Friedrich de La Motte Fouque

Die Geschichte vom Galgenmännlein


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rief der Hispanier zornig, »du darfst nur an mein Fest von gestern Abend zurückdenken, um zu wissen, ob ich um deiner lausigen neun Dukaten willen betrügen werde oder nicht.«

      »Wer viel gastiert, verbraucht auch viel«, versetzte der junge Kaufmann sittig, »und nur ein Handwerk, nicht aber ein Geldsäckel hat einen goldnen Boden. Wenn Ihr nun Eueren letzten Dukaten gestern ausgegeben hättet, könnten Euch heute meine vorletzten neune dennoch lieb sein.«

      »Entschuldige es, dass ich dich nicht totsteche«, sagte der Hispanier.

      »Es geschieht, weil ich hoffe, du werdest mir noch von meinem Galgenmännlein loshelfen, und dann auch, dieweil ich gesonnen bin, Pönitenz zu tun, welche auf solche Weise nur erschwert und vergrößert würde.«

      »Möchten mir wohl einige Proben mit dem Dinge vergönnt sein?« fragte der junge Kaufherr auf das vorsichtigste.

      »Wie ginge das an?« versetzte der Hauptmann. »Es bleibt ja bei keinem und hilft auch keinem, als der es vorher richtig und bar erstanden hat.«

      Dem jungen Reichard ward bange; denn es sah unheimlich aus auf dem öden Platz, wo sie in der Nacht beisammen saßen, ob ihn gleich der Hauptmann versicherte, er zwinge ihn zu nichts, wegen der bevorstehenden Buße. Jedoch schwebten ihm zugleich alle Freuden vor, die ihn nach dem Besitz des Galgenmännleins umgeben würden. Er beschloss also, die Hälfte seiner letzten Barschaft daran zu wagen, vorher jedoch versuchend, ob er nicht etwas von dem hohen Preise herunterhandeln könne.

      »Du Narr!« lachte der Hauptmann. »Zu deinem Besten heischte ich die höchste Summe, und zum Besten derer, die es nach dir kaufen, damit es nicht einer so frühe für die allerniedrigste Münze der Welt erstehe und unwiederbringlich des Teufels sei, weil er es ja dann nicht mehr wohlfeiler verkaufen kann.«

      »Ach lasst nur«, sagte Reichard freundlich. »Ich verkaufe das wunderliche Ding wohl so bald nicht wieder. Wenn ich’s also für fünf Dukaten haben könnte« –

      »Meinetwegen«, erwiderte der Hispanier. »Du arbeitest dem schwarzen Teuflein seine Dienstzeit um die letzte, verlorne Menschenseele recht kurz.«

      Damit händigte er dem jungen Gesellen gegen Bezahlung des Kaufschillings ein dünnes gläsernes Fläschchen ein, worin Reichard beim Sternenlichte etwas Schwarzes wild auf und nieder gaukeln sah. Er forderte gleich zur Probe in Gedanken seine gemachte Auslage verdoppelt in seine rechte Hand und fühlte die zehn Dukaten alsbald darin. Da ging er froh nach dem Wirtshause zurück, wo die andern Gesellen noch zechten, sich alle höchlich verwundernd, wie die beiden, welche erst eben so trübsinnig von ihnen geschieden waren, nun mit sehr heitern Angesichtern wieder hereintraten. Der Hispanier aber nahm kurzen Abschied, ohne bei dem kostbaren Freudenmahle zu bleiben, welches Reichard, ob es gleich schon spät in der Nacht war, anzurichten befahl, es dem misstrauischen Wirte vorausbezahlend, während durch die Kraft des Galgenmännleins ihm beide Taschen von immer neu herbeigewünschten Dukaten klingelten.

      Diejenigen, welche sich selbst ein solches Galgenmännlein wünschen möchten, werden am besten beurteilen können, welch ein Leben der lustige junge Gesell von diesem Tage an führte, es sei denn, dass sie sich dem Geize allzu unmäßig ergeben hätten. Aber auch ein vorsichtiges und frömmeres Gemüt mag leichtlich ermessen, dass es gar wild und verschwenderisch herging. Sein erstes war, dass er die schöne Lukrezia – denn also nannte sich, frechen Spottes, seine frühere und kostbare Buhlschaft – durch unerhörte Summen für sich ganz allein gewann, worauf er dann ein Schloss und zwei Villen erkaufte und sich mit allen möglichen Herrlichkeiten der Welt umgab.

      Es geschah, dass er eines Tages mit der gottlosen Lukrezia im Garten eines seiner Landhäuser am Rande eines schnellen, tiefen Bächleins saß. Viel ward geneckt und gelacht unter den zwei törichten jungen Leuten, bis endlich Lukrezia unversehens das Galgenmännlein erwischte, das Reichard an einem goldnen Kettlein unter seinen Kleidern an der Brust trug. Bevor er es noch verhindern konnte, hatte sie ihm das Kettchen losgenestelt und hielt nun die kleine Flasche spielend gegen das Licht. Erst lachte sie über die wunderlichen Kapriolen des kleinen Schwarzen darinnen, dann aber schrie sie plötzlich voll Entsetzen: »Pfui doch! das ist ja gar eine Kröte!« und schleuderte Kette und Flasche und Galgenmännlein in den Bach, der alles zusammen mit seinen reißenden Wirbeln sogleich dem Auge entzog.

      Der arme junge Gesell suchte seinen Schrecken zu verbergen, damit ihn seine Buhlin nicht weiter befrage und ihn noch endlich gar wegen Zauberei vor Gericht ziehe. Er gab das ganze Ding für ein wunderliches Spielwerk aus und machte sich nur, sobald es gehn wollte, von der Lukrezia los, um im stillen zu überlegen, was nun am besten zu tun sei. Das Schloss hatte er noch, die Landhäuser desgleichen, und eine schöne Menge Dukaten musste in seinen Taschen stecken.

      Gar freudig aber ward er überrascht, als er, nach dem Gelde fassend, die Flasche mit dem Galgenmännlein in die Hand bekam. Die Kette mochte wohl auf dem Grunde des Bächleins liegen, Flasche aber und Galgenmännlein waren richtig an ihren Herrn zurückgekommen. –

      »Ei«, rief er jubelnd aus, »so besitze ich ja einen Schatz, den mir keine Macht der Erden rauben kann!« und hätte das Fläschlein beinahe geküsst, nur dass ihm der kleine gaukelnde Schwarze darin etwas allzu grässlich vorkam.

      War es jedoch bisher wild und lustig zugegangen, so trieb es Reichard nun noch zehnmal ärger. Auf alle Potentaten und Regenten des Erdreichs blickte er mit Bedauern und Verachtung herab, überzeugt, dass keiner von ihnen ein nur halb so vergnügtes Leben führen möge als er.

      Man konnte in der reichen Handelsstadt Venezia fast nicht mehr so viele Seltenheiten an Speise und Trank zusammenbringen, als wie zu seinen schwelgerischen Banketten erfordert wurden. Wenn ihn irgendein wohlmeinender Mensch darüber schelten oder ermahnen wollte, pflegte er zu sagen: »Reichard ist mein Name, und mein Reichtum ist so hart, dass ihm keine Ausgabe den Kopf einzustoßen vermag.« Gar unmäßig pflegte er auch oftmals über den hispanischen Hauptmann zu lachen, dass er einen so köstlichen Schatz von sich gegeben habe und noch dazu, wie man höre, ins Kloster gegangen sei.

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