Holly Summer

Boston Bad Boys (Sammelband)


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anderen modernen Firmen üblich ist. Besonders, wenn ich an den Hai von einem Chef denke. In letzter Zeit ist er besonders penetrant. Mister Fullerton Junior ist und bleibt ein alter Kotzbrocken, der nur Dollarzeichen in den Augen hat – wenn er nicht gerade seine Mitarbeiterinnen betatscht.

      Diesen Monat konnte ich trotz vieler Außentermine noch keinen Abschluss machen. Das liegt nicht an mir, sondern an der Konkurrenz. Besonders an unserem stärksten Rivalen, J. Edwards Immobilien. Jedes Mal, wenn ich glaubte, das Geschäft in der Tasche zu haben, kam ein Mitarbeiter seiner Firma und hat dazwischengefunkt.

      Dieser Edwards ist nicht nur mir ein Dorn im Auge, er ist der Schrecken der ganzen Immobilienbranche. Ich kenne ihn nicht, weiß nicht mal, wie er aussieht, aber ich kann ihn mir lebhaft vorstellen. Sicher ein schmieriger Businesstyp mit Bauchansatz, schütterem Haar und einem dicken Schlitten, mit dem er bei seinen Kunden vorfährt, um Eindruck zu schinden. Man hört, dass er in der High Society von Boston verkehrt.

      Seine Methoden sind mir ein Rätsel, aber sicher spielt er mit den oberen Zehntausend am Sonntagmorgen Golf oder wickelt seine Klienten mit Besuchen in Nachtclubs um den Finger, in denen die Frauen mehr zeigen, als nötig wäre. Was für ein Klischee! Vorstellen könnte ich es mir, denn dass er nicht ehrlich spielt, ist in der Branche bekannt.

      Nächste Woche habe ich einen Termin für ein Objekt, das richtig viel Provision bringt, da muss es klappen. Mein Klient ist ein Mann und keine von den reichen First-Class-Ladys, die auf ein bisschen Speichelleckerei abfahren und sich von einem arroganten Sack wie Edwards einwickeln lassen. Ich sehe mich schon, wie ich meinem Chef den unterschriebenen Vertrag auf den Tisch knalle, innerlich zufrieden grinsend, während er fett und feist hinter seinem Schreibtisch sitzt und ein verdutztes Gesicht macht.

      Schnell weiche ich einer Pfütze aus und hätte dabei beinahe den Lenker verrissen. Die Straßen sind noch nass von dem Unwetter, das gestern Nacht über die Stadt gefegt ist, und überall liegen Blätter, die der Wind von den Bäumen gerissen hat. Die Luft riecht frisch nach feuchter Erde. Ich sauge sie gierig ein, als ich in den Park einbiege. Nur noch ein kurzes Stück, dann habe ich es geschafft. Vor mir ragt schon der Wolkenkratzer auf, in dem sich das Maklerbüro Fullerton befindet. Um diese frühe Tageszeit ist es noch ruhig hier, nur ein Jogger und eine Frau mit einem kleinen Kind an ihrer Seite kommen mir entgegen. Die Kleine zerrt quengelnd am Arm der Frau, die mit dem Handy in der anderen Hand keinen Blick für das Mädchensie übrig hat. Stattdessen ist sie ganz auf ihr Gespräch konzentriert.

      Plötzlich reißt sich das Kind von der Hand der Frau los, deutet auf irgendetwas auf meiner linken Seite und läuft ohne zu schauen direkt in meine Fahrtrichtung. Die Kleine muss mich total übersehen haben. Ihr Schrei, der folgt, als sie mich dann doch entdeckt, hallt in meinen Ohren, der entsetzte Blick brennt sich in meine Gedanken und ich reagiere instinktiv. Ich greife in die Bremsen und reiße den Lenker zur anderen Seite. Den Jogger, der jetzt fast auf meiner Höhe ist, blende ich dabei völlig aus.

      Dann passiert das Unvermeidliche: Statt einen Sprint über die Rasenfläche zu machen und dem Jogger damit noch auszuweichen, bleibe ich mit dem Vorderrad an einem kleinen Mäuerchen hängen, das ein Blumenbeet abgrenzt, und verliere die Kontrolle über das Rad. Der entsetzte Ausruf des Joggers, die aufgerissenen Augen der Frau und mein Aufprall auf dem sandigen Boden sind alles, was ich noch wahrnehme, bevor ich mit dem Kopf auf den weichen Sandboden aufschlage.

      Verdammte Scheiße! Im ersten Moment verspüre ich keinen Schmerz, sehe in Gedanken nur die schreckliche Szene vor mir, wie das Kind blutend auf dem Weg und der Jogger unter dem Rennrad begraben liegen. Ich öffne die Augen und ein Stöhnen entfährt mir, als ich meinen Kopf heben will. Zum Glück scheint mir nichts Schlimmeres passiert zu sein. Vielleicht eine Gehirnerschütterung? Dafür war der Aufprall nicht heftig genug. Das erschrockene Weinen des Kindes durchdringt die Stille um mich herum.

