienen. Wir sprechen von persönlichen Empfehlungen, die für regelmäßige Kunden an Relevanz gewonnen haben. Direkt neben den offiziellen Bestsellern platziert, im Idealfall durch gut gemachte Fotos der Mitarbeiter unterstrichen, geben sie der Buchhandlung das eigene Gesicht.

      Ein Beispiel aus einer anderen Branche: Hochwertige Schreibgeräte haben in Deutschland seit einiger Zeit einen ungewöhnlichen Nachfrageeinbruch zu verzeichnen. Die Entwicklung zeichnet sich schon seit Jahren ab und führt dazu, dass selbst namhafte Papeteriegeschäfte den einstigen Imageträger beträchtlich reduzieren und im Einzelfall deren Aufgabe in Betracht ziehen. Genau hier liegt die große emotionale Blockade von leidenschaftlichen Verkäuferinnen und Verkäufern. Gehört ein Produktbereich seit Jahren zum Teil des prägenden Kernsortiments, werden Nachfrageeinbrüche nur widerwillig zur Kenntnis genommen oder als kurzfristige saisonale Schwankung interpretiert. Professionelle Unternehmen nehmen derartige Trends wahr, erhärten sie durch Gespräche in Fachkreisen und treffen dann schnell Ihre Entscheidung. Zusammengefasst: Erheben Sie keinen Anspruch mehr auf ein ganzjähriges Vollsortiment sondern passen Sie reaktionsstark Ihre Schwerpunktsortimente den saisonalen Erfordernissen und den aktuellen Themen an.

      Sie erreichen Premium-Qualität nur über Beschränkung.

       Service

      Ein Wort zu den klassischen Serviceleistungen. Fachkundige Beratung, engagierte Recherche nicht vorrätiger Artikel, Bestellungen im Auftrag des Kunden, Einpackservice, Versand auf Wunsch, Ausgabe einer Kundenkarte, Produkt-Events der Verlage usw. lassen den Katalog der Serviceleistungen anschwellen. Nun wird ein Großteil der genannten Leistungen aus Sicht der Kunden nicht mehr als Service erachtet, sondern zunehmend als Basisleistung. D. h. der Anspruch, den Kunden an ein Fachgeschäft richten, wächst zunehmend.

      Aus Kundensicht hingegen wird Freundlichkeit als Service hoch bewertet, quasi als Ausnahmeverhalten in der viel beschriebenen Servicewüste Deutschland. Dabei handelt es sich um vergleichsweise einfache Verhaltensmuster, die Wirkung erzielen. Neben der obligatorischen Begrüßung wird der Verabschiedung große Bedeutung zugemessen. »Vielen Dank für Ihren Besuch!« oder »Viel Spaß beim Schenken!« oder auch »Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!« erzeugen bei den meisten Kunden bereits das Gefühl des Willkommenseins, obwohl es sich um ein durchaus überschaubares Repertoire an Formulierungen handelt.

      In den gleichen Themenkreis gehören Aufmerksamkeiten wie das Türe-Aufhalten für Senioren, für Mütter oder Väter mit Kinderwagen sowie für all diejenigen, die mit viel Gepäck beladen das Geschäft betreten oder auch verlassen möchten. All das gelingt über ein durchgängig aufmerksames Verhalten, das auf den Kunden und nicht auf die Ware bzw. auf die Abläufe konzentriert ist. Ähnlich wie Freundlichkeit wird auch der großzügige Umgang mit Umtauschwünschen in der Kundengunst hoch bepunktet. Im Laufe der weiteren Ausführungen wird diesem bedeutenden Thema viel Raum gewidmet.

       Ambiente

      Denken wir zunächst einmal an das Ladendesign. Attraktive Ladenbaukonzepte mit pfiffigen Ideen und ausgewählten Materialien gehören heute zum Standard moderner Unternehmen. An ein angenehmes Ambiente gewöhnen sich Menschen in aller Regel sehr schnell. Der Modernitätssprung zur vorangegangenen Einrichtung wird umgehend als normal empfunden. Im Mittelpunkt eines Ladenkonzeptes stehen heute zwei Anforderungen. Zum einen soll die Verweildauer des Kunden erhöht werden, da der Zusammenhang zwischen Verweildauer und Umsatztätigkeit des Kunden klar auf der Hand liegt. Des Weiteren muss Übersichtlichkeit und eine optimale Wegführung gewährleistet werden, um die gewollten Selbstbedienungseffekte zu unterstreichen.

      Der Zugang zur Ware muss so leicht wie möglich sein. Genau an diesem Punkt brechen traditionell Konflikte zwischen Verlagen und Buchhandlungen auf. Denn manche Lieferanten stellen mitunter erstklassig designte Displays und Verkaufsmöbel zu Verfügung – in der Absicht, durch die verbesserte Präsenz ihrer Produkte einen vermehrten Abverkauf zu bewirken. Aber dem Handel wird dadurch nicht nur geholfen. Denn allzu häufig werden durch den vermeintlichen Vorteil Nachteile erkauft: Der Lagerbestand erhöht sich weitaus stärker als die gewollten Umsatzzuwächse sich einstellen, die Übersichtlichkeit des Geschäftes leidet und der Zugang zu den Sortimentsbereichen, die sich hinter den Displays befinden, kann derart beeinträchtigt werden, dass sich in den davon betroffenen Regalträgern nur noch rudimentär Umsätze tätigen lassen.

      Gewährleisten Sie den unverstellten Zugang zur Ware.

      Alles in allem führt die Abwägung der Chancen und Risiken traditioneller Displays in modern geführten Unternehmen zu einer reservierten Haltung gegenüber fremden Verkaufsmöbeln.

      Neben