tanja Voosen

Die Zuckermeister (2). Die verlorene Rezeptur


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dürfen unsere Pon nur unter Aufsicht benutzen«, erklärte Robin. »Jeder Süßigkeitenwerker bekommt sein magisches Werkzeug schon kurz nach seiner Geburt. Die Pon sind sehr wichtig für uns, mit ihnen wirken wir Magie.«

      Ein magisches Werkzeug, wow! Elina durchströmte ein freudiges Gefühl. Dass es so was gab, war einfach cool! Dagegen hätte sie sofort ihren Hockeyschläger getauscht!

      Charlie lachte. »Wofür soll ›Pon‹ denn die Abkürzung sein? Person ohne Nase? Wer hat sich das ausgedacht? Lord Voldemort? Wie lustig!«

      Elina beugte sich vor, um die Pon besser betrachten zu können. »Mensch, Charlie! Siehst du nicht, dass die was Besonderes sind? Der Griff von diesem einen Löffel hat so goldene Beschläge und ganz unten … das sieht richtig hübsch aus! Wie ein Zuckerkristall!« Das beschriebene Pon gehörte laut dem Namen darunter Robin.

      »Ja, gut … sie sehen schon ganz cool aus«, murmelte Charlie.

      »Sind sie auch!«, beharrte Robin. »Wobei ich manchmal gar nicht so stolz bin, eins zu besitzen … « Er drückte niedergeschlagen das Buch an seine Brust.

      »Du machst dir wieder Sorgen, oder?«, fragte Elina mitfühlend.

      Schon damals, als sie gemeinsam auf der Suche nach den Zuckermeistern gewesen waren, um Charlie von den Nebenwirkungen der verdorbenen magischen Schokolade zu befreien, hatte Robin ihnen anvertraut, dass er sehr damit kämpfte, ein magisches Talent zu besitzen. Denn damit ging eine ziemlich große Verantwortung einher, der er sich die meiste Zeit nicht gewachsen fühlte.

      »Ich dachte, wenn meine Eltern die Süßigkeitenwerker-Lizenz haben und nicht mehr heimlich Süßigkeiten herstellen müssen, wird der Druck weniger«, sagte Robin und sah bedrückt zu Boden. »Sie sind damit auch sehr glücklich, aber ich bin dadurch nicht weniger ein Süßigkeitenwerker und sie haben noch immer Erwartungen an mich. Jetzt sind da diese Prüfungen und ich habe Angst, dass ich sie nicht schaffe. Ich bin nun mal nicht Juna.«

      »Nein, das bist du nicht«, sagte Elina. »Doch du gibst dir genauso viel Mühe, auf deine Art eben. Charlie und ich glauben ganz fest an dich. Du kannst das schaffen.«

      Robin ließ traurig den Kopf hängen. »Aber schaut euch doch Juna an! Sie ist so clever und hat schon drei Prüfungen abgelegt und bestanden, als wäre sie ein magisches Ass! Dagegen stinke ich doch total ab und hab keine Chance.«

      Charlie trat vor und knuffte Robin in den Arm. »Das ist wie mit dem Zeichnen, weißt du? Ich denke, ich bin schlechter als alle anderen, aber ich habe in der Kunst-AG gelernt, dass jeder etwas besonders gut kann. Dann kannst du eben nicht so gut auswendig lernen, machst dafür aber die praktischen Prüfungen mit links. Wirst schon sehen! Du schwingst dein Pon bestimmt wie ein obermagisch-mächtiger Zuckermeister!«

      »So wie du deinen Zeichenstift?«, fragte Robin.

      »Und Elina ihren Hockeyschläger«, fügte Charlie hinzu.

      Elina lächelte. Krise abgewendet!

      »Und wofür steht das Wort Pon jetzt?«, fragte sie.

      »Früher nannte man die Werkzeuge ›Pont vers la magie‹, das heißt aus dem Französischen übersetzt ›Brücke zur Magie‹«, erklärte Robin. »Weil unsere Werkzeuge eben die Brücke der Magie zwischen den Süßigkeitenwerkern und den Süßigkeiten sind. Daraus wurde irgendwann einfach ›Pon‹.«

      »Wieso denn Französisch?«, fragte Elina.

      »Madame Picot hatte französisch-belgische Wurzeln und viele ihrer Ideen und Erfindungen haben deshalb französische Namen«, sagte Robin.

      Charlie erschauderte. »Da muss ich an die Münze denken.«

      Elina ging es nicht anders. Die Erinnerung an die Münze war nur eine von vielen, die an ihr magisches Abenteuer geknüpft waren, das noch gar nicht allzu lange zurücklag. Eine Frau namens Althea, die auch Charlie mit der Schokolade verflucht hatte, hatte Elina eine magische Münze untergejubelt – eine Feindesmünze mit französischer Inschrift am Rand: Ehre im Blut. Mit der Münze hatte Althea Elina jederzeit aufspüren können und versucht, an den Notfallkoffer mit den magischen Süßigkeiten heranzukommen. Von den Zuckermeistern, die Charlie geholfen hatten, wussten sie, dass Althea in Wahrheit Vivien Aldric hieß und ihre Süßigkeitenwerker-Magie schon lange nicht mehr für Gutes nutzte.

      Und sie war noch irgendwo da draußen …

      Für einen Moment hatten alle ihren Gedanken nachgehangen und Elina wollte auf keinen Fall, dass die Erinnerung an Vivien die ganze Stimmung kaputt machte.

      »Wie funktioniert so ein Pon denn?«, fragte Elina.

      »Das Pon leitet die Magie des Süßigkeitenwerkers weiter, dem es gehört«, erklärte Robin. »Jedes Pon ist einzigartig, genau wie sein Besitzer. Deshalb funktioniert ein Pon auch nur für diesen.«

      »Deine Mutter hat einen Pfannenwender, richtig?«, warf Elina ein.

      »Genau. Pon können viele Formen haben. Pfannenwender, Löffel, Schneebesen … Stellt euch die Pon wie eine Antenne vor, die Magie leitet. Und wir brauchen diese Antenne, um einen magischen Sender einstellen zu können. Ohne Pon kann ein Süßigkeitenwerker seine Magie nämlich nicht fokussieren und manifestieren.«

      »Du klingst wie ein weiser Oberlehrer«, lobte Charlie.

      »Ja! Du weißt viel mehr, als du denkst«, sagte Elina und strahlte ihn an.

      Robin wurde wieder nachdenklich. »Aber ob es für die Prüfung reicht … «

      »Du kriegst das hin!«, sagte Elina. »Du hast uns doch neulich erklärt, dass man die erste Prüfung mit dreizehn machen darf. Und dann jedes Jahr wieder eine, bis man alle sechs bestanden hat. Überleg mal, Juna ist viel älter als du. Sie kann direkt mehrere Prüfungen ablegen und aufholen.

      Und sie hat von deinen Eltern schon viel mehr beigebracht bekommen, weil sie dir eben einige Jahre Unterricht voraushat.«

      »Oder denk an Arthur«, sagte Charlie. »Der wird nie eine Prüfung machen. Der Arme! Wann kommt er denn heim? Ich würde ihm gerne Hallo sagen.«

      »Hallo sagen? Wohl eher anhimmeln«, zog Robin sie auf.

      Elinas Augen klebten derweil wieder am Glaskasten. »Hey, Robin … darf ich … darf ich vielleicht dein Pon mal halten? Ich würde so gerne wissen, wie sich das anfühlt!«

      Er warf Elina einen zögerlichen Blick zu, nickte dann aber. »Okay. Warum nicht.« Robin öffnete den Glaskasten und nahm den Kochlöffel heraus, um ihn Elina zu reichen.

      Sie fuhr mit den Fingern über die Holzmaserung des Griffs. Am unteren Rand saß ein goldener Beschlag, der in den weißen Kristall überging. Das Pon fühlte sich kalt an. Leider sprühten keine Funken und auch nichts anderes Magisches geschah. Cool war es trotzdem!

      »Ich will auch mal!«, sagte Charlie. »Bitte!«

      Elina sah zu Robin, aber der zuckte bloß mit den Schultern.

      Als Charlie an der Reihe war, bestaunte auch sie den Kochlöffel. »Echt hübsch!«

      Plötzlich hörten sie von draußen Motorengeräusch.

      »Oh, Mist! Das sind sicher meine Eltern«, sagte Robin panisch. Aufgeregt huschte er zu einem der Fenster und spähte hinaus. »Sie sind es wirklich. Charlie, das Pon!«

      Charlie hatte wohl dasselbe gedacht wie Robin. Sie hielt ihm den ausgestreckten Arm mit dem Pon entgegen, während er sich eilig vom Fenster abwandte.

      »Aufpassen!«, rief Elina, doch es war zu spät.

      Robin stieß gegen Charlies Handgelenk und Charlie flog das Pon aus den Fingern. Für einen Herzschlag hörte man nichts außer dem Geräusch, mit dem das magische Werkzeug auf dem Boden aufschlug. Alle waren wie erstarrt. Dann schüttelte Elina sich und bückte sich, um das Pon aufzuheben. Dem Kristall fehlte eine winzige Ecke!

      »Nein, nein, nein!«, flüsterte Robin. »Es ist kaputt! Mein Pon ist kaputt!« Er stand so dicht neben Elina, dass