      Nachdem der erste Schock überwunden ist, sehe ich unter dem Schmutz an meinen Händen, dass die Haut leicht aufgekratzt ist. Der Schreck sitzt mir in allen Gliedern und mein linker Arm schmerzt ein wenig. Mit der anderen Hand streiche ich darüber. Ein Blick auf den Mann, den ich zu Boden gerissen habe, zeigt mir, dass ihm vermutlich auch nicht viel passiert ist. Er steht auf, klopft sich den Schmutz von der Kleidung und schaut sich nach dem Kind um, das für den Unfall verantwortlich war und jetzt unbeschadet in den Armen der Frau an seiner Seite liegt und sich langsam wieder beruhigt. Dann gleitet sein Blick zu mir und alle Freundlichkeit verschwindet wie durch Zauberhand aus seinem Gesicht.

      Dabei sieht er verdammt sexy aus.

      Warum beunruhigt mich das? Vielleicht weil er mich mit diesem drakonischen Gesichtsausdruck fixiert? Ein kurzer Schauer legt sich über meine Haut und ich ziehe unbewusst die Schultern nach oben, als würde es mich frösteln. Ich spüre, wie sich meine Nippel hart zusammenziehen. Er zieht sich die Kopfhörer aus den Ohren und spricht mich an.

      »Können Sie aufstehen? Oder sind Sie verletzt?«

      Seine Stimme ist kräftig und doch wirkt sie sinnlich und anziehend auf mich. Ich muss bei dem Sturz doch etwas mehr abbekommen haben, anders kann ich mir meine Reaktion auf ihn nicht erklären. Ich versuche umständlich, auf die Beine zu kommen.

      »Es geht schon. Ich glaube nicht.«

      Jetzt, wo er direkt vor mir steht, wird mir seine Wirkung auf mich erst bewusst. Er ist groß, muskulös gebaut und sieht nicht nur fantastisch aus, er ist ein Traum von einem Mann. Das fällt mir jetzt so richtig auf, als ich vor ihm auf dem Boden sitze und zu ihm aufschaue. Mein Blick gleitet unbewusst zu seinem Ringfinger. Da ist nichts, nur glatte Haut.

      Immer noch fixieren seine stahlblauen Augen mich unter seiner Baseballkappe. Ich kann nur verlegen zur Seite sehen. Er geht zwei Schritte auf mich zu, greift entschlossen unter meine Arme und zieht mich vorsichtig hoch, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass mir wirklich nichts weiter fehlt, dann setzt er mich auf dem Gras neben dem Fußgängerweg ab. Anschließend dreht er sich um, greift nach dem Rennrad und hebt es hoch wie ein Spielzeug, um es aus dem Weg zu räumen. Als ich den verkratzten Rahmen und das verbogene Vorderrad sehe, bin ich schlagartig wieder im Hier und Jetzt und kann einen Fluch nicht unterdrücken.

      »Verdammter Mist!«

      Wieder trifft mich sein strenger Blick. Hat er noch nie eine Frau fluchen gehört? Das Nächste, was ich aufschnappe, ist die laute Stimme der Frau, die das Kind immer noch an sich gedrückt hält. Sie beschimpft mich auf das Übelste, während sie mit der freien Hand in der Luft herumfuchtelt. Seit dem Augenblick, als ich in die Augen dieses Alphagottes geschaut habe, hat sich alles um mich herum in Luft aufgelöst. Ich sollte mich bei der Frau entschuldigen, das ist das Mindeste, was ich tun kann. Dennoch sitze ich einfach hier und bin wie verhext von diesem Mann.

      »An Ihrer Stelle würde ich den Mund halten«, wendet der große Unbekannte sich an die Frau, was sie sofort verstummen lässt.

      Seine Stimme ist überlegen, aber nicht beleidigend oder laut. Völlig sprachlos wegen seiner Impertinenz bleiben ihr die Worte im Hals stecken. Sie reißt die Augen auf und schnaubt aufgebracht. Ich halte kurz die Luft an, als mir die Unverschämtheit seiner Worte bewusst wird. Warum ergreift er Partei für mich, obwohl ich ihn gerade über den Haufen gefahren habe?

      »Der Kleinen ist doch nichts passiert, oder? Sie sollten besser auf sie aufpassen und Ihre Pflichten nicht vernachlässigen, dann wäre das hier nicht geschehen«, zischt er. Dem kleinen Mädchen zwinkert er dabei verschwörerisch, ja fast liebevoll zu.

      Innerlich lächle ich über seine Worte, aber gleichzeitig kann ich nur den Kopf schütteln über seine Dreistigkeit ihr gegenüber. Ich hätte mich niemals getraut, die Frau in diesem beleidigenden Ton anzugreifen, besonders, da das hier ein Fußgängerweg ist, und die Schuld damit ganz allein bei mir liegt.

      »Es tut mir leid«, versuche ich, zu retten, was zu retten ist. »Es war meine Schuld.«

      »Die Menschen werden immer dreister«, dringen noch die verärgerten Worte der Frau an mein Ohr. Meine Entschuldigung hat sie überhaupt nicht zur Kenntnis genommen.

      Dann dreht sie sich völlig empört über seine Reaktion um, nimmt das Kind an der Hand und verschwindet vor sich hin schimpfend hinter der nächsten Biegung